Hannover. Es gibt Überlegungen seitens für ein Abschiedsspiel für den verstorbenen Robert Enke. Ein möglicher Termin könnte im Januar oder Februar gefunden werden. Enke täuschte auch den Psychologen des DFB. Erst Anfang September habe es eine vorsorgliche Untersuchung auf Depressionen gegeben.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und die Deutsche Fußball Liga (DFL) denken über ein Abschiedsspiel für den verstorbenen Nationaltorwart Robert Enke nach, der sich am Dientag das Leben genommen hatte. 'Es gibt erste Überlegungen, es ist aber bislang keine Entscheidung gefallen. Deshalb gibt es auch noch keine Details zu vermelden', erklärte der DFB am Freitag zu einer Meldung der Bild-Zeitung. Das Blatt berichtet am Freitag, dass DFB und DFL für Januar oder Februar 2010 ein Abschiedsspiel für Enke planen. Die Begegnung soll in Hannover stattfinden, wo Enke am Sonntag nach einer Trauerfeier in der Arena im engsten Kreis der Familie beigesetzt wird.

Nationalmannschaft gegen Hannover 96

Denkbar sei, dass die Nationalmannschaft gegen den Bundesligisten Hannover 96 spielt. In welchem Rahmen die Partie durchgeführt werde, stehe noch nicht fest. Klar sei jedoch, dass die Einnahmen gespendet werden. Das Spiel wäre wohl ganz im Sinne der Nationalspieler. 'Schon am Mittwoch haben die Spieler gefragt, wie sie sich von Robert Enke verabschieden können', sagte DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach.

Bereits einen Tag nach dem Selbstmord Enkes habe es innerhalb der Mannschaft den Wunsch nach einer gemeinsamen Aktion gegeben. Geplant ist eine solche vor dem Länderspiel gegen die Elfenbeinküste in Gelsenkirchen am 18. November. Details sind noch nicht bekannt. Das für Samstag abgesagte Länderspiel gegen Chile soll möglicherweise im kommenden Mai im Rahmen der unmittelbaren WM-Vorbereitung nachgeholt werden.

Enke täuschte DFB-Psychologen

Robert Enke hat auch Hans-Dieter Hermann, den Psychologen bei der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, in Bezug auf seine Depressionen getäuscht. Hermann untersuchte Enke Anfang September vorsorglich auf Depressionen hin, in einem langen Gespräch in der Sportschule Barsinghausen habe es allerdings 'keinerlei Hinweis auf diese Erkrankung gegeben', sagte Hermann in einem Interview auf der Website des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).

'Robert klagte zu dieser Zeit über Erschöpfungssymptome, für die zunächst kein medizinischer Grund gefunden werden konnte. Obwohl es keine konkreten Anhaltspunkte dafür gab, war ich gemeinsam mit unserem Mannschaftsarzt Professor Tim Meyer der Meinung, dass man auch eine mögliche Depressivität oder gar eine Depression in Betracht ziehen sollte, zumindest müsste ich es abklären', sagte Hermann. In einem etwa einstündigen Gespräch habe es dann für ihn keinerlei Hinweis auf diese Erkrankung gegeben: 'Im Gegenteil, Robert beschrieb sich außerhalb dieser Müdigkeit als privat und sportlich glücklichen Menschen mit klaren Zukunftsideen. Natürlich frage ich mich heute auch wie jeder von uns: Hätte ich hier etwas erkennen können, wenn ich hartnäckiger nachgefragt hätte? Andererseits - was wir aber damals nicht wussten - war er ja in Behandlung und somit bereits in den richtigen Händen.'

Psychologische Betreuung für Nationalspieler

Nach Enkes Selbstmord bietet Hermann den Nationalspielern weiterhin psychologische Betreuung an. 'Wir saßen am Mittwoch schon mit der Mannschaft zum Gedankenaustausch ausführlich zusammen und werden dieses Angebot von Seiten der Trainer, des Managers und auch mir weiter aufrechterhalten.' Auf freiwilliger Basis sollten 'diejenigen aus der Mannschaft, die ihre Gedanken mitteilen oder ordnen wollen, jederzeit Ansprechpartner finden - bei Bedarf natürlich auch über die gemeinsame Zeit im Kreis der Nationalmannschaft hinaus', sagte Hermann.

Enke beschrieb er als 'sensibel, aber absolut souverän und auf den Sport bezogen ziel- und leistungsorientiert'. An sein Innerstes habe Enke verständlicherweise nur ganz wenige Menschen herangelassen, 'letztlich tragischerweise niemanden mehr'. Enke habe sich offensichtlich vor Jahren eine 'kaum erkennbare Schutzhülle aufgebaut', mit der er sich abschirmen konnte. 'Wie stark er war, merkt man daran, dass er trotzdem konstant gute Leistungen im Fußball gezeigt hat', sagte Hermann. Die Frage nach dem 'Warum?' könne niemand verlässlich beantworten, so Hermann weiter: 'Die Dramatik der Ereignisse lässt jedoch den Schluss zu, dass sich Robert insbesondere in den letzten Tagen in einer für ihn absolut ausweg- und hoffnungslosen Situation befunden haben muss, die zu dieser Unumkehrbarkeit der Abläufe geführt hat.'

Depressive Spitzensportler

Hoher Leistungsdruck, eine hohe Erwartungshaltung und mangelnde Erholung will Hermann nicht als Hauptgründe für Depressionen im Leistungssport gelten lassen. Dies sei in der Regel kein Problem für Spieler, die sich qualifiziert haben in einer hohen Klasse oder der Nationalmannschaft zu spielen. 'Schwierig wird es für sensible Spieler vor allem dann, wenn sie in der Öffentlichkeit lächerlich gemacht, sie beleidigt werden oder ihnen komplette Unfähigkeit vorgeworfen wird', sagte Hermann.

Dies werde umso stärker empfunden, je näher einem die Kritiker sind, 'also zum Beispiel das eigene Publikum, die heimische Zeitung oder gar Funktionsträger des Vereins'. Hermann, der seit etwa 20 Jahren im Spitzensport tätig ist, habe immer wieder depressive Menschen erlebt und mit ihnen gearbeitet. 'Die Anzahl ist höher als die bekannten Fälle, aber nicht so, dass man einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Leistungssport und Depression herstellen könnte', sagte Hermann.

Viele Fußballer belastet

Im deutschen Profifußball sind möglicherweise eine Reihe von Spielern mit psychischen Problemen belastet. 'Ich weiß, dass schon namhafte Spitzenspieler mit unseren Seelsorgern gesprochen haben und dass denen auch geholfen werden konnte', sagte Florian Gothe in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Der Präsident der Profifußballer-Gewerkschaft will noch nicht mal von einer Dunkelziffer mental labiler Profis sprechen. 'Man muss eher sagen: Schwarzziffer - so tabu wie dieses Thema bisher war. Ich gehe davon aus, dass die Quote im Fußball ähnlich ist, wie in anderen Gesellschaftsbereichen.' Gothe räumt zwar ein, dass Berufsfußballer weniger materielle Sorgen hätten, gerade am Karrierende würde es aber einige geben, die massive Existenzängste hätten.

Als Konsequenz aus dem Selbstmord von Nationaltorwart Robert Enke müssten nun der Deutsche Fußball-Bund (DFB), die Deutsche Fußball Liga (DFL) und die VDV Anlaufstellen für die Profis bieten: 'Wir müssen da klare Zeichen setzen: Spieler offenbart euch! Ihr braucht nichts zu verheimlichen. Ruft uns an, wir können euch helfen. Und wir behandeln es absolut vertraulich.' Die Hilfsangebote bei psychischen Erkrankungen dürfen nach Ansicht von Gothe aber 'nicht nur am Verein' angekoppelt sein: 'Dieses Problem muss die ganze Fußball-Branche lösen. Die momentane Überraschtheit und Betroffenheit zeigt mir zwar: Die Vereine erkennen, dass Optimierungsbedarf besteht - und das ist grundsätzlich gut. Aber noch einmal: Ich glaube, dass sich viele Spieler mit einem echten Problem innerhalb ihres Vereins nicht öffnen werden - auch, wenn man ihnen dort Fachleute zur Verfügung stellt.'

Traueranzeige mit Havel-Worten

Mit tröstenden Worten des tschechischen Schriftstellers und ehemaligen Staatspräsidenten Vaclav Havel hat die Witwe von Robert Enke in einer Todesanzeige ihres am Dienstag verstorbenen Ehemanns gedacht. Dort heißt es: 'Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht. In ewiger Liebe - Teresa, Leila und Dein kleiner Engel.' Der deutsche Nationaltorwart und Bundesligaprofi von Hannover 96 hatte sich nach jahrelangen schweren Depressionen das Leben genommen. (sid)