Essen. Die Germanwings-Katastrophe jährt sich zum zehnten Mal. Der WDR arbeitet das Drama auf. Warum man sich das unbedingt ansehen sollte.
Das Flugzeug zerschellt mit 750 Stundenkilometern am Berg, 150 Menschen sterben im Bruchteil einer Sekunde. Die Tragödie des Absturzes einer Germanwings-Maschine auf dem Fug von Barcelona nach Düsseldorf am 24. März vor zehn Jahren hat sich aus vielen Gründen ins Gedächtnis eingebrannt – einer stach sofort heraus: Der Co-Pilot Andreas Lubitz hat das Flugzeug in den französischen Westalpen allen offiziellen Untersuchungsergebnissen zufolge mit Absicht abstürzen lassen. WDR-Autorin Justine Rosenkranz hat sich auf die Spuren des monströsen Dramas gemacht und fächert es in vier halbstündigen Episoden auf, die ab 28. Januar in der ARD-Mediathek zu sehen sind: „Der Germanwings-Absturz - Chronologie eines Verbrechens“.
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Warum durfte der psychisch labile Andreas Lubitz noch ins Cockpit?
„Ich will, dass jemand Verantwortung übernimmt“, sagt Klaus Radner, Vater einer Opernsängerin, die im Flieger saß, und das gehört zu den Kernsätzen, denen sich die Dokumentation widmet. Die Frage, warum der psychisch so labile Lubitz nach zahllosen Arztbesuchen überhaupt noch ein Cockpit betreten durfte, bewegt nicht nur die Hinterbliebenen, sondern bald auch das Landgericht Braunschweig, wo sie die Bundesrepublik auf Schmerzensgeld verklagen. Genauer gesagt das Luftfahrtbundesamt, das für die flugmedizinischen Untersuchungen zuständig ist. Mit der Klage gegen die Lufthansa als Germanwings-Mutter waren Angehörige in Essen gescheitert.
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Niemand bricht vor der Kamera in Tränen aus
Justine Rosenkranz gelingt in den zwei Stunden eine starke Balance zwischen Berührendem und Aufklärerischem. Sie lässt Menschen erzählen, die Söhne, Töchter, Ehemänner verloren haben, gibt ihnen viel Raum, ihre Fassungslosigkeit über diesen 149-fachen Mord zu artikulieren, ihre Ohnmacht, mit dem Thema nicht abschließen zu können. Niemand bricht vor der Kamera in Tränen aus, aber die Intensität ihrer Teilnahme ist jederzeit greifbar. Das gilt auch für die mittelbar Betroffenen wie den früheren Schulleiter in Haltern. 14 Schülerinnen und zwei Schüler der 10. Klasse sowie zwei Lehrerinnen seines Gymnasiums zählten zu den Opfern.

Kein Zweifel am Verlauf der Tragödie
Bilder von den mühsamen Bergungsarbeiten lassen noch einmal den Aufwand lebendig werden, der damals betrieben wurde, um menschliche Überreste zu finden: Männer die sich mit Schäufelchen durch Sand und Schutt arbeiten. Französische und deutsche Ermittler lassen in ihren hier noch einmal vermittelten Erkenntnissen keinen Zweifel am Verlauf der Tragödie.
Der Film lässt Luftfahrtexperten und Mediziner zu Wort kommen, Anwälte und Politiker. Vieles kreist um die Schuldfrage, aber auch um die Lehren, die man mit Blick auf die ärztliche Schweigepflicht oder auch technische Vorkehrungen in Flugzeugen ziehen könnte.
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Noch kein Sendetermin im regulären Fernsehprogramm
Rosenkranz wertet dabei nicht, sondern recherchiert und beschreibt akkurat. Sie verknüpft Aktuelles und Historisches wie alte Tagesschauschnipsel, Pressekonferenzen von Staatsanwälten, Politikern oder Lubitz’ Vater und die Trauerfeier im Kölner Dom so gekonnt, dass sich aus vielen Teilen ein Gesamtbild ergibt, das keine journalistischen Fragen offen lässt. Einen Sendetermin im regulären Fernsehprogramm soll es laut WDR im März geben. Angesichts von Bedeutung und Qualität dieses Vierteilers hoffentlich zu einer publikumsfreundlichen Uhrzeit.
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