Ruhrgebiet. Gewalt gegen die Polizei: Wie ein junger Polizist erstmals einem Mann mit Messer begegnete. Und warum ihn im Traum ein Schuss verfolgt, der nie fiel.
Tritte, Schläge, Messer: Jeden Tag werden in NRW 65 Polizistinnen und Polizisten Opfer von Gewalt, insgesamt zählt die jüngste Statistik 23.823 Betroffene. Auch die Zahl der Taten steigt: zuletzt auf 9829, eine Zunahme von knapp 19 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Hier erzählen Polizeibeamtinnen und -beamte aus dem Ruhrgebiet, wie sie Gewalt im Einsatzalltag erleben – und was das mit ihnen macht.
Polizeihauptkommissar (36) aus einer Motorradeinheit, seit zwölf Jahren im Dienst:
„Ich habe schon viel erlebt, was mir im Kopf geblieben ist. Ich war damals frisch fertig, an jenem Tag hatten wir schon einige Einsätze: Verkehrsunfälle, Einbrüche, wir wollten auf die Wache, um die Berichte zu schreiben. Direkt vor der Tür war dort plötzlich diese verzweifelte Frauenstimme: „Kommen Sie schnell, der bringt den um!“ Da waren zwei Männer, der eine hatte den anderen im Schwitzkasten. Warum hauten die sich auf die Mappe? Die Lage war offensichtlich ernst, mein Instinkt sagte mir sofort: Wir müssen da hin!
Wir haben die beiden mit Gewalt voneinander losgerissen, man will ja helfen, dass sie sich nicht verletzen. Und da sah ich es: Der Eine hatte in jeder Hand ein silbernes Messer aus Edelstahl! Ich war völlig perplex. Dieses Silber werde ich nie vergessen und diesen Blick: wie im Wahn, voller Hass.
Auch interessant
Wir haben sofort den Abstand vergrößert, mein Chef rief mehrfach: „Lass die Messer fallen!“ Aber dieser Blick, da hätte man wohl sagen können, was man wollte. Ich habe die Augen zugemacht und mich etwas abgewandt, ich habe nur noch auf das Schussgeräusch gewartet. Aber das kam nicht. Er hat die Messer tatsächlich fallen lassen, erst das eine, dann auch das andere.
Lesen Sie weitere Protokolle
- „Jetzt habe ich acht Narben und zwölf Stahlhaken im Körper“
- „Geringe Strafen sind für uns Polizisten frustrierend“
- „Ich habe ihn erschossen. Sonst wäre ich nicht hier“
- „Die Frau hat mich an den Haaren zu Boden gerissen“
Dann war die Situation erstmal gut, die Messer waren ja weg. Aber auf der Wache war die Treppe voller Blut. Mein Kollege hatte einen tiefen Schnitt am Arm. Der zweite Mann hatte Stichwunden, die beinahe tödlich waren. Der andere ist später verurteilt worden wegen versuchten Mordes.
Ich habe danach lange unruhig geschlafen. In meinen Träumen höre ich immer wieder den Schuss, der nicht kam. Wie schnell, das denke ich noch heute, kann es im Wachdienst gehen? Es macht ja doch Sinn, dass wir da sind: Was wäre, wenn es die Polizei nicht geben würde?“