Essen. Kontrollwahn: Handy, Smartwatch und Airtag sind in Hanauer Kitas seit kurzem nicht mehr erlaubt. Braucht es auch in NRW ein Verbot?

Ob mit Handy, Smartwatch oder Airtag: Manche Eltern verfolgen ihre Kinder in Echtzeit via GPS. Selbst dann, wenn diese in der Kita sind. Im hessischen Hanau ist das seit kurzem allerdings nicht mehr erlaubt, zumindest in den städtischen Einrichtungen. „Jedes Kind hat das Recht, seine Umwelt ohne ständige Überwachung zu erkunden und Selbstbestimmung zu erleben“, sagt Maximilian Bieri. Er ist Bürgermeister (SPD) und hat die Sender verboten. Ein Schritt, der auch in NRW notwendig wäre?

Der Kita-Zweckverband, mit über 200 Einrichtungen einer der größten Träger im Ruhrgebiet und der Region, hat auf diese Frage bereits eine klare Antwort gefunden: „Private mobile Endgeräte dürfen weder von den Mitarbeitenden noch von den Familien in der Kita genutzt werden. Auch die Nutzung von Bluetooth- und UWB-Trackern ist untersagt.“ Die Kita solle schließlich ein „Schutzraum“ für die Kinder sein, „in dem keine technischen Kontrollmechanismen notwendig sind.“

So sehen es auch andere Träger, etwa Fröbel oder die Arbeiterwohlfahrt (AWO). „Jedes Kind hat im Kindergarten das Recht darauf, seine Umwelt selbstbestimmt und ohne ständige Überwachung in einem geschützten Raum zu erkunden“, sagt Fröbel-Sprecherin Birte Wuermeling. Ein explizites Verbot gibt es allerdings weder bei Fröbel noch bei der AWO. Aus einem einfachen Grund: Dass Eltern ihre Kinder mit Ortungsgeräten ausgestattet in der Kita abgeben, sei bisher noch gar nicht vorgekommen.

Eltern über Ortungs-Verbot in Kitas: „Was soll ich da überhaupt tracken?“

Dieser Eindruck bestätigt sich, wenn man sich unter Müttern und Vätern im Ruhrgebiet umhört. Zwar haben viele von ihnen für ihre älteren Kinder GPS-Sender, etwa, weil diese allein den Schulweg bestreiten. Angst um ihre Kita-Kinder haben sie aber in den meisten Fällen nicht.

„Ich würde gar nicht verstehen, wo da der Sinn liegt. Ich gebe mein Kind morgens ab und an dem gleichen Ort bleibt es den Tag über. Was soll ich da überhaupt tracken?“, sagt eine Mutter. Eine andere findet: „Ich vertraue den Erzieherinnen und wüsste gar nicht, was ich da überwachen soll.“

Eine Mutter erzählt allerdings: „An normalen Tagen gebe ich meinem Sohn den Airtag nicht mit. Aber wenn ein Ausflug ansteht, dann schon. Die Erzieherinnen sind für so viele Kinder gleichzeitig zuständig. Man weiß ja nie, was passiert. Da möchte ich einfach auf Nummer sicher gehen.“

Medienpädagogin warnt vor „Pseudo-Sicherheit“

Der Wunsch nach größtmöglicher Sicherheit: Die Werbung der Sender-Hersteller kennt dieses Bedürfnis genau. „Mit der Angst der Eltern lässt sich viel Geld verdienen. Die Branche wächst“, sagt Iren Schulz. Sie ist Medienpädagogin der Initiative „Schau hin! Was dein Kind mit Medien macht“ – und hält generell nichts davon, Kinder digital zu orten.

Als Mutter könne sie die Bedenken zwar prinzipiell nachvollziehen, wenn die Kinder etwa allein draußen unterwegs sind. Allerdings warnt die Expertin, dass die ständige Überwachung die Kinder in ihrer Entwicklung stören kann. So sollten sie schließlich lernen, sich selbstbewusst und selbst organisiert, auch mal ohne ihre Eltern in der komplexen Welt zurechtzufinden. Versieht man die Kinder immer mit einem Sender, vermittle man ihnen hingegen, dass man ihnen das nicht zutraut, ihnen also auch nicht wirklich vertraut. Darunter könne das Erfolgserleben der Kinder, etwas ganz alleine geschafft zu haben, aber auch die Beziehung zwischen Kindern und Eltern langfristig leiden.

Die technischen Risiken

Viele Eltern sind froh darüber, dass sie dank GPS-Trackern in Echtzeit verfolgen können, wo sich ihr Kind gerade befindet. „Was sie aber oft außer Acht lassen, ist die Frage: Wer außer mir hat Zugriff auf diese Informationen?“, sagt Medienpädagogin Iren Schulz.

Es bestehe die Gefahr, dass die GPS-Tracker und die entsprechenden Konten gehackt werden. Die Kontakt- oder Standortdaten könnten dadurch in falsche Hände geraten. „Eltern sollten sich daher auf jeden Fall über die Datenschutz- und Verschlüsselungsrichtlinien der Geräte informieren“, rät Schulz.

Hinzukommt, dass Tracker nur vermeintlich Sicherheit bieten. „Die Frage ist ja, welche Gefahren man wirklich ausschließen kann und ob man mit der Überwachung nicht eher noch mehr Unsicherheiten und Ängste schafft“, sagt Schulz. Verbrechen können Eltern aus der Ferne sowieso nicht verhindern und Angstszenarien, wie eine Entführung, werden realistisch betrachtet nicht eintreten.

„Die Art der Überwachung, ob in der Kita oder generell, ist meines Erachtens übertrieben und bietet nur eine Pseudo-Sicherheit“, hält Schulz fest. Obwohl GPS-Tracker für Kita-Kinder noch längst kein Massenphänomen sind, sei es daher das „richtige Signal“, sie schon jetzt zu verbieten.

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