Mülheim/Duisburg. Fast 34 Jahre nach dem Tod von Günter K. aus Mülheim glauben die Ermittler, den Täter zu haben. Doch die meisten Zeugen sind längst gestorben.
„Mord an Friseur“, titelte die WAZ im Januar 1991, „Zeugen gesucht.“ Allein, das ist fast 34 Jahre her, und das Landgericht Duisburg steht vor einem Problem: „Viele Zeugen sind schon gestorben“, sagt der Vorsitzende Richter Mario Plein am Dienstag. 15 zählt er auf, die Karl-Heinz hießen oder Sieglinde und die nun nichts mehr sagen können über den Tod von Günter K. aus Mülheim. Der stadtbekannte Inhaber eines Friseursalons in der City wurde erdrosselt, und jetzt erst steht sein mutmaßlicher Mörder vor Gericht.
In fünf Tagen wird der Angeklagte 63. Genauso alt, wie Günter K. war, als die Polizei ihn an jenem kalten Samstag tot in seiner Wohnung fand. Seine Angestellten hatten ihn vermisst gemeldet, als der Chef nicht im Salon erschien. Der nun des Mordes Beschuldigte ist grau geworden über die Jahre; im Januar 1991 muss er 29 gewesen sein. Die Polizei suchte damals, so stand es in der WAZ, einen dunkelhaarigen Mann. Vergeblich – bis das Land NRW die „Rentner-Cops“ erfand: pensionierte Polizeibeamte, die in neuen Ermittlungskommissionen alte Fälle wieder herauskramen. Und die Spuren mit moderner Technik ein weiteres Mal überprüfen.
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Den Treffer meldete die Polizei im April: Bei einem erneuten Abgleich von Fingerabdrücken und Erbgut hatte eine Datenbank den Namen eines Mülheimers mit deutscher und polnischer Staatsangehörigkeit ausgespuckt. Eine Strafakte habe der verwitwete Mann nicht, er sei aber bei einem Autoeinbruch in Polen aufgefallen. Der 62-Jährige wohnte „in geordneten Verhältnissen“ im Stadtteil Saarn – bis er Mitte April festgenommen wurde. „Aus seinem Leben heraus“, sagt sein Verteidiger Nikias Roth. „Er stand voll in Lohn und Brot.“ Sein Mandant fühle sich ungerecht behandelt, „so etwas belastet jeden“.
Ehefrauen von Opfer und mutmaßlichem Täter sind verstorben
Aus der U-Haft kommt der Angeklagte am Dienstag in Handschellen ins Gericht, er trägt graue Jeans und eine schwarze Softshell-Jacke. Publikum ist keines im Saal, niemand außer der Presse, der seinetwegen gekommen wäre. Auch keiner, der wegen des Opfers da ist: Dessen Frau ist längst verstorben. Die Tochter von Günter K. lebt in Köln; ihr überbrachte der Leiter der Essener Ermittlungskommission „Cold Cases“ die Nachricht der Verhaftung im April persönlich. Dustin Wisnewski berichtete damals von einem „emotionalen Moment“.
Der Angeklagte zeigt zum Prozessauftakt keine Gefühle. Den strengen Blick nach unten gerichtet hört er der Staatsanwältin zu, sie braucht nur wenige Minuten: Aus Habgier soll der damals junge Mann Günter K. ermordet haben, erdrosselt mit dem Kabel einer Dreifach-Steckdose. „Der Tod war nötig“, erklärt Melanie Anderhub den juristischen Hintergrund, damit der Täter sich die Wertsachen seines Opfers aneignen konnte.
Zwei teure Uhren, ein Feuerzeug von Cartier und Goldmünzen
Zwei teure Uhren nahm der Unbekannte mit, eine aus Weißgold, eine von Cartier. Dazu ein Feuerzeug, ebenfalls von Cartier, und sechs goldene Münzen mit dem Symbol einer Friedenstaube. Die Beute ist bis heute nicht wieder aufgetaucht. Das Einzige, was die Ermittler seit drei Jahrzehnten wissen: Günter K. lebte von seiner Frau getrennt, war in jener winterlichen Nacht von Freitag auf Samstag bis halb sechs in der Frühe feiern gewesen. Einen Freund, der ihn noch bis zur Haustür brachte, suchte die Polizei zunächst als Verdächtigen.
Dieser Zeuge wollte einen anderen Mann am Tatort gesehen haben. Den, der nun auf der Anklagebank sitzt? Keinesfalls, sagt Rechtsanwalt Nikias Roth. Sein Mandant, der gegenüber der Polizei bislang geschwiegen hat, bestreite alles. Er wolle sich zwar am dritten Prozesstag, dem 20. Dezember, äußern. Am Dienstag nur so viel: Der dann 63-Jährige werde „ein anderes Tatgeschehen“ schildern, weil der Hergang aus der Anklage „sich so nicht zugetragen haben kann“.
Opfer und Täter sollen sich nicht gekannt haben
Opfer und Täter hätten sich nicht gekannt, es gebe auch keinen Zusammenhang mit einer möglichen Homosexualität von Günter K. „Er war in der Wohnung, aber aus anderen Gründen.“ Zudem sei zweifelhaft, ob die gefundenen Fingerabdrücke überhaupt verwertbar seien. Nach 34 Jahren...
Um das zu klären, hat die 5. große Strafkammer zunächst acht Verhandlungstage angesetzt, ein Urteil könnte Ende Januar fallen. Nur, wenn die Richter auf Mord erkennen, könnte der Angeklagte noch belangt werden. Alle anderen Delikte wären längst verjährt.