Essen. Der Essener Weihbischof Schepers räumt als Queer-Beauftragter mit Vorurteilen in der Katholischen Kirche auf. Was ihn antreibt, was ihn hindert.
Ludger Schepers ist nicht nur Weihbischof. Er ist seit Februar 2024 auch Queer-Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz. Er möchte queeren Menschen in der Katholischen Kirche eine Stimme geben, also Personen, deren geschlechtliche Identität oder sexuelle Orientierung nicht der heterosexuellen Norm entspricht. Darunter sind auch Menschen, die nun ab November aufgrund des neuen Selbstbestimmungsgesetzes leichter ihr Geschlecht im Pass ändern können. Der Weihbischof will Diskriminierung verhindern. Doch mit diesem Wunsch stößt der 71-Jährige auch immer wieder auf taube Ohren.
Wie sind Sie zu Ihrer Aufgabe des Queer-Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz gekommen?
Seit meiner Jugend ist meine Lebenseinstellung, gegen jede Art von Diskriminierung allergisch zu sein, ob es damals in der Schule war oder durch meine Kenntnisse der Nazizeit und der Verfolgung eben nicht nur von Juden, sondern auch von Homosexuellen und anderen Gruppierungen. Später hatte ich durch die Frauenkommission zunächst Kontakt zu Lesben. Ich habe dann 2018 auf dem Katholikentag in Münster auf einem Podium über die Diskriminierung gesprochen. Dann hat sich das rasant entwickelt, bis hin zur Beauftragung zunächst für die Pastoralkommission, und dann jetzt für die Bischofskonferenz.
Sie haben in der Schule Diskriminierung erfahren?
In der Oberschule waren wir nur drei, die in den Schulgottesdienst gingen. Glaube und Religion spielten damals keine große Rolle, dafür Sex, Drugs und andere Dinge. Da wurde man nicht zu Feiern eingeladen.
Die Kirche war selbst lange Zeit treibende Kraft, was die Diskriminierung von queeren Menschen betrifft. Wie gehen Sie damit um?
Ich nenne das beim Namen und versuche, die Zukunft besser zu gestalten, mitzuhelfen, dass das nicht mehr geschieht.
Wie sieht das konkret aus? Ich denke da etwa an gleichgeschlechtliche Paare oder Transmenschen, die Kinder haben.
Meine Aufgabe ist es, zum Beispiel unsere Erzieher und Erzieherinnen in Kitas, darauf vorzubereiten, wenn solche Personen kommen und ihr Kind anmelden. Oder auch die Gemeinden, die Priester, wenn Kinder zur Erstkommunion angemeldet werden, wie sie damit gut umgehen, auch sprachlich, sodass es keine Diskriminierung dieser Personen mehr gibt.
Katholische Kirche: ein Glossar
Deutsche Bischofskonferenz: Ein Zusammenschluss der katholischen Bischöfe aller Diözesen in Deutschland.
Diözese: Auch „Bistum“ genannt, bezeichnet das Amtsgebiet eines Bischofs.
Weihbischof: Ein Bischof, der keine Diözese leitet, aber dem Diözesanbischof in der Leitung des Bistums zur Seite steht.
Katechismus: Ein Handbuch, das die katholische Lehre zum christlichen Glauben zusammenfasst.
Sakrament: In der katholischen Kirche gibt es sieben Sakramente, also symbolische Handlungen: Taufe, Eucharistie, Firmung, Ehe, Beichte, Krankensalbung und Priesterweihe.
Am 3. November ist in diesem Jahr der Trans Parent Day, der Tag, an dem Transmenschen mit Kindern gefeiert werden. Werden Sie den Tag begehen?
Ich bin in der Arbeit vor Ort am wenigsten, es sei denn, ich wurde konkret angesprochen. Das könnte ich sonst bei meinen anderen Aufgaben gar nicht leisten. Ich werde aber sicherlich zum nächsten Queer-Gottesdienst gehen.
Wie unterscheidet er sich von einem anderen Gottesdienst?
Letztlich dadurch, dass er von dieser Personengruppe gestaltet wird, in einem geschützten Rahmen. In der Abfolge unterscheidet er sich nicht von einem normalen Gottesdienst. Es ist normal.
„Nicht jeder darf alles machen, es gibt Grenzen. Und diese gilt es einzuhalten, ohne zu diskriminieren.“ “
Es braucht in der Kirche also ein offeneres Denken?
Ja, die Akzeptanz dessen, dass es mehr gibt als Mann und Frau. In der Bibel steht: männlich und weiblich. Was ist denn männlich und was ist denn weiblich? Und da eben zu sehen, es gibt auch noch etwas dazwischen. Das Ganze nur auf den Sex zu beschränken, auf den sexuellen Akt zur Erzeugung von Nachkommenschaft, ist für mich zu einseitig. Es geht bei Beziehungen auch um die gegenseitige Verantwortung. Der umfassendere Begriff ist für mich der Mensch, und ob der trans, bi oder was auch immer ist, ist sekundär.
Gleichgeschlechtliche Paare dürfen sich in Deutschland standesamtlich trauen, die Kirche ermöglicht ihnen das nicht. Priestern ist es im Ruhrbistum freigestellt, ob sie diese Paare segnen möchten?
Ich kann keinen Mitbruder dazu zwingen, das zu tun. Ich kann dafür werben, darüber nachzudenken, was Segen bedeutet.
Damit ist aber Gleichberechtigung nicht hergestellt. Segen: vielleicht. Ehe: nein.
Also das ist zu unterscheiden: Da gibt es das Sakrament, das ist eben auf Mann und Frau festgelegt. Der Segen ist etwas anderes. Das betrifft ja auch zum Beispiel Geschiedene, die wieder heiraten möchten.
Es ist also für Sie kein Ziel, dass gleichgeschlechtliche Paare auch kirchlich heiraten?
Nicht jeder darf alles machen, es gibt Grenzen. Und diese gilt es einzuhalten, ohne zu diskriminieren.
Aber ist es nicht diskriminierend, wenn queere Menschen nicht heiraten dürfen?
Wenn meine Mutter gesagt hat: ,Jetzt ist keine Zeit für Süßigkeiten‘, habe ich mich nicht zurückgesetzt gefühlt, weil ich das Bonbon nicht bekam. Ich weiß, der Vergleich hinkt, aber es gibt schon Regeln, die auch eine Institution hat.
Muss sich die Kirche nicht gedanklich weiter öffnen, damit Gotteshäuser nicht ganz leer werden?
Es kann nicht darum gehen, die Kirchen vollzukriegen, so nach dem Motto: Wir fangen da Leute ein und machen irgendetwas. Es muss um Spiritualität gehen, um Seelsorge, die den Menschen gerecht wird. Die Seelsorge muss auf die Nöte und Sorgen der Menschen eingehen, sie darf sich nicht abseits der Lebenswelt der Menschen bewegen. Da ist die Kirche nicht immer auf den neusten Stand. Ich glaube, es hat für jeden Einzelnen, der in der Verantwortung der Seelsorge steht, eine große Bedeutung, auf welche Art und Weise Jesus auf Menschen zugegangen ist. Theoretisch sind wir gut.
Theoretisch ist die Kirche gut?
Dass wir über die Liebe sprechen. Das umzusetzen, ist die Kunst.
In der kirchlichen Theorie steht ja auch, dass Homosexualität eine Sünde ist.
Das ist ja nur ein Punkt im Katechismus, also bitteschön, übersetzen Sie das nicht so, dass alle Katholiken, alles, was im Katechismus steht, wissen und lesen. Also da gibt es zwar das Buch, aber der Lebensalltag der Menschen ist etwas anderes. Die Frage ist, wie wir in der Seelsorge damit umgehen. Ich würde ja nie sagen: Du bist ein Sünder! Das weiß ich nämlich nicht. Das habe ich auch gar nicht zu wissen.
Auf der Homepage des Ruhrbistums werden Sie als „der unbequeme Essener Weihbischof“ beschrieben. Inwiefern sind Sie unbequem?
Wenn ich Fragen stelle. Fragen sind für manche unbequem.
Was sind das denn wir unbequeme Fragen, die Sie Ihren Kollegen stellen?
Das ist allein schon die Frage, ob das, was im Katechismus steht, so richtig ist.
Und was bekommen Sie für Antworten?
Ja, das sei richtig, zum Beispiel. Oder eben auch nicht. Der Katechismus ist geändert worden, schon ganz viele Male. Denken Sie nur an die Todesstrafe. Auch das Kirchenrecht ist schon viele, viele Male – auch durch diesen Papst – geändert worden. Es sind also nicht unveränderliche Dinge. Sie haben ihre Zeit und ihre Zeitgeschichte, und weil sie eine Zeitgeschichte haben, ist nicht jede Änderung schon eine Anpassung an den Zeitgeist, wie es immer so schön heißt, sondern sie ist notwendig, um die Botschaft in unserer heutigen Zeit zu leben, so wie Jesus es gewollt hätte.
Es sind also nur kleine Schritte, die Sie gehen können?
Ja, es gibt Schritte nach vorne, manchmal gibt es sogar einen Rückschritt. Das ist alles auch nicht nur eine deutsche Frage. Schon in Europa sind wir ganz unterschiedlich unterwegs. Und wenn ich daran denke, wie Homosexuelle in verschiedenen Teilen der Erde diskriminiert und kriminalisiert werden bis hin zur Todesstrafe, dann haben wir da noch einen ganz weiten Weg vor uns.
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