Preise explodieren: Warum der Führerschein so teuer ist
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Essern/Recklinghausen. Der Führerschein wird immer teurer. Kosten von 3500 Euro und mehr sind längst keine Seltenheit mehr. Ein Fahrlehrer nennt die Gründe.
Luxusgut Führerschein? Laut einer Umfrage des ADAC haben 46 Prozent derjenigen, die im vergangenen halben Jahr ihre Fahrerlaubnis erhalten haben, dafür zwischen 2500 und 3500 Euro gezahlt. Bei 22 Prozent waren es sogar bis zu 4500 Euro. Der Anteil dieser hohen Summen hat in den vergangenen vier Jahren kontinuierlich zugenommen. (Hören Sie dazu auch eine Reportage bei Radio K.W., Radio Emscher-Lippe, Radio Mülheim und Radio Oberhausen). Martin Fellmer, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Westfalen, weiß, warum es teurer geworden ist.
Theoretische Führerscheinprüfung: Hätten Sie‘s noch gewusst?
Natürlich sind da erst einmal die Fahrschulen selbst. „Unsere Kosten sind stark gestiegen“, sagt Fellmer. Mieten für die Schulungsräume, Inflation, höhere Energiepreise sowie Pflege- und Wartungskosten und stetig nach oben gehende Preise für die Schulungswagen – „da kommt vieles zusammen“. Größter Preistreiber aber seien die Lohnkosten für angestellte Fahrlehrer. „Die sind um rund 30 Prozent gestiegen“, sagt der Vorsitzende, stellt aber klar: „Die mussten auch steigen.“ Auch weil laut Branchenverband Moving bundesweit über 11.000 Fahrlehrerinnen und –Lehrer fehlen. Eine Zahl, die mittelfristig eher steigen als sinken wird, denn der Anteil der über 60-Jährigen liegt in der Berufsgruppe laut einer Studie bei 37 Prozent.
Der Preis einer 45-minütigen Fahrstunde variiert quer durch Deutschland gewaltig und liegt zwischen 60 und 90 Euro. Fahrschüler- und Schülerinnen in NRW zahlen – nach nicht repräsentativen Stichproben, um die 70 Euro pro Stunde – und damit im Schnitt 7 bis 15 Euro mehr als noch vor fünf Jahren. Das allein kann aber nicht erklären, warum die Kosten für die Fahrerlaubnis so explodiert sind. Führerschein-Anwärter müssen zwölf praktische Fahrstunden (à 45 Minuten) mit Sonderfahrten machen - fünf über Land, vier auf der Autobahn und drei in der Nacht. Um die dafür benötigten Kenntnisse zu erwerben, stehen vorher mindestens zehn Übungsstunden an. Macht bei 22 Stunden zu je 70 Euro die Stunde, 1540 Euro. Selbst wenn man noch Grund- und Prüfungsgebühren sowie Kosten für Sehtest und Erste-Hilfekurs addiert, bleibt man weit unter den 3500 Euro, die ein Führerschein heutzutage oft kostet. Woher also die Steigerung?
Die Führerscheinprüfung ist schwieriger geworden
Der Preis für eine einzelne Fahrstunde sei nicht das größte Problem, sagen Fahrlehrer. „Es ist oft die Gesamtzahl der Stunden“, bestätigt Fellmer. Die liegt im Schnitt eben nicht bei 22, sondern bei 40 bis 42 Stunden und damit weitaus höher als vor zehn oder gar 20 Jahren. Denn die Führerscheinprüfung ist – auch durch gesetzliche Vorgaben - schwieriger geworden. „Komplexer“, sagt der Verbandsvorsitzende und nennt Beispiele: „Fahrschülerinnen und Fahrschüler müssen mittlerweile unter anderem auch in den technischen Assistenzsystemen geschult werden. Zwei davon werden bei der Prüfung abgefragt.“ Diese Prüfung dauert übrigens seit einiger Zeit nicht mehr 45, sondern 55 Minuten. „Zehn Minuten mehr klingt erst mal nicht viel“, weiß der Fahrlehrer. „Aber auch die Inhalte, die in dieser Zeit geprüft werden, müssen wir ja trainieren.“
Zudem, so Fellmer weiter, sei der Verkehr von heute nicht annähernd mit dem von früher vergleichbar. „Auf dem Land geht das noch, aber in den Großstädten wird es für unsere Schüler zu einer echten Herausforderung.“
Das größte Problem aber ist für viele Fahrlehrer ein anderes. „Das Grundinteresse an der Fahrerlaubnis ist stark gesunken“, fasst es der Verbandsvorsitzende zusammen. Früher sei der Führerschein „ein Stück Freiheit“ gewesen „Da hat man am 18. Geburtstag schon morgens vor dem Amt gestanden, um den Lappen abzuholen.“
Das passiert heute eher selten und wenn, dann meist auf dem Land. In den Ballungszentren ist das Auto für viele junge Menschen nicht mehr wichtig. Man kommt ja mit Bus und Bahn überall hin. „Je besser der ÖPNV in einer Stadt, desto geringer das Interesse am Führerschein.“ Vielerorts steigt das Alter der Prüflinge auch – von 17 oder 18 Jahren auf 22 bis 25 Jahre.
„Junge Leute schauen oft nur auf ihr Handy“
Wer sich doch entschließt, die Fahrerlaubnis zu erwerben, kommt größtenteils ohne jegliche Grundkenntnisse. „Manchem muss man tatsächlich erklären, was ein Stoppschild bedeutet, weil er es noch nie bewusst gesehen hat.“ Fellmer wundert das nicht. „Die jungen Leute beobachten häufig das Fahren ihrer Eltern nicht mehr“, hat er festgestellt. „Stattdessen schauen sie oftmals nur auf ihr Handy. Deshalb fängt man dann häufig bei null an.“
Und brauchen außerdem viel mehr Zeit bis zur sogenannten Prüfungsreife. „Wir haben immer wieder Fahrschüler und -schülerinnen, die zehn Monate oder deutlich mehr bis zur Prüfung in unserer Schule sind.“ So etwas war früher nicht nur „undenkbar“, es lässt auch die Zahl der Fahrstunden und damit der Kosten steigen. „Wenn man zwischendurch zwei oder drei Wochen zwischen den Fahrten vergehen lässt, braucht man jedes Mal die ersten zehn bis 15 Minuten, um wieder reinzukommen.“ Helfen könnte es, sagt Fellmer, den Weg zum Führerschein ähnlich wie einen Tanzkurs anzulegen. „Da fängst du an, hast jede Woche zu einer festen Zeit deine Termine und weißt, dass nach drei Monaten alles vorbei ist“ – anders als in der Tanzschule mit einem echten Prüfungstermin.
Ein weiteres Problem: In der praktischen Fahrprüfung lag die Durchfallquote im Jahr 2023 bei 30 Prozent – ein Plus von vier Prozent im Vergleich zu 2014. Ergänzungsfahrstunden, Neuzahlung vieler Gebühren, für die Wiederholung der Fahrprüfung kommen laut Fellmer „schnell 500 Euro zusammen“. „Und manche Menschen fallen mehr als einmal durch.“ Logisch, dass es dann teurer wird.
Auch die Durchfallquoten sind gestiegen
Weniger hält der Vorsitzende von dem Vorstoß der „Arbeitsgruppe Verkehr der Unions-Bundestagsfraktion“, die zukünftig verstärkt Simulatoren einsetzen und die Kosten damit im Einzelfall um bis zu 1000 Euro senken will. „Das klingt in der Theorie ganz gut“, sagt Fellmer. In der Praxis aber sieht er Schwierigkeiten. Solche Fahrsimulatoren seien nämlich nicht vergleichbar mit Flugsimulatoren. „Natürlich können sie Schülern gerade in der Gefahrenlehre helfen, manche Abläufe besser zu bewältigen“, räumt er ein. „Aber vieles, was auf der Straße passieren kann, lässt sich damit nicht realistisch darstellen“, hat er bei Tests festgestellt.
Mit einem einzigen Simulator sei es meist auch nicht getan. „Aber für mehrere fehlt in den meisten Fahrschulen einfach der Platz. Da müssten dann größere Räume angemietet werden.“ Davon ab koste so ein Gerät derzeit noch 20.000 bis 30.000 Euro. „Da kriege ich fast schon einen Wagen für.“ Ein Simulator könne den Unterricht vielleicht ergänzen, aber nicht ersetzen. Außerdem muss unter Umständen auch im Simulator ein Fahrlehrer Hilfestellung geben. Und viel wichtiger noch: die Prüfung wird auf absehbare Zeit nicht in der virtuellen Welt abgelegt werden. „Die macht man weiterhin nur auf echten Straßen. Und das muss dann auch real trainiert werden.“
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