Ruhrgebiet. Lange ließ sie auf sich warten, nun wird sie als Vorzeigeprojekt präsentiert. Die neue Brücke an der Emscher soll zur Naherholung beitragen.
Das lassen sich der Herner Oberbürgermeister Frank Dudda und der Vorsitzende der Emschergenossenschaft, Uli Paetzel, nicht nehmen: Mit sechs weiteren Personen der politischen Landschaft und des Wasserwirtschaftsverbandes überqueren sie als erste die spektakuläre Brücke über der Emscher in Castrop-Rauxel – und das trotz Wind und Regen.
Schon vor Fertigstellung galt die Brücke als künftiges Wahrzeichen der Stadt Castrop-Rauxel und als eine neue Landmarke für das Ruhrgebiet. Aufgrund diverser Herausforderungen ließ der „Sprung über die Emscher“ auf sich warten, sollte die Brücke anfänglichen Prognosen nach doch bereits 2022 fertig sein. Am Montag war es dann endlich soweit: Sie wurde offiziell von Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) eingeweiht. Ab sofort ist sie für alle Radler und Fußgänger benutzbar.
Emscher: 412 Meter verbinden urbane Quartiere mit dem Emscherland
Am Wasserkreuz in Castrop-Rauxel, an der Stadtgrenze zu Recklinghausen, haben die Emschergenossenschaft und die Stadt Castrop-Rauxel im April 2021 mit dem Bau der Brücke begonnen. Als „städtebauliches Ausrufezeichen“ und „Vorzeigeprojekt“ symbolisiere sie den Wandel in der Region mit internationaler Strahlkraft, sagt die Bauministerin. Eine normale Brücke, betont sie, hätte es nicht getan. Denn es sei wichtig, mutig zu denken – nicht nur in der Hauptstadt, sondern auch im Ruhrgebiet.
Über eine Gesamtlänge von 412 Metern überquert der „Sprung über die Emscher“ sowohl den Fluss als auch den Rhein-Herne-Kanal – und zwar dort, wo einst offen Schmutzwasser geflossen ist. Durch die zurückhaltende Bauweise soll sich das Werk harmonisch in die Landschaft einfügen – und das trotz der 900 Tonnen Stahlgewicht. Architektonisch ist die Zügelgurtbrücke alles andere als klassisch, wird von der Emschergenossenschaft sogar als „einzigartig“ beschrieben. Die vier Meter breite Brücke verbindet die beiden Ufer nicht geradlinig, sondern umschlingt kurvenförmig und elegant den Kanal und Fluss.
Reibungslos verliefen Planung und Bau nicht. „Wir haben viele Herausforderungen gemeistert“, sagt Simone Kern, Projektleiterin bei der Emschergenossenschaft. Gemeint sind damit unter anderem die Lockdowns während der Corona-Pandemie, die das Ende der Bauzeit verschoben, und Lieferprobleme im Zuge des Ukraine-Krieges. Doch auch die rund 10.000 Blechteile, die einzeln zusammengeschweißt werden mussten und von denen jedes ein Unikat sei, haben vermutlich für die ein oder andere Schweißperle gesorgt. Getragen werden die beiden Hauptfelder des Brückenbauwerks von einem zwölf Meter hohen Pylon.
Zunächst wurden die Kosten des von der Emschergenossenschaft geplanten und durchgeführten Vorhabens auf acht Millionen Euro geschätzt. Am Ende wurden es 12,8 Millionen Euro.
„Sprung über die Emscher“: Brücke steht für Zukunft
Die Brücke kann mit dem Rad oder zu Fuß überquert werden. Orange gestrichene Aussichtspunkte laden mit Blick auf die Naturidylle an der Emscher ein und dienen als zusätzlicher Ein- und Ausstieg zur Brücke. Durch das Projekt sieht der Recklinghäuser Bürgermeister Bodo Klimpel Tourismus und Nahmobilität gefördert: „Die Brücke erweitert das vorhandene Radwegenetz und schafft eine neue Verbindung zwischen den beiden Städten Castrop-Rauxel und Recklinghausen.“
Mit der Fertigstellung der Brücke ist auch Hoffnung verbunden. Sie trage zur Verbesserung der Lebens- und Aufenthaltsqualität der Bürgerinnen und Bürger bei und sei ein neues Element der Stadt-Skyline, ist sich Rajko Kravanja sicher, Bürgermeister von Castrop-Rauxel. Habe man früher gesagt, „Tourismus für Castrop-Rauxel kannst du vergessen, zeigt sich nun das Gegenteil.“
Und auch der passionierte Radfahrer Frank Dudda, Oberbürgermeister von Herne und Ratsvorsitzender der Emschergenossenschaft, lobt das Projekt: „Der Standort direkt am Emscherland-Park unterstreicht, dass wir auf unserem Weg zur grünsten Industrieregion der Welt bereits richtig weit gekommen sind.“ Und erzählt weiter: „Sie zeigt der Welt, dass das Ruhrgebiet eine Zukunftsregion ist.“
Das Emscherland als neuer Erlebnis- und Erholungsraum
Der Sprung über die Emscher ist nur ein Teil des sogenannten „Emscherlandes“, ein „Natur- und Wasser-Erlebnis-Park“, der im Mai 2023 eröffnet wurde. Er sollte drei Funktionen erfüllen: als neu entstandene Natur, als Erlebnis- und Erholungsraum für Menschen und als Frischluft- und Kühlungsschneise. Aus einem Mais-Acker entstand ein 30 Hektar großes Grüngelände auf Recklinghäuser und Castrop-Rauxeler Stadtgebiet.
Dazu gehört auch die renaturierte Emscher, die durchs Grüne mäandert und überhaupt nicht mehr an jene kanalisierte und begradigte Karikatur eines Flusses erinnert, die sie über 100 Jahre war. Insgesamt wurden mit dem Natur- und Wasser-Erlebnis-Park, der Renaturierung der Emscher und des Suderwicher Bachs, der Emscher-Promenade und der neuen Freianlagen im Umfeld der Brücke rund 45 Millionen Euro in die Hand genommen.