Essen. Man sieht es an Schulen, Straßen und Service: Die NRW-Städte sind tief verschuldet. Jetzt platzt in Berlin auch noch eine Hoffnung.
Herber Rückschlag für das Ruhrgebiet: Die Lösung der Altschulden-Frage, die Städte in der Region seit Jahren lähmt, scheint nach langem Hin und Her erneut in weite Ferne gerückt zu sein. Das Bundesfinanzministerium sieht offenbar keine Mehrheiten für die nötige Bundesbeteiligung am NRW-Schuldenabbau.
Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums erklärt gegenüber dieser Redaktion zwar, dass der Bund unverändert bereit sei, die übermäßig verschuldeten Städte gemeinsam mit den betroffenen Ländern einmalig von ihren Altschulden zu befreien. Die Ampel-Koalition hat aber stets betont, dass eine Grundgesetzänderung zwingend sei, wenn der Bund in die Kommunalfinanzen eingreift.
Dazu sei man seit weit über einem Jahr im intensiven Austausch mit den Bundesländern und Fraktionen im Bundestag, so der Sprecher des FDP-geführten Ministeriums. „Es ist derzeit nicht erkennbar, dass die erforderlichen Mehrheiten im Bundesrat und Deutschen Bundestag erreicht werden können.“
22,4 Milliarden Euro Kredite: Städte leiden unter enormer Schuldenlast
Nach aktuellem Stand haben die Städte in NRW über die Jahre Schulden an sogenannten Liquiditätskrediten in Höhe von 22,4 Milliarden Euro angehäuft. Das ist eine Art kommunaler Dispokredit, aus dem die Städte laufende Ausgaben finanziert haben und so in die Überschuldungsfalle geraten sind. Allein im ersten Halbjahr sind diese Kredite der Städte um die Summe von 1,7 Milliarden Euro gestiegen - bundesweit um 2,4 Milliarden.
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Im Juni hat NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) erklärt, das Land NRW wolle über einen Zeitraum von 30 Jahren jährlich 250 Millionen Euro zur Entschuldung der Städte bereitstellen. Damit das überhaupt Wirkung zeigen kann, soll der Bund die gleiche Summe dazulegen. In Berlin wie in Düsseldorf sollte so ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag eingelöst werden.
Neuster Expertenbericht: Altschulden-Lösung bräuchte eine Milliarde Euro im Jahr
Für eine Grundgesetzänderung ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat nötig. Kritik gibt es von Bundesländern wie Bayern oder Baden-Württemberg und der CDU/CSU-Oppositionsfraktion im Bundestag. In der Union wird auch darauf verwiesen, dass es bisher aber keinen konkreten Gesetzesvorschlag gebe.
Aktuelle Berechnungen zeigen zudem, dass der Staat für seine armen Kommunen doppelt so viel Geld wie bislang bekannt in die Hand nehmen müssten. In einem neuen Gutachten des bekannten Kommunalfinanz-Fachmanns Martin Junkernheinrich ist von jährlich sogar bis zu einer Milliarde Euro die Rede - also doppelt so viel wie bisher geplant.
Eingerechnet sind Kredittilgung, Zinsen und die neusten Daten zum Schuldenberg. „Das Land hatte in seinen Berechnungen die Gesamttilgung nicht benannt“, sagt Junkernheinrich, der an der RPTU Kaiserslautern den Lehrstuhl für Stadt-, Regional- und Umweltökonomie innehat. Auch habe es bislang nicht erklärt, wie es die Städte an dem Schuldenabbau beteiligt werden sollen. Dass sie ihren Anteil leisten müssen, haben die Städte selbst nie verleugnet.
Möglich wäre, so Junkernheinrich, wenn Bund und Land jeweils 500 Millionen Euro jährlich zahlten, dass die Städte sich mit 250 Millionen Euro am Landesanteil beteiligen. Dieser Weg scheint nun verbaut.