Düsseldorf. Polizei entdeckt 35,5 Tonnen des Rauschgifts, ein Rekord in Deutschland. Was die Ermittler verraten und was Seife damit zu tun hat.
Es war Kernseife, die die Sache ins Rutschen brachte. Ein Container voll, und am Ende war wirklich nur Kernseife darin. Aber der Tipp aus Kolumbien brachte die Fahnder auf die richtige Spur: In neun See-Containern aus Südamerika entdeckten sie im vergangenen Sommer mehr als 35 Tonnen Kokain, so viel wie nie zuvor in einem deutschen Drogen-Verfahren. Den Straßenverkaufswert des Stoffs beziffern die Ermittler am Montag in Düsseldorf auf 2,6 Milliarden Euro.
Der Anruf aus Bogotá kam im Frühjahr 2023. In einer Warensendung Seife auf dem Weg nach Mannheim könnte in Wirklichkeit Rauschgift stecken. In dieser Lieferung fand der Zoll aus Stuttgart nichts, aber in der nächsten: fein säuberlich verpacktes Kokain, gestapelt zwischen Sesam aus Paraguay. Den Adressaten machten die Ermittler in Wachtberg südlich von Bonn ausfindig. Der 43-jährige Deutsche hatte ein Netzwerk aus über 100 Scheinfirmen gegründet, vordergründig handelte der Mann mit Ananas, Bananen, Holz und Ölsamen.
Größte Menge Kokain einmal mehr im Hamburger Hafen
Damit war NRW im Spiel: Die Zentralstelle für die Verfolgung Organisierte Straftaten (ZeOS) leitete fortan die Ermittlungen unter dem Namen „Operation Plexus“ (Netzwerk) wegen des „Verdachts des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“. So heißt das im Gesetz, und aus „nicht gering“ wurden zwischen Mai und September in Zusammenarbeit aus Zollbehörden, Ermittlungsgruppen und Landeskriminalämtern jene 35,5 Tonnen. Drei davon wurden in Ecuador sichergestellt, etwa acht im Hafen von Rotterdam, fast 25 allein in dem Hamburgs – insgesamt sind das auf einen Schlag mehr als Dreiviertel der 2023 beschlagnahmten Rauschgiftmenge (43 Tonnen). Nur ein Container ging den Fahndern dabei durch: Als er kontrolliert werden sollte, war die Ladung bereits gelöscht.
Dass der Stoff nie ankam, müssen die Verdächtigen gemerkt haben; ab Herbst stellten sie ihre Transporte offenbar ein. Wer sie aber abgegriffen hatte, ahnten sie wohl nicht. Erst vor wenigen Tagen, am 31. Mai und am 5. Juni, rückten 150 Kräfte in sieben Bundesländern zu Razzien aus. Festgenommen wurden der 43-jährige und ein 54-jähriger Deutscher, weiter Beschuldigte mit Staatsangehörigkeit aus der Türkei (37 und 38), Aserbaidschan (42), Bulgarien (30), Marokko (42) und der Ukraine (36), sieben von acht sitzen in Untersuchungshaft.
Drogen in Obstkisten nicht einmal besonders gut versteckt
Ihre wertvolle Ware hatten die Südamerikaner in Surinam, Costa Rica oder der Dominikanischen Republik zwischen den Obstkisten nicht einmal besonders gut versteckt. Die offiziell gemeldeten Güter machten „überhaupt keinen Sinn“, sagt Andreas Meyer, Leiter der Abteilung Organisierte Kriminalität des LKA Baden-Württemberg. Tatsächlich, bestätigt der Chef des Stuttgarter Zollfahndungsamts, Ronald Lenz, hätte der Wachtberger Boss der Briefkastenfirmen zuvor „Hunderte von legalen Containern ohne jede Gewinnabsicht verschifft“, nur um den Weg für die Drogen zu ebnen.
Das Obst dürfte in andere Länder weitergeschickt oder längst verschimmelt sein. Die Drogen hingegen nahm die Polizei im Ländle den Hamburger Kollegen aus Sicherheitsgründen schnell ab: In schwer gesicherten Geheimtransporten bei Nacht, Räumpanzer voran, schafften sie mehr als 25.000 Kilo Kokain nach Stuttgart. Bei der Bekanntgabe des Drogenfunds am Montag zeigen sie Bilder davon, mit unheilvoller Musik unterlegt. Zu sehen sind Lkws voller Kokainpakete, Beamte in Sicherheitsanzügen und Mundschutz, die sie durchgeben bis zum Schlund einer Müllverbrennungsanlage. 35 Tonnen sind vernichtet. „Erfolgreiches Teamwork“, lobt NRW-Justizminister Benjamin Limbach, „lässt den größten Kokainfund in Flammen aufgehen.“
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Der Minister spricht auch von einem „Coup“ sowie einem „präzisen Kinnhaken, der Drogenbossen wehtut“. Man habe die „Dickschiffe“ der Organisierten Kriminalität im Blick, um sie trockenzulegen. Tatsächlich nahm die Polizei bei den Festgenommen neben zwei Waffen und vielen Datenträgern auch fünf Goldbarren, 23.300 Euro, einen Porsche für 250.000 Euro und Luxusartikel mit. Das ist gegenüber 2,6 Milliarden Euro indes nicht allzu viel. Nun sind die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen, Hintermänner und Kunden werden weiter gesucht, aber diese eine Transportstruktur ist hält die Polizei für zunächst „unschädlich gemacht“.
Bislang keine Auswirkungen auf den Drogenmarkt
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass ein einzelnes modernes Schiff heute bis zu 24.000 Container laden kann. Die Ermittler haben diesmal also „unter Tausenden Containern, die potenziell mit Rauschgift beladen ankommen“, die sprichwörtliche Stecknadel entdeckt. Auswirkungen des missglückten Geschäfts auf den Rauschgiftmarkt aber, das sagen die Experten selbst, seien bislang nicht zu erkennen. Die Preise seien stabil geblieben, sagt Zollfahnder Lenz, „es gibt keine Verknappung“.