Gelsenkirchen/Essen. Eigentlich stünde jetzt die Rente an. Doch dieser Angeklagten drohen erst einmal viele Jahre Gefängnis. Wegen Drogenhandels im großen Stil.

Dieser Frau würde auf den ersten Blick wohl niemand zutrauen, an einer der Schaltstellen des internationalen Drogenhandels gesessen zu haben. Doch genau das wird der 65-Jährigen vorgeworfen. Ihr Einflussbereich umfasste angeblich auch Gelsenkirchen. Jetzt steht sie vor Gericht.

Schick gekleidet, mit Handtasche und leicht getönter Brille, die Jacke lässig über dem Arm gelegt: So erschien Angeklagte am Mittwoch im Sitzungssaal 386a des Essener Landgerichts – allerdings nicht durch die Vordertür.

Vorwurf: Kiloweise Kokain-Lieferungen vermittelt - gegen jede Menge Geld

Eine ältere Frau  kurz vor der Rente soll zusammen mit einem Komplizen groß in den Drogenhandel eingestiegen sein. Als Vermittlerin soll sie hohe Prämien kassiert haben. Das Foto zeigt die beiden Angeklagten beim Prozess neben ihren Verteidigerinnen Gülsen Celebi (vorne) und Josipa Salm-Francki.  Das Foto zeigt die beiden Angeklagten neben ihren Verteidigerinnen Gülsen Celebi (vorne) und Josipa Salm-Francki.
 
Eine ältere Frau kurz vor der Rente soll zusammen mit einem Komplizen groß in den Drogenhandel eingestiegen sein. Als Vermittlerin soll sie hohe Prämien kassiert haben. Das Foto zeigt die beiden Angeklagten beim Prozess neben ihren Verteidigerinnen Gülsen Celebi (vorne) und Josipa Salm-Francki.  Das Foto zeigt die beiden Angeklagten neben ihren Verteidigerinnen Gülsen Celebi (vorne) und Josipa Salm-Francki.   © Jörn Hartwich

Die 65-Jährige ist im vergangenen Dezember festgenommen worden. Seitdem sitzt sie in Untersuchungshaft. Mit angeklagt ist auch ein mutmaßlicher Komplize. Beide zusammen sollen Kokain-Lieferungen im Kilo-Bereich vermittelt haben. Ihr Tätigkeitsfeld war laut Anklage weit gefächert.

Die heiße Ware ging angeblich nach Wien und Rotterdam, aber auch nach Gelsenkirchen und Hamburg. Wo die Drogen herkamen, ist unbekannt. Zum Prozessauftakt vor der 7. Strafkammer wollten sich die Angeklagten nicht zu den Vorwürfen äußern.

80.000 Euro Nebenverdienst: Vermittlerin kassiert angeblich 500 Euro Provision pro Kilo Kokain

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass sich die 65-Jährige im März 2020 entschlossen hat, als Vermittlerin tätig zu werden. Immer wieder soll sie in der Folgezeit Lieferanten und Abnehmer zusammengeführt haben. Woher sie die Kontakte hatte, ist unklar.

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Umsonst war ihre Dienstleistung laut Anklage nicht. Ihre Provision soll sich auf 500 Euro pro Kilo Kokain belaufen haben. Insgesamt wurden so angeblich rund 80.000 Euro verdient – plus weitere knapp 30.000 Euro für ihren mutmaßlichen Komplizen, der nicht an allen angeklagten Drogengeschäften beteiligt gewesen sein soll.

Kommunikation über „Anom-Chats“ - Messanger-Dienst zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität

Wichtigste Beweismittel sind Chatverläufe über den lange Zeit als sicher geltenden Messanger-Dienst „Anom“. Darüber sollen sich die beiden Angeklagten mit Lieferanten und Abnehmern ausgetauscht, Preise ausgehandelt und Übergabeorte festgelegt haben.

Was sie nicht wussten: „Anom“ war vom FBI gezielt auf den Markt gebracht worden, um die organisierte Kriminalität zu bekämpfen. Die Daten liefen ohne Wissen der Nutzer auf einem Server in der EU auf und wurden von dort in die USA weitergeleitet.

Abhörmethode ist umstritten - Entscheidung des Bundesgerichtshofes steht noch aus

Diese Abhörmethode der Ermittler ist allerdings hochumstritten. Nach Angaben der Verteidigerinnen ist nicht bekannt, welches Gericht das „Anzapfen“ der Handys genehmigt hat. Nicht einmal das Land soll bekannt. Nach ihren Angaben dürften die Beweise aus den „Anom-Chats“ deshalb nicht verwertet werden.

Wie die Essener Richter den Fall sehen, bleibt abzuwarten. Ein einheitliches Bild gibt es offenbar auch an anderen Gerichten noch nicht. Und der Bundesgerichtshof als höchste Instanz hat über die Verwertbarkeit von „Anom-Chats“ noch nicht entschieden.

Sollten die Angeklagten verurteilt werden, drohen viele Jahre Gefängnis.

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