Dortmund/Gelsenkirchen. Die Fans in NRW gelten als die besten des Landes. Aber haben sie Lust auf die Fußball-EM? Und wie gut hat sich die Region vorbereitet?

Mehr Europameisterschaft geht nicht. In keinem Bundesland sind mehr Spielorte, nirgends finden so viele Partien statt: 20 von insgesamt 51 EM-Spielen werden in NRW-Stadien ausgetragen. Vier in Gelsenkirchen, jeweils fünf in Düsseldorf und Köln und sogar sechs in Dortmund, darunter ein Halbfinale. In allen diesen Gastgeberstädten gibt es darüber hinaus große Public Viewings und Fanzonen, in denen alle Spiele der Europameisterschaft gezeigt werden und zusätzlich ein Rahmenprogramm geboten wird.

Fußball-EM: Sieben Millionen Besucher kommen ohne Karte

Wie viele Besucher für das Turnier kommen, weiß niemand ganz genau. Recht präzise lässt sich nur die Zahl der bundesweiten Stadionbesucher vorhersagen. 2,7 Millionen Menschen haben Tickets für eines der Spiele. Zusätzlich erwartet die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) aber rund sieben Millionen Besucher, die keine Karte haben, aber vor Ort feiern wollen - vor allem in großen, kostenlosen Fanzonen mit ihren riesigen Public Viewing-Leinwänden, die die Spielorte eingerichtet haben. Petra Hedorfer, Vorsitzende des DZT-Vorstandes glaubt dann auch: „Deutschland feiert ein Fußballfest.“

In  den Fanzonen der Spielorte in NRW laufen die letzten Vorbereitungen.
In den Fanzonen der Spielorte in NRW laufen die letzten Vorbereitungen. © dpa | Federico Gambarini

Wer mitfeiern will, findet sogar noch eine Schlafgelegenheit. Denn anders als prognostiziert, gibt es noch freie Betten in der Region. Weniger zwar als noch Ende April, aber immer noch mehr als erwartet. In Düsseldorf waren Ende April nach Angaben des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) NRW etwa 55 Prozent der Hotels ausgelastet, mittlerweile sind es 68 Prozent. In Dortmund ist die Auslastung von 57 auf 71 Prozent gestiegen, in Köln mit 73 Prozent nahezu gleich geblieben. Jeder fünfte vom Verband befragte Hotelier ist dann auch unzufrieden, weil das Buchungsniveau unter den Erwartungen liegt. Die waren allerdings nach Einschätzung von Tourismus-Experten auch recht hoch.

Hotelpreise teilweise um 133 Prozent gestiegen

Zurückhaltung beim Buchen kann natürlich unter anderem an den Preisen liegen. Die sind nach Angaben des Online-Sportwettenanbieters Betway im Vergleich zu einem „normalen“ Juni und Juli in Dortmund um 133 und in Gelsenkirchen um 103 Prozent gestiegen. In Düsseldorf beträgt die Steigerung rund 82 Prozent, in Köln etwa 72 Prozent.

Noch eine Ausnahme: eine EM-bereite Straße in Essen-Altendorf.
Noch eine Ausnahme: eine EM-bereite Straße in Essen-Altendorf. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Erschwerend hinzukommt, dass anders als bei der Weltmeisterschaft 2006, die Anreisewege der Fans bei einer EM oft relativ kurz sind. In London, Paris oder Wien morgens in den Flieger steigen, feiern und ohne Übernachtung wieder zurückfliegen – kein Problem. Viele kommen früh am Morgen, feiern und reisen noch in der Nacht wieder nach Hause.

Genau das aber kann sich im Laufe der nächsten vier Wochen auch in einen Vorteil verwandeln. „Viele rechnen noch mit kurzfristigen Buchungen“, weiß Dehoga NRW-Sprecher Thorsten Hellwig. Je nach Stimmung, Leistung des eigenen Teams und dem Wetter könnte es viele ausländische Fans dann doch noch kurzfristig nach Deutschland ziehen – vor allem nach NRW, wo die Spielorte teils weit weniger als eine Stunde Fahrtzeit auseinanderliegen.

Flughafen Düsseldorf erwartet 100.000 zusätzliche Passagiere

Der Düsseldorfer Flughafen erwartet schon jetzt rund 100.000 zusätzliche Fluggäste, von denen viele mit einer der 120 Sondermaschinen kommen. In Köln rechnet der Airport mit 30.000 Passagieren mehr als üblich. Weil viele davon anschließend mit der Deutsche Bahn (DB) zu den Spielorten weiterfahren, weitet das Unternehmen das Fahrplanangebot während des Turniers deutlich aus.

Sonderzüge brachten auch 2006 viele Fans zu den Fußballstadien, 14 dieser Züge plant die DB in den kommenden Wochen.
Sonderzüge brachten auch 2006 viele Fans zu den Fußballstadien, 14 dieser Züge plant die DB in den kommenden Wochen. © picture-alliance/ dpa | Gero Breloer

Neben längeren ICE sollen auch zusätzliche Züge fahren: Laut DB gibt es täglich 14 EM-Sonderzüge quer durch Deutschland. Rund um die Spiele seien so 10.000 zusätzliche Sitzplätze pro Tag eingeplant. Für NRW besonders wichtig: Für die Dauer der Fußball-Europameisterschaft wird es eine EM-Sonderlinie zwischen den vier Spielorten Dortmund - Gelsenkirchen - Düsseldorf – Köln mit 16 zusätzlichen Fahrten in beide Richtungen geben. Zudem soll im öffentlichen Nahverkehr der Spielorte „alles rollen, was Räder hat“.

Wo sind die geschmückten Straßen?

So glatt die Vorbereitungen bisher laufen, vom EM-Fieber ist noch kaum etwas zu merken. Mit viel Wohlwollen kann man von leicht erhöhter Temperatur sprechen. Wer zwei Tage vor dem ersten Anstoß über den Westenhellweg in Dortmund schlendert, kann auf einer der umsatzstärksten Einkaufsstraßen des Reviers so gut wie kein geschmücktes Schaufenster entdecken. Auch Fan-Artikelzonen in den Kaufhäusern und bei den Discountern sind recht übersichtlich. Von Häusern, die großflächig schwarz-rot-gold geschmückt sind, ganz zu schweigen. Ja, selbst kleine Wimpel an Autos sind bisher eher die Ausnahme als die Regel.

Also gibt es kein neues Sommermärchen? „Kann man noch nicht einschätzen“, sagen viele Wirte. Bei gutem Wetter und starken Leistungen des deutschen Teams könne „eine Art Sog entstehen“, sagt Hellwig. Und selbst wenn die DFB-Elf früh die Segel streichen muss, die Fans der anderen Teams bleiben ja im Land. „Und die wollen ja auch essen, trinken und feiern“, ist ein Dortmunder Wirt überzeugt.

Die letzten Siegesfeiern liegen zehn Jahre zurück, als die DFB-Elf bei der WM in Brasilien triumphierte. Gibt es 2024 ein neues Märchen?
Die letzten Siegesfeiern liegen zehn Jahre zurück, als die DFB-Elf bei der WM in Brasilien triumphierte. Gibt es 2024 ein neues Märchen? © WAZ FotoPool | Jürgen Theobald

So ist das Wetter wahrscheinlich am Ende noch wichtiger als die Leistung. Zum Auftakt könnte es deshalb schwierig werden. Für Freitag prognostiziert der Deutsche Wetterdienst einen Himmel, der „wolkig bis stark bewölkt“ ist und „örtlich etwas Regen“ bei Höchstwerten zwischen 18 und 22 Grad bietet. Viele Meteorologen gehen für die kommende Woche dann von kurzfristig steigenden Temperaturen aus, erwarten aber gleichzeitig wieder viel Niederschlag.

Märchen also vielleicht, Sommer eher nicht.

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