Ruhrgebiet. Ungezählte Fußballfans kommen im Sommer zur EM nach NRW. Viele Hotels erhöhen daher die Preise. Aber manche reagieren auch ganz anders.
Elmar Bök setzt sich an der Rezeption vor den Computer, schaut nach der Buchungslage seines Hotels für Juni, und schlagartig geht ihm das Herz auf. „Peterson, Blair, Brown . . .“ (scrollt runter, weitere Namen) „ . . . das ist offenbar eine ganze Gruppe. Und die bleiben hier vom 14. Juni an. Die bleiben zwei Wochen . . . eieiei.“ Fast alles voll in Windeseile. Die Engländer kommen.
Ihre Nationalmannschaft spielt im Juni in Gelsenkirchen. Dann ist Europameisterschaft in Deutschland. 14. Juni bis 14. Juli. Elmar Böks kleines „Brauhaus Hotel Rütershoff“ am Stadtgarten von Castrop-Rauxel wird von der EM profitieren wie die meisten Hotels im Ruhrgebiet. Viele nutzen die goldene Gelegenheit der hohen Nachfrage und haben die Zimmerpreise flugs erhöht. Der Ball lag auf dem Punkt, sozusagen. Doch da macht der VfL-Bochum-Fan Bök nicht mit: „Man fährt auch schon mal mit nach auswärts“, sagt er, und dass er sich sehr ärgert, wenn er da auf überhöhte Preise trifft.
„Wohnung für Monteure und Arbeiter“ für 1330 Euro pro Nacht
Beim Blick auf Buchungsportale fällt mehreres auf. Private Unterkünfte sind offenbar noch deutlich billiger. Doch unter Hotels fanden WAZ-Lokalredaktionen mühelos viele, viele Beispiele, dass Zimmerpreise sich zur EM - und vor allem rund um einen Spieltag - von 90 auf 200 Euro erhöhen, von 205 auf 614, von 64 auf 230. Sie verdoppeln, verdreifachen, ver-x-fachen sich, 400 oder 600 Euro für eine Nacht im Einzelzimmer sind keine Seltenheit. Ohne Frühstück, versteht sich.
Bei booking.com findet sich beispielsweise im Spielort Gelsenkirchen zweimal eine „Wohnung für Monteure und Arbeiter“, die Nacht kostet Ende Juni 1330 Euro, allerdings stehen da auch fünf Betten drin. Im Spielort Dortmund wird die Nacht nach dem Halbfinale im Einzelzimmer in einigen Häusern vierstellig, und damit niemand solch ein Schnäppchen übersieht, werden sie gern begleitet von dem roten Hinweis: „Nur noch ein Zimmer zu diesem Preis auf unserer Seite verfügbar.“ Jetzt aber schnell.
„Hotels haben einen sehr großen Kostenapparat“
Das Phänomen ist altbekannt. Wenn Messe ist, Oktoberfest oder Taylor Swift in der Stadt, dann schnellen Hotelpreise nach oben. Das Kalkül ist: Die Leute kommen eh nur einmal im Leben, da kann man auch mal mehr verlangen. „Deutsche Hoteliers zocken Schweizer EM-Fans ab“, erregt sich die dortige Zeitung „Blick“ und unterschlägt, dass deutschen Hoteliers von deutschen Fans dieselben Preise verlangen. Aber auf dem Boulevard kommt Wut immer gut.
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„Klar ist, dass es Preisentwicklungen gibt, wenn sich bei gleichem Angebot die Nachfrage verändert“, sagt Tina Große-Wilde, die Vorsitzende der Fachgruppe Hotels im NRW-Hotel- und Gaststättenverband: „Man muss aber auch im Auge behalten, dass sich das in beide Richtungen bewegt. Die Preise sinken auch, wenn nichts Besonderes ansteht. Hotels haben einen sehr großen Kostenapparat, der läuft immer durch.“
Mancher Fantasiepreis soll auch abschrecken
Im „Hotel Große-Wilde“ in Bottrop machen sie und ihr Mann es anders: Sie geben nur wenige Zimmer an Buchungsportale. „Wir haben Stammgäste oder arbeiten mit bestimmten Firmen seit Jahren zusammen, da werde ich den Teufel tun, die wegen eines Großereignisses im Regen stehenzulassen.“ Das sei „für uns wirtschaftlich zielführender“. Der Stammgast als Spatz in der Hand. „Aber wenn Sie ein großes Haus mit 200 oder 300 Zimmern haben, dann müssen Sie anders kalkulieren, um schwache Zeiten abzufangen.“
Dennoch gibt es Zweifel an der Ernsthaftigkeit manchen Fantasiepreises. Denn gerade solche kleineren Häuser, die von Stammgästen leben, setzen gerne irgendeine unbezahlbare Zimmerrate aufs Portal, damit sich die überaus vielen potenziellen Kurzzeitgäste gar nicht erst melden. Im Einzelfall lässt sich das kaum checken, die Rückruf-Quote bei dieser Recherche war ein bisschen unterdurchschnittlich.
Hohe Preise treffen Urlauber und Geschäftsreisende ebenso
Fest steht: Die hohen Zimmerpreise im Frühsommer treffen nicht nur Fußballfans. Sie treffen Geschäftsleute oder Urlauber ebenso, die von Mitte Juni an in die Nähe von Spielorten eine Unterkunft suchen. Das sind ja nicht nur Dortmund, Gelsenkirchen, Düsseldorf und Köln; das sind auch Berlin, München und Hamburg, Leipzig und Frankfurt.
Die Verbraucherberatung rät daher allen, „auch Unterkünfte in Betracht zu ziehen, die nicht im Veranstaltungsort liegen“. Und routinierte Fußballreisende steuern gern den lebensnahen Tipp bei, sich in der Nähe der letzten S-Bahn-Station umzuschauen.
2006 brachten Mindest-Übernachtungen Gewinn
Preissprünge gab es schon zum Sommermärchen 2006. Damals hatten Teile der Hotellerie eine Obergrenze für Zimmerpreise verabredet, aber das funktionierte dann auch nur teilweise. Und manches Haus führte eine Mindestübernachtungsdauer ein. Ein Spiel im Stadion gesehen, fünf Nächte im Hotel geschlafen. Preiswert war dann doch anders.
Elmar Bök in Castrop-Rauxel wird seine Preise also halten: 55 Euro für das Einzel-, 89 für das Doppelzimmer ohne Frühstück. Es sind eh fast alle Zimmer vermietet während der EM. „Stellen Sie sich mal vor, was die Gruppe hätte bezahlen müssen, wenn ich das verdoppelt hätte.“ Vielleicht hat er es aber auch einfacher als einzelner Unternehmer: „Ich glaube, dass bei den Hotelketten die Leute vor Ort gar nichts dazu können“, sagt der 53-Jährige: „Da sagt irgendeine Zentrale: Da ist EM, und das sind jetzt die Preise.“