Essen. Der Tod der 18-jährigen Gina auf der A 52 in Essen bleibt ungesühnt. Das OLG Hamm hob die Verurteilung des Millionärssohnes am Steuer auf.
Der Tod der 18-jährigen Schülerin Gina Maria Pfeiffer am 20. März 2019 hatte viele Menschen erschüttert. Jetzt, fast drei Jahre nach dem Unfall auf der A 52 bei Essen-Kettwig, bleibt ihr Sterben rechtlich vorerst ungesühnt. Das Oberlandesgericht Hamm hat in der Revision die Verurteilung des 26 Jahres alten Fahrers des McLaren-Rennwagens aufgehoben.
"Meine Mandantin ist völlig schockiert, sie weint nur noch", sagt Rechtsanwalt Jörg Küpperfahrenberg, der Ginas Mutter in der Nebenklage vertritt.
Der 26-jährige Angeklagte, ein Millionärssohn aus dem noblen Essener Stadtteil Bredeney hatte den laut Zulassung 328 km/h schnellen Sportwagen erst zwei Tage zuvor geleast. Am Abend des 20. März hatte er die damals in Mülheim lebende und in Essen aufgewachsene Gina zu einer Fahrt eingeladen.
Kontrolle über 570 PS-Rennwagen verloren
Nur wenige Kilometer weiter hatte er auf gerader Strecke, ein Tempolimit gab es dort nicht, die Kontrolle über das 570 PS starke McLaren 570 S Coupè verloren. Er war von der Fahrbahn nach rechts abgekommen, eine Böschung heruntergeschossen und gegen einen Baum geprallt. Gina starb noch am Unfallort, der Fahrer überlebte nahezu unversehrt.
Ein erster von der Autobahnpolizei Düsseldorf eingesetzter Gutachter hatte ein Tempo von 300 km/h errechnet. Zwei weitere Sachverständige, darunter ein von der Verteidigung beauftragter, hielten eine solche Festlegung für falsch und kamen auf eine Geschwindigkeit zwischen 210 und 330 km/h.
Gutachter mit falschem Akademikertitel
Der erste Gutachter verlor aber im Laufe des Verfahrens an Wert, weil Verteidiger Roland Rautenberger entdeckt hatte, dass dieser zu Unrecht den akademischen Titel "Dipl.-Ing." trägt.
In erster Instanz hatte die Essener Amtsrichterin Heike Stumm den Unternehmersohn zu einem Jahr und zwei Monaten Haft mit Bewährung wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Die XI. Strafkammer am Landgericht Essen, besetzt mit zwei Schöffen und der Vorsitzenden Richterin Anne Tegethoff, bestätigte dieses Urteil, allerdings mit einer abweichenden Begründung.
Urteil "lückenhaft und teilweise widersprüchlich"
Diese hielt am Oberlandesgericht nicht stand, nachdem Verteidiger Rautenberger und der von ihm eingeschaltete Revisionsspezialist Ralf Neuhaus aus Dortmund gegen das Urteil des Landgerichtes vorgegangen waren. Die Richter in Hamm sahen prompt schwerwiegende Fehler. Im Beschluss des 5. Strafsenates vom 21. Dezember 2021 heißt es: "Die Feststellungen des Landgerichtes sind lückenhaft und teilweise widersprüchlich."
Einstimmig rügen die Hammer Juristen, dass das Urteil lediglich behaupte, der damals 23-Jährige habe den Wagen wegen fehlender Routine nicht beherrscht, dies aber nie begründe. Der behaupteten "fehlenden Routine" widerspreche das Urteil an anderer Stelle selbst, wenn es dem Angeklagten "regelmäßige Fahrten mit Sportwagen wie Ferrari und Lamborghini" bescheinige.
Verteidiger begrüßt die Entscheidung
Demnächst wird also eine andere Kammer des Essener Landgerichtes über den Fall entscheiden müssen. Verteidiger Roland Rautenberger auf Anfrage der WAZ: "Gut, dass das OLG die Fehler im Essener Urteil erkannt hat. Es lässt sich eben nicht zweifelsfrei klären, was zu diesem Unfall geführt hat." Nebenklageanwalt Küpperfahrenberg dagegen: Wir müssen sehen, dass das Landgericht mit einer richtigen Begründung verurteilen wird."
Wenn es denn zu einer neuen Verhandlung kommen wird. In einem vergleichbaren Fall, da ging es um den Vorwurf eines illegalen Autorennens eines ebenfalls in Bredeney lebenden Unternehmers, hatte das Landgericht Essen stillschweigend einen anderen Weg gewählt.
Vergleichbares Verfahren stillschweigend eingestellt
Der Unternehmer hatte sich am 23. März 2019 auf der Essener Margarethenhöhe mit einem Freund in einem zweiten Rennwagen ein spektakuläres Fahrmanöver im Gegenverkehr einer nur zweispurigen Straße erlaubt. Amtsrichter Johannes Schmäing hatte die beiden deshalb zu Geldstrafen verurteilt. In der Berufung hatte das Landgericht Essen, wiederum die XI. Strafkammer, beide aber freigesprochen.
Das OLG Hamm hatte diesen Freispruch im Sommer 2021 wegen grundsätzlicher rechtlicher Fehler aufgehoben. Wie jetzt auf Nachfrage der WAZ Landgerichtssprecher Thomas Kliegel mitteilte, wird es trotz der Hammer Entscheidung keine neue Verhandlung geben. Denn die zuständige Kammer habe das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft bereits im August 2021 gegen Geldbußen von 10-beziehungsweise 5000 Euro eingestellt.