Essen. . Am Landgericht Essen hat einer der Angeklagten im Prozess um Gruppenvergewaltigungen ein Geständnis abgelegt, das vieles bagatellisiert.

Sie scheuen die Öffentlichkeit, haben ihre Kapuzenshirts tief übers Gesicht gezogen oder halten einen Aktendeckel davor. Nur Dean Martin L. (18) verzichtet auf solchen Schutz. Nach ihm hatten Polizei und Staatsanwaltschaft erst im Februar öffentlich mit seinem Foto und vollen Namen gefahndet. Damals galt er zunächst als Kopf einer Bande von Gruppenvergewaltigern, die 16-jährige Schülerinnen unter einem Vorwand in einsame Waldgebiete lockte und dort zum Sex zwang.

Seit Freitag gibt es einen neuen Hauptverdächtigen, folgt man der Aussage des Angeklagten Nuri E. (20), der den jüngsten der fünf aus Gelsenkirchen, Essen und Wuppertal stammenden Angeklagten schwer belastet. Dieser sei „der Boss“ gewesen, dieser habe bestimmt, was passiert.

Hilflose Lage nachts im Wald ausgenutzt

Es sind hässliche Taten, die Staatsanwältin Rebecca Henrich vor der V. Jugendstrafkammer verliest. Die Masche ist immer gleich, bewusst hätten die Angeklagten in unterschiedlicher Beteiligung die hilflose Lage der Mädchen mitten in der Nacht in abgelegenen Wäldern ausgenutzt.

Die Verteidiger Jenny Lederer und Roland Rautenberger hatten anfangs versucht, für den gesamten Prozess die Öffentlichkeit ausschließen zu lassen. Sie wollten damit eine „Stigmatisierung“ ihres minderjährigen Mandanten verhindern. Doch die Kammer wies den Antrag zurück, betonte das „herausragende Interesse der Öffentlichkeit“ an diesem Verfahren.

Anwalt entschuldigt sich

Und so ließ sich öffentlich hören, was Nuri E. zu sagen hatte. Sein Anwalt Uwe Krechel entschuldigte sich zunächst im Namen seines Mandanten: „Es tut ihm leid.“

Im Wesentlichen sei die Anklage richtig, sein Mandant wolle den Opfern auch ein „angemessenes Schmerzensgeld“ zahlen.

Angeklagter will die Mädchen „gebeten“ haben

Doch als der 20 Jahre alte Wuppertaler dann selbst das Wort ergriff, erinnerte kaum mehr etwas an ein Geständnis. Er offenbarte einen Hang zur Bagatellisierung seines eigenen Tatanteils. Er selbst will eigentlich immer freundlich gefragt haben, ob die Mädchen mit ihm schlafen wollten. Nachdem einer der Mitangeklagten ein Mädchen vergewaltigt habe, so erzählt er, sei er an der Reihe gewesen. Er habe die Mädchen aber darum „gebeten“. Zwar hätten sie zunächst abgelehnt, nach seinem Hinweis, er werde sie danach auch nach Hause fahren, hätten sie dann doch eingewilligt.

Er erzählt noch mehr. Dass sie „meine langen Wimpern“ gelobt hätten. Auch von Komplimenten spricht er, die eine ihm sagte: „Du bist voll hübsch.“ Und er vergisst auch nicht die angebliche Aufforderung eines anderen Mädchens, als er im Auto zur Tat schritt: „Sie, das ist die Wahrheit, sagte zu mir: ,Wenn, dann mach’ es richtig.’“

Brief in der Haft abgefangen

Es gehört nicht viel Erfahrung eines Prozessbeobachters dazu, nach diesen Sätzen zu ahnen, dass ein wirkliches Geständnis sich anders anhört. Erschüttert wurde seine Glaubwürdigkeit zwischendurch, so die Information der WAZ, dass ein Briefwechsel zwischen ihm und dem Mitangeklagten Gianni H. (19) in der Haft abgefangen wurde, in dem relativ unverblümt eine Aussage abgesprochen wird. Immerhin hat Nuri E. am Freitag die Hauptvorwürfe der Anklage gegen seine mutmaßlichen Komplizen bestätigt.

Nach diesem Prozessauftakt legt das Verfahren erst einmal eine Pause ein, Urlaube der Juristen stehen an. Am 6. August geht es weiter.