Essen. . Die Spur war unsichtbar. Nichts zu fühlen, nichts zu schmecken, nichts zu riechen – nur messen kann man sowas heutzutage: Sieben Milliardstel Gramm Pilzgift sind es letztlich, die die Behörden zu 45.000 Tonnen verseuchtem Futtermais führen.

Auf Bauernhöfen in Deutschland, vor allem in Niedersachsen, sind rund 10.000 Tonnen Mais verfüttert worden, die durch ein krebserregendes und leberschädigendes Pilzgift verseucht waren. Der Grenzwert für diese Aflatoxine war bis zum Zehnfachen überschritten. Sie können für Verbraucher vor allem in Milch zu einem Problem werden. Die betreffenden Höfe dürfen deshalb bis auf Weiteres keine Milch mehr ausliefern.

Auch mindestens 15 Betriebe in Ostwestfalen und Lippe haben mit solchem Mais ihre Rinder, Schweine und ihr Geflügel gefüttert; hinzu kommt in NRW noch ein Mischfutterhersteller, der den Mais bezog. „Seine Vertriebswege werden ermittelt, die Zahl kann noch etwas steigen“, sagte Wilhelm Deitermann, der Sprecher des NRW-Landwirtschaftsministeriums.

Proben von Molkereien werden ausgewertet

Die Untersuchungsämter mehrerer Bundesländer begannen am Freitag, auf Höfen und in Molkereien Proben zu nehmen und auszuwerten. Das Landwirtschaftsministerium Niedersachsen nannte „eine Gefährdung für Verbraucher unwahrscheinlich“, und auch das Bundesinstitut für Risikobewertung sah „keine Anzeichen“.

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Der Futtermais gehörte zu einer Lieferung, die aus Serbien importiert wurde und über Niedersachsen ins Land kam. Der Pilz soll sich während der balkanischen Hitzewelle vom Sommer 2012 verbreitet haben. Das Bundesverbraucherministerium hatte bereits im Herbst die Länder gewarnt vor Mais mit Schimmelpilz vom Balkan. In Serbien und anderen Ländern Ex-Jugoslawiens wurde zu viel Aflatoxin in Milch bereits vor wenigen Wochen gemessen; Serbien erhöhte daraufhin die zulässigen Grenzwerte um das Zehnfache.

Umwelt- und Verbraucherschützer machten die wachsende Intensiv-Tierhaltung verantwortlich für solche Skandale. „Wir kritisieren gemeinsam die Vermaisung der Landschaft in Deutschland, aber sie reicht offensichtlich noch nicht aus“, sagte Bernhard Burdick von der Verbraucherzentrale Düsseldorf. Pilzgift im Mais ist der dritte Lebensmittelskandal direkt hintereinander. Erst das Pferdefleisch, dann die falsch deklarierten Hühnereier. „Das gibt teilweise einen tiefen Blick in den Abgrund, der da vor uns liegt“, sagte NRW-Landwirtschaftsminister Johannes Remmel (Grüne). Er forderte eine bessere Eigenkontrolle der Betriebe.

10.000 Tonnen sind einfach weg

Die Spur war unsichtbar. Nichts zu fühlen, nichts zu schmecken, nichts zu riechen – nur messen kann man sowas heutzutage: Sieben Milliardstel Gramm sind es letztlich, die die Behörden zu 45.000 Tonnen verseuchtem Futtermais führen. Ein Hoch der Untersuchungstechnik!

Denn bei einer Routinekontrolle auf einem Bauernhof bei Leer messen sie im Kilogramm Milch 57 Nanogramm Aflatoxin B1, ein natürliches Schimmelpilzgift – doch nur 50 Nanogramm sind erlaubt. Von diesem ultraleichten Packende geht es zurück zum Futtermittellieferanten des Hofes, und dann zu dessen Lieferanten.

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Von Pauline Hartmann und Janna Cornelißen

Und so stoßen sie schließlich auf einen Hamburger Importeur und auf diesen Futtermais aus Serbien, bei dem der Grenzwert für Aflatoxin B1 um gut das Zehnfache überschritten ist: 0,204 Milligramm pro Kilo Futtermittel statt 0,02. 10.000 Tonnen davon liegen in Hallen des Hafens Brake an der Unterweser und weitere 25 000 Tonnen in Lagern in Bremen.

Und 10.000 Tonnen sind weg. Verkauft, verbracht, vermischt, verfüttert.

Auf über 3500 Bauernhöfen vor allem in Ostfriesland, auf jeweils einigen wenigen im sonstigen Norddeutschland, in Ostdeutschland, in Nordrhein-Westfalen und Holland. Niedersachsens Landwirtschaftsministerium alarmiert die anderen Bundesländer, dann taucht das Thema auf seiner Internet-Seite auf: „Futtermittelkontamination mit Aflatoxin B1 festgestellt“ steht da zwischen den durchaus geistesverwandten Themen „Konsequenzen aus dem Legehennen-Betrug“ und „Rückrufe im Pferdefleisch-Geschehen.“

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Auf über 900 Höfen wird jetzt die Milch durchleuchtet

Jedenfalls: Auf 938 Milchhöfen wird seit Freitag untersucht, beprobt, Milch nicht mehr verkauft. Denn Milch vor allem ist das Problem, Rohmilch, also so, wie sie aus der Kuh kommt. „Fleisch und Eier sind unbedenklich“, sagt Udo Paschedag, der Staatssekretär für Landwirtschaft in Hannover. Die Tiere bauten den Stoff rasch ab. Nur in Rohmilch reichere er sich an, könne die Überschreitung der Grenzwerte bedenklich sein; in der bearbeiteten Trinkmilch aus dem Laden aber seien die Werte wieder niedrig. Sein Ministerium und das nordrhein-westfälische erläutern das so: Aflatoxine halten zwar Hitze aus, die Pasteurisierung erreicht sie nicht. Deshalb sei die Minimierung das wichtigste Ziel. Und genau die trete ein während der Verarbeitung durch die Molkereien, in denen die Milch vieler verschiedener Höfe durchmischt wird – einzelne zu hohe Werte gehen dann buchstäblich unter.

Keine Gefahr, nirgends? Zumindest hat die Landwirtschaft seit Freitag wieder eine sehr grundsätzliche Diskussion am Hals – die Milch ist sozusagen verschüttet. „Der Grund für solche Vorfälle ist das weitere Anwachsen der Intensiv-Tierhaltung“, sagt Kathrin Birkel, die Agrarexpertin beim Bund für Umwelt- und Naturschutz. „Früher musste ein Teil der Futtermittel vom Landwirt selbst kommen, das wurde dann abgeschafft“. Der Hunger der vielen Tiere sei mit einheimischen Futtermitteln nicht mehr zu stillen, daher die wachsenden Importe. Und Bernhard Burdick von der Verbraucherzentrale NRW meint: „Es erschreckt, dass es auch da üblich ist, Futtermittel auf internationalen Märkten zu kaufen.“

Nun bekommen die Tiere anderes Futter, natürlich. Doch sie können nach der letzten Portion von verseuchtem Mais noch länger belastete Milch produzieren, bis zu einer Woche danach noch. Also längstens bis Donnerstag.

Man darf mal getrost unterstellen: Bis dahin haben wir längst einen neuen Lebensmittelskandal.