Venlo. In Venlo wirkt es wie immer - dabei sind die Niederlande im Teillockdown. Gastronomie ist geteilter Meinung und beobachtet weniger Gäste aus NRW.

Der Vormittag beginnt grau und wolkenverhangen. Auf dem Marktplatz vor dem Venloer „stadhuis“ ist kaum etwas los, bis gegen Mittag mit mehr Sonnenstrahlen auch mehr und mehr Menschen in der Innenstadt unterwegs sind und Laden um Laden die Geschäfte und Cafés erwachen. Eigentlich wirkt alles wie immer. Nur Pfeile auf dem Kopfsteinpflaster geben noch die Laufrichtung vor, in die die Menschenmenge während der Pandemie gesteuert werden soll.

Doch der Schein trügt. Die Corona-Lage in den Niederlanden ist so angespannt und alarmierend wie seit Monaten nicht mehr: Die hohen Infektionszahlen und Überlastung von Krankenhäusern haben das gesamte Land in einen Teillockdown geführt. Nicht systemrelevante Läden müssen seit Samstagabend um 18 Uhr, systemrelevante Geschäfte und die Gastronomien um 20 Uhr schließen.

Venloer Gastronom: Gäste aus Deutschland bleiben weg

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Eine Regelverschärfung, die in der Venloer Innenstadt an diesem Mittag noch nicht sichtbar ist. Doch eine Kleinigkeit verrät, dass der Lockdown an diesem Sonntag eine größere Rolle spielt, als auf dem ersten Blick zu vermuten ist: Gefühlt ist weniger Deutsch zu hören, die Innenstadt nicht ganz so voll wie gewohnt. Woran das liegt, ist nicht klar. Doch dass es mit den jüngsten Verschärfungen zu tun hat, diesen Eindruck teilt auch Pim Matheijssen, der gegen Mittag im Außenbereich des noch leeren Old Dutch nach dem Rechten sieht.

Seine Gastronomie mit direktem Blick auf das „stadhuis“ lebe vor allem von Gästen aus Nordrhein-Westfalen. Von diesen seien bereits am Samstag und seit der Wiedereinführung der Maskenpflicht vergangene Woche weniger gekommen als gewohnt. Der Venloer Gastronom ist alles andere als begeistert von den neuen Maßnahmen, die die insbesondere in der Provinz Limburg aus dem Ruder gelaufene Infektionslage in den Griff bekommen sollen. Doch den verkürzten Öffnungszeiten will sich Matheijssen nicht widersetzen, wie es am Samstagabend einige Gastronomien im Land getan hatten: „Die Regel wurden nicht umsonst eingeführt.“

Coronalage insbesondere in Limburg aus dem Ruder gelaufen

Matheijssen sieht deshalb die Gastronomie in der Pflicht, ihren Teil dazu beizutragen, dass das Gesundheitssystem nicht überlastet werde. Denn während er sich unter dem aufklarenden Himmel auf seine Sonntagsschicht vorbereitet, liegt wenige Kilometer vom Marktplatz entfernt das Venloer Krankenhaus voll mit Coronainfizierten. Anfang der Woche meldeten die Kliniken in der Provinz, keine Coronapatienten mehre behandeln zu können.

Überrascht sei Pim Matheijssen über die Lockdown-Ankündigung am Freitagabend deshalb nicht gewesen. „Ich habe das angesichts der Lage kommen sehen.“ So sehr er den Frust der Gastronomie nachvollziehen könne, habe er auch Verständnis für die Regierung. Sie mache das nicht, um Gastronomen zu ärgern. Niemand wisse während der Pandemie genau, wie am besten vorzugehen sei. Glattgelaufen sei sicher nicht alles. „Aber nur Kritik zu üben, ist immer einfach.“

Lockdown: Verkürzte Öffnungszeiten trifft nicht alle Gastronomen gleich hart

Dass die jüngsten Verschärfungen Gäste aus Deutschland abzuschrecken scheinen, beobachtet auch die Düsseldorferin Elif Hazer, die hinter dem Tresen von Espresso Perfetto steht. Das Café am Markt hat sich auf Kundinnen und Kunden aus NRW spezialisiert und bewirbt ihre Kuchen, Kaffee- und Frühstücksspezialitäten schon vor der Tür konsequent auf Deutsch. Jene Gäste, die weiterhin aus NRW kämen, hätten den kleinen Lockdown noch gar nicht richtig bemerkt. Von den verkürzten Öffnungszeiten sei das Café immerhin nicht betroffen. Es schließe regulär um 18 Uhr.

Elif Hazer vom Espresso Perfetto merkt bereits, dass weniger Gäste aus Deutschland kommen.
Elif Hazer vom Espresso Perfetto merkt bereits, dass weniger Gäste aus Deutschland kommen. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Treffen könnte die Unternehmerin aus NRW allerdings eine 2G-Pflicht, die die niederländische Regierung noch einführen will. „Vielleicht gar nicht so schlecht“, kommentiert Hazer. Sie habe sowieso das Gefühl, dass die niederländischen Gastronomen die Corona-Auflagen nicht konsequent umsetzten. Zwar fühle sie sich ohne Maske prinzipiell freier. Aber die niederländische Regierung habe offenbar zu spät auf die aktuelle Lage reagiert. Die Düsseldorferin glaubt nicht, dass der Lockdown nach den angekündigten drei Wochen bereits vorbei sein wird. „Es fängt jetzt erst richtig an.“

2G-Ankündigung von Premier Rutte sorgt in Niederlanden für Empörung

Weiter die Straße hinunter im Imbiss Koala verpackt Yessin Frietjes und Frikandel. Von 2G will der 20-Jährige nichts wissen. Die Stimmung in der Stadt sei aufgrund des neuen Lockdowns bereits schlecht, Menschen machten sich Sorgen darüber, wie es nun weitergehe und ob nicht wieder Stück für Stück noch weitere Verschärfungen kämen.

Im Imbiss Koala-Express geht der Betrieb ganz normal weiter - trotz Teillockdown im ganzen Land.
Im Imbiss Koala-Express geht der Betrieb ganz normal weiter - trotz Teillockdown im ganzen Land. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Er selbst wolle sich nicht impfen lassen. „Ich fühle mich gesund und jung und sehe keine Notwendigkeit“, sagt er hinter dem Imbiss-Tresen. Yessin versteht aber auch jene, die sich impfen lassen wollten. „Das kann jeder für sich selbst entscheiden.“ Eine moralische Verpflichtung, sich zum Schutz von anderen Impfen zu lassen, sehe er aber nicht. Und für seine persönliche Entscheidung wolle er nicht vom sozialen Leben ausgeschlossen werden. 2G, so Yessins Fazit, wäre einfach nur diskriminierend.

Corona-Winter: Steht NRW auch noch ein Lockdown und 2G bevor?

Ob 2G auch in NRW kommt, sorgt ebenso bei Sandy und Andre für Uneinigkeit, die mit Welpe Elli und einem eingetüteten Karton Sportschuhe am „stadhuis“ vorbeilaufen. Da sonntags in Düsseldorf nichts los sei, hätten die beiden sich entschieden, ihre kleine Hündin in den Niederlanden an größere Menschenmengen zu gewöhnen. Vom Lockdown in Venlo hätten sie erst Samstagabend oder am Sonntagmorgen gehört, da seien sie sich nicht mehr sicher. Eine Rolle habe das aber sowieso nicht gespielt. „Wir sind beide geimpft“, sagt Sandy.

Die 24-Jährige und der 28-Jährige sind sich auch unschlüssig, wie sie 2G in den Niederlanden oder zuhause in NRW finden sollen. Sandy fühlt sich mit 3G eigentlich sicher genug, auch hier in Venlo. „Bei den Schnelltests weiß man nicht, wie aussagekräftig die sind“, sagt unterdessen Andre, der es durchaus sinnvoll findet, wenn aktuell Großveranstaltungen abgesagt werden. Seine Prioritäten sind klar: Hauptsache die Gastronomie und Fitnessstudios können offen bleiben.