Aus den Niederlanden. Die Niederlande gehen in einen dreiwöchigen Teil-Lockdown. Die Verschärfung kommt nicht gut an. Ist die Lage ein Vorbote auf den Winter in NRW?
Entsetzen macht sich bei vielen Menschen in den Niederlanden breit: wieder ein Lockdown! Zumindest „in Teilen“ für vorerst drei Wochen. Trotzdem passiert, was niemand mehr erleben wollte – auch die niederländische Regierung nicht. Doch was bedeutet dieser vorerst dreiwöchige „Teillockdown“ für die Grenzregion in NRW? Schließlich bleiben Adventsausflüge im Nachbarland beliebt – und umgekehrt.
„Nach unseren bisherigen Erfahrungen ist nicht auszuschließen, dass wieder verstärkt Niederländer zu uns kommen werden, beispielsweise zum Einkaufen“, sagt Karlheinz Gördes, Sprecher des Kreises Borken. „Uns ist wichtig, dass alle die gebotenen Hygieneregeln beachten.“ Könnte das Vorgehen in den Niederlanden bereits ein Vorbote auf den Winter in Deutschland sein? Beim Kreis Borken zumindest scheint der niederländische Weg nicht gut anzukommen. Trotz steigender Inzidenzen und hoher Krankenhausauslastung wünsche sich der Kreis keinen Teillockdown wie in den Niederlanden. Der Kreis setze stattdessen aufs Impfen.
Notrufe in den niederländischen Kliniken begannen vor drei Wochen
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Zur Lage in den Niederlanden wollte sich die Landesregierung auf Anfrage der NRZ nicht äußern. „Für NRW gilt, dass Minister Laumann frühzeitig angekündigt hat, dass – wenn das Infektionsgeschehen und besonders die Situation in den Krankenhäusern es notwendig machen – strengere Infektionsschutzmaßnahmen für Ungeimpfte nicht ausgeschlossen werden können“, so ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. „Ein Lockdown für geimpfte Personen dürfte bei der derzeitigen Infektionslage nicht rechtssicher umsetzbar sein und ist nicht geplant.“
Auch die niederländische Regierung hatte sich mit Verschärfungen schwergetan - bis der Lockdown doch kam. Früh lockern und dann mal schauen, schien bis zuletzt die Devise von Premier Mark Rutte. Seit Beginn der Pandemie griff er immer erst ein, wenn es offenbar nicht mehr anders ging, die Infektionszahlen auffallend hoch waren und das Gesundheitswesen an der Überlastungsgrenze. Im Sommer entschuldigte sich Rutte dafür, verfrüht Clubs und Diskotheken geöffnet zu haben, was zur Explosion der Neuinfektionen führte. Auch im Herbst hatte Rutte bis zuletzt gewartet.
Doch die Notrufe der Kliniken, die vor gut drei Wochen begannen, konnte die Regierung in Den Haag nicht länger überhören. So kommt neben dem Teillockdown auch die Abstandspflicht zurück. Zudem will die Regierung noch eine 2G-Regel beschließen. Das alles gefällt vielen Menschen im Nachbarland nicht, am Freitagabend gab es Proteste während der Pressekonferenz, bei der die Verschärfungen verkündet wurden.
Niederländische Gastronomie droht mit zivilem Ungehorsam
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Besonders scharfe Kritik am Vorgehen der Regierung kommt vom niederländischen Gastrobranchenverband Koninklijke Horeca Nederland (KHN). Viele Gastrobetriebe hätten bereits zivilen Ungehorsam angekündigt, so Vorsitzender Robèr Willemsen in den niederländischen Medien. „Und das verstehen wir.“ Die KHN kritisiert, dass der Großteil der Infektionen nicht in der Gastronomie stattfinde, sondern zuhause. Gaststätten und Versorgungsdienstleister wie Supermärkte oder Drogerien müssen ab Samstag um 20 Uhr, nicht systemrelevante Geschäfte und Dienstleistungen um 18 Uhr schließen, während Theater und Kinos offen bleiben.
Das Ringen um eine Coronastrategie für den Winter trifft auch in NRW einen wunden Punkt. Kommt auch hierzulande wieder ein Lockdown oder 2G? Thomas Voshaar, Chefarzt der Lungenklinik im Moerser Bethanienkrankenhaus, wollte sich konkret zur Lage in den Niederlanden nicht äußern, sagt aber: „Eine Pandemie verläuft innerhalb eines Landes regional sehr unterschiedlich.“ Deshalb müsse auch in NRW über Maßnahmen in einzelnen Städten und Kreisen diskutiert werden. In anderen Regionen, in denen die Corona-Lage entspannter ist, sollten dann weiter Freiheiten gewährt bleiben.
„Das Virus wird nie wieder weggehen. Man kann es auch nicht wegimpfen.“ Man müsse das Virus nur soweit in den Griff bekommen, dass niemand mehr daran sterben oder auf der Intensivstation liegen muss. Von einschränkenden Maßnahmen, die nur Ungeimpfte betreffen, halte der Lungenspezialist nichts: „Ungeimpfte auszugrenzen führt zu nichts. Ich plädiere weiter dafür, klar, ehrlich und einfach zu kommunizieren, und so die Menschen von einer Impfung zu überzeugen.“