Essen. Pommes, Nudeln, Pizza - was in so mancher Hotelanlage den Urlaubern aufgetischt wird, hat wenig bis gar nichts mit der nationalen Küche des Landes zu tun. Doch wer sich in ein heimisches Restaurant wagt, wird oft überrascht. Wir stellen die Nationalgerichte der beliebtesten Urlaubsländer vor.

Vorurteile, Verwirrung, Genuss – wer im Urlaub die örtlichen Köstlichkeiten probieren möchte, wird oft auf eine harte Probe gestellt. Entweder man macht sich auf das Schlimmste gefasst, wie beispielsweise in England, oder das Lesen der Karte wird wie in Dänemark zum Kreuzworträtsel. Manch eine nationale Spezialität wird auch fälschlicherweise als solche bezeichnet, andere Leckereien dagegen völlig missachtet. Wir stellen Ihnen die Nationalgerichte der beliebtesten Urlaubsländer der Deutschen in zwei Teilen vor.

England

Minzsoße, Plumpudding und Baked Beans zum Frühstück – ganz klar, unter Feinschmeckern gehört es zum guten Ton sich über die britische Küche lustig zu machen. Als Nationalgericht gilt im Ausland häufig das vergleichsweise moderat daherkommende, aber fetttriefende Fast-Food-Duo „Fish and Chips“ – dabei ist der frittierte Fisch eigentlich mit jüdischen Einwanderern aus Portugal auf die Insel gekommen. Deutlich älter ist dagegen die stolze Selbstbeschreibung als „Rindfleischesser“, die sich schon bei Shakespeare findet. Auch wenn die meisten armen Briten damals von rotem Fleisch nur träumen konnten, wurde es doch mit Kraft und Stärke assoziiert – Eigenschaften, die den französischen „Froschessern“ klar abgesprochen wurden. So nannten bei einer Umfrage der BBC im Jahr 2004 73 Prozent der Befragten Roastbeef als wichtiges Symbol der nationalen Identität.

Frankreich

Wein und Champagner, Käse, Baguettes und Croissants. Eigentlich könnte man an dieser Stelle aufhören. Ja, sie haben gewonnen. Noch immer gilt die Haute Cuisine, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Frankreich etabliert wurde, als die evolutionäre Spitze der Esskultur. Wie könnte man es also wagen, diese Leckermäuler auf ein einziges Nationalgericht zu reduzieren? Im Süden Frankreichs gibt es eine mediterrane Küche, aber im Binnenland wird eher deftig gekocht. In der Bretagne kommen Austern und Hummer, im Elsass Sauerkraut und Schmoreintopf auf den Tisch. Nur wenige Gerichte sind tatsächlich im ganzen Land verbreitet: zum Beispiel die Bouillabaisse, die reichhaltige Fischsuppe aus der Region Marseille, das Ratatouille aus Nizza oder die Crêpe. Der bretonische Eierkuchen kann herzhaft mit Käse, Speck oder Fisch belegt oder als Süßspeise gegessen werden – da ist für jeden was dabei.

Italien

Pizza und Pasta und basta. Stimmt, aber über die beiden wichtigsten kulinarischen Exportschlager aus Italien kann man doch das ein oder andere Wort verlieren. Die Pasta etwa spielt in Italien erst seit dem 18. Jahrhundert eine wesentliche Rolle als Grundnahrungsmittel. Nur in Sizilien kamen schon im Mittelalter Nudeln auf den Teller. Pfui Teufel, fand der Rest des Landes und verunglimpfte die armen Sizilianer als „Makkaronifresser“. Nicht einmal in das Standardwerk der nationalen Kochkunst schafften es die unkultivierten Süditaliener, dafür nahm Pellegrino Artusi 1891 ausländische Speisen wie „il Sauerkraut“ und „il Kugelhupf“ in sein Kochbuch auf.

Und auch die Pizza war bis vor rund 40 Jahren kein italienisches Nationalgericht, sondern lediglich in Neapel bekannt, wo 1830 die erste Pizzeria eröffnet wurde. Nicht besonders erfolgreich, denn schon im 20. Jahrhundert wollte keiner mehr das Resteessen haben. Nur die neapolitanischen Einwanderer in den USA hatten die Trendwende verpasst und futterten weiter bis die Amis schon mit Tiefkühlpizzen um sich warfen. Die Italiener bekamen’s als letzte mit: Erst in den 1970er Jahren wurde die Pizza quasi nach Italien re-importiert und landesweit bekannt.

Spanien

Das spanische Nationalgericht ist die Paella, ein Fischgericht mit leuchtend gelbem Reis. Falsch, und noch mal falsch. Eigentlich ist die Paella ein traditionelles Essen aus der Region Valencia und Fische werden in der typischen Paella Valenciana nicht verwendet – alles andere ist touristische Leichtgläubigkeit, weshalb die Valenzianer die Meeresfrüchte-Fleisch-Paella auch gerne als „Paella de turistas“ beschimpfen.

Zweiter Anwärter aufs Nationalgericht ist die Tortilla de patatas, ein aus Ei, Kartoffeln und Zwiebeln gebratenes Omelett, das – wen wundert’s – schon wieder die Valenzianer dem Rest des Landes untergejubelt haben. Dementsprechend gibt es inzwischen zig regional-typische Tortillas, wobei die Höhe der entscheidende Qualitätsmaßstab ist. Wie hoch das Omelett sein darf, darüber streiten sich die Köche allerdings noch.

Um fair zu sein: Auch Andalusien hat sich um die spanische Küche verdient gemacht. Die dortige Gazpacho, eine kalte Suppe aus ungekochtem Gemüse, sollen allerdings die Römer erfunden haben. Um sich mit ihrem sauren Wein schneller betrinken zu können, gaben sie Brot, Olivenöl und Gurken in das Gesöff.

Dänemark

In Dänemark gibt’s zum „Middag“ das Abendessen. Als Nationalgericht kann hier „Flæskesteg“ bestellt werden: fetter Schweinebraten mit knuspriger Kruste. Wenn als Absacker ein „Gammeldansk“ kommt, ist das kein gammeliger Däne, sondern ein nationaler Magenbitter. Viel bekannter ist aber das typisch dänische Mittagessen: Wahlweise Smørrebrød, ein reichhaltig mit Fisch, Fleisch oder Ei belegtes Schwarzbrot, oder der klassische dänische Hot Dog mit den charakteristisch rot gefärbten Würstchen, den røde pølser. Das Schwarzbrot stammt übrigens noch aus der Vorratshaltung der vorindustriellen Epoche – ebenso wie zum Beispiel das øllebrød, eine Brotsuppe aus alkoholfreiem Bier und Zucker.