Essen. Bis auf Düsseldorf gibt es in NRW keinen Standort mehr, von dem der traditionsreiche Autozug der Deutschen Bahn Urlauber in die Ferne bringt. Es scheint so, als ob die Bahn den Reiseservice ganz langsam aufs Abstellgleis schieben möchte. Dabei bietet der Autozug enorme Vorteile für Reisende.
Die Bahn scheint ihren traditionsreichen Autozug ganz langsam aufs Abstellgleis zu schieben: Jüngst verlegten die Eisenbahner den Sitz der DB Autozug von Dortmund nach Frankfurt, um die Tochtergesellschaft mit der DB Fernverkehrs AG zu verschmelzen. Und so hat sich der Autozug fast komplett aus Nordrhein-Westfalen verabschiedet: Kaum einer mehr wird sich an Köln-Deutz oder Münster erinnern, 2006 fuhr der letzte Autozug aus Dortmund ab und 2008 wurde das Terminal Troisdorf geschlossen. Verblieben ist Düsseldorf. Und die Bahn will deutschlandweit weiter reduzieren. Ab Mai 2014 geht nichts mehr in Berlin-Wannsee.
Schade wäre es um den guten, alten Autozug. Wie groß ist jedes Mal die Vorfreude auf die bevorstehende Reise gewesen, wenn ich im Terminal Düsseldorf mit lautem Gerumpel auf Ober- oder Unterdeck des zweistöckigen Autozugs rollte! Nur eine Tasche für die Nacht nehme ich mit ins Abteil, der Koffer bleibt im PKW. Nicht alle Plätze im Liegewagen sind besetzt, noch ungestörter wäre es im Schlafwagen, wo zwar Gratiswein und eigenes Waschbecken den Preisunterschied nicht unbedingt wett machen, Soloträume und der Ausschluss ungebetener Schnacher jedoch für manche Reisende den Luxus wert sind.
Ein gratis Frühstück
Erstes Einsetzen von Urlaubsfeeling gegen 14 Uhr, unterwegs in Richtung Alessandria mitten im Piemont, zwischen Mailand, Turin und Genua. Viele Motorradfahrer in voller Montur, die nicht bei Wind und Wetter durch ganz Deutschland und die Schweiz heizen mögen, sorgen für Stimmung an Bord, Familien klappen für Spiele und Essen den Abteiltisch auf. Reichlich Getränke und Snacks bringt der Schaffner, der auch beim Bettenbau in den Liegewagen hilft.
Gegen acht Uhr morgens gibt’s noch ein gratis Frühstück, gegen neun Uhr treffen wir in Alessandria ein. Nach 20 Minuten sind die Autowaggons abgekoppelt, die ausgeruhten Fahrer entern PKWs und Bikes.
Der Autozug ist etwas altbacken
Zugegeben: Wer kein 99 Euro-Schnäppchen pro Person/Auto/Strecke hat ergattern können (und in der Regel ergattert man keines dieser Schnäppchen!), für den ist die Fahrt in den Familienurlaub nicht so wahnsinnig günstig. Beispiel: von Düsseldorf nach Alessandria. Wir zahlen den Normalpreis. Und der liegt für fünf Personen zur exklusiven Nutzung des Liegeabteils bei 469 Euro pro Strecke, insgesamt also 938 Euro. Viel Geld, aber es lässt sich ein bisschen was gegenrechnen. Denn neben Sprit müsste man ja eigentlich auch die Abnutzungskosten des Autos bei eigener Fahrt kalkulieren. Und je nach Länge der Strecke – und Durchhaltevermögen der Kinder – plant die Familie vielleicht sogar noch eine Hotelübernachtung mit ein. Mit dem Autozug ist ein ganzer Urlaubstag gespart, macht mit Rückfahrt insgesamt zwei Tage. Erspart bleibt auch der Staustress auf der Autobahn, die Kids haben Auslauf und können sich austoben. Nicht schlecht, aber es kostet eben ein bisschen was.
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Nicht genug – so sieht das mittlerweile offensichtlich die Deutsche Bahn. „Zwar hat der Konzernvorstand noch keine Entscheidung zu den weiteren Plänen getroffen, doch „grundsätzlich gilt, dass der Verkehr mit Autozügen wirtschaftlich sehr schwer zu gestalten ist, da es bei der Nachfrage extreme saisonale Schwankungen gibt“, so eine Bahnsprecherin. Zu unrentabel seien die Strecken, alt die Autotransportwagen. Und damit hat man leider recht, der Autozug kommt tatsächlich etwas altbacken daher. Voller Tradition und Geschichte ist er, nur ist der Autozug dort irgendwo an einem roten Signal stecken geblieben. Kein Wunder: Die ehemalige Tochter der DB Fernverkehrs AG sollte sich selbst tragen und ihre Modernisierung selbst erwirtschaften. Das hat nie geklappt, nun ist sie verschmolzen worden. Der Anfang vom Ende?
Zeit und Nerven gespart
Noch fährt der DB Autozug im Winter von Düsseldorf nach München, Innsbruck, Alessandria und Narbonne, im Sommer nach Villach, Bozen, Alessandria und Narbonne. Insgesamt gibt es jetzt zwölf Verladeterminals in Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien, nicht eingerechnet den Sylt Shuttle mit Verladung in Niebüll und Westerland.
Der Autozug am Anfang als Einstimmung und am Ende als entspannter Ausklang hat den Urlaub verlängert, Zeit gespart und Nerven geschont. Nur einmal nicht, als mir bei Ankunft in Düsseldorf mitten auf dem Oberdeck der Auspuff abfiel und, nachdem er notdürftig wieder angeflickt war, ich vor lauter Aufregung den Autoschlüssel nicht mehr fand. Die Klaxophonie von rund zwanzig ausgebremsten Fahrern, die nach mir endlich vom Zug rollen wollten, hallte noch lange nach.