Essen. Die Kreuzfahrtbranche boomt, doch mit fortschreitender Zeit geraten die Unternehmen, die die USA anfahren, verstärkt unter Druck. Dort müssen die Schiffe bis Januar 2015 die weltweit strengsten Abgasvorschriften einhalten. Carnival Corporation sieht die Lösung in einem innovativen Filter-System.
Reedereien mit Abfahrthäfen oder Fahrtrouten entlang der nordamerikanischen Küste läuft die Zeit davon: Vom 1. Januar 2015 an gelten dort die weltweit strengsten Abgasvorschriften. Doch die Kreuzfahrtschiffe sind noch nicht mit der nötigen Technik ausgerüstet, um die niedrigen Grenzwerte einzuhalten. Die Alternative, schwefelreduzierter Treibstoff, ist teuer. In Europa bleibt, mit Ausnahme der Schutzzonen Nord- und Ostsee, noch Zeit bis 2020.
Jahrelang haben Hersteller und Reedereien Filtersysteme getestet, meist mit mäßigem Erfolg. Doch unter dem Druck des nahenden Termins scheint die technische Entwicklung von Abgas-Reinigungssystemen voranzuschreiten. Carnival Corporation, der weltweit größte Kreuzfahrtkonzern, zu dem auch Aida gehört, will in absehbarer Zeit 32 Schiffe seiner Marken Princess Cruises, Holland America Line, Cunard Line und Carnival Cruise Line mit Filtern gegen SOx und Rußpartikel ausstatten. Bevorzugt diejenigen Schiffe, die häufig US-Häfen anlaufen.
Ausnahmen sind die Regel
Offiziell laufen diese Filterinstallationen als breit angelegter Test. Das reichte offenbar aus für eine Übereinkunft mit den zuständigen Behörden in den USA und Kanada aus, die Ausnahmen bei den 2015 in Kraft tretenden Vorschriften vorsieht. Die übrigen Schiffe des Konzerns dürfen dank dieser Vereinbarung zunächst weiter mit Schweröl und ungefilterten Abgasen in der ECA, den Emission Control Areas, fahren. Nur in den Häfen müssen sie auf schwefelarme Treibstoffe wie Marine Gas Oil oder Schweröl mit einem Schwefelgehalt von unter 0,1 Prozent umstellen oder Landstrom nutzen.
Ähnliche Vereinbarungen haben die amerikanischen und kanadischen Behörden übrigens auch schon mit Norwegian Cruise Line und Royal Caribbean getroffen. Letztere lässt auf zwei neuen Schiffen Scrubber-Systeme zur Filterung von Schwefeloxiden einbauen. NCL hat bereits solche „Scrubber“ genannten Systeme auf der Pride of America installiert, die in Hawaii stationiert ist. Außerdem sollen die neuen Schiffe der Breakaway-Plus-Klasse von Beginn an damit ausgestattet werden.
Einsatz von Scrubber-Technik
Der Wert von 0,1 Prozent Schwefelanteil ist nur mit dem Einsatz von Scrubber-Technik (SOx-Abgasfilterung) oder entsprechend teurem, schwefelarmen Treibstoff zu erreichen. Schifffahrtsexperten rechnen vor, dass die neuen Abgas-Grenzwerte bei einer Sieben-Nächte-Kreuzfahrt nach Alaska – ohne Scrubber-Technik – zu einer Treibstoffkosten bedingten Kostensteigerung von sieben Dollar pro Passagier und Tag führe.
Scrubber werden seit einiger Zeit getestet. Bislang waren die Reedereien aber offenbar nicht gänzlich davon überzeugt, dass die Systeme zumindest auf großen Schiffen im Dauerbetrieb einsetzbar sind. Das hat sich wohl geändert. Deutlich leichter tun sich Reedereien bei Neubauten. Hier wird mit zahlreichen Verbesserungen der Treibstoffverbrauch und damit auch die Auswirkung von höheren Treibstoffkosten gemindert. Zudem sind sie von Anfang an mit Technik ausgestattet, die an die neuen Vorschriften angepasst sind.
Strenge Umweltauflagen
Umweltverbänden wie dem deutschen Nabu oder den amerikanischen Friends of Earth reicht die Filterung von Schweröl-Abgasen nicht. Sie fordern den kompletten Verzicht auf Schweröl als Treibstoff und verlangen eine Umstellung auf umweltfreundliches, aber auch deutlich teureres Marine Gas Oil. In Europa, insbesondere in der Nord- und Ostsee, stehen ebenfalls strengere Umweltauflagen bevor, allerdings erst für 2020. Für die Nord- und Ostsee gelten jetzt schon strikte Auflagen, die die Reedereien bislang mit teurerem, schwefelarmem Treibstoff erfüllen.
Und auch hierzulande kommt Bewegung in die technische Ausrüstung und übertrifft sogar die Planungen der US-Reedereien. So rüstet Aida in den nächsten drei Jahren die gesamte Flotte mit Abgas-Reinigungssystemen gegen Schwefeloxide, Stickoxide und Rußpartikel nach und auch zwei für 2015 und 2016 geplante Neubauten bekommen diese Filter. Treibstoff gespart werden soll mit einer neuen Rumpfform sowie einer speziellen Luftblasen-Technik („MALS“).
Europa 2: Unterwegsmit SCR-Katalysator
Tui Cruises baut in die beiden 2014 und 2015 in Dienst gehenden „Mein Schiff 3“ und „Mein Schiff 4“ ebenfalls Dreifach-Filtersysteme ein, Hapag-Lloyd Kreuzfahrten hat mit der Europa 2 bereits in diesem Jahr ein Schiff in Dienst gestellt, das mit einem SCR-Katalysator gegen NOx ausgestattet ist.
Die künftigen Grenzwerte für die nordamerikanische ECA wirken sich besonders stark auf Kreuzfahrten nach Alaska, Neuengland/Kanada und entlang der US-Ostküste zu den Bermudas, Bahamas oder in die Karibik aus. Daher verlegt Carnival die Schiffe mit langen Fahrstrecken innerhalb der Schutzzone nach Florida, um auf möglichst kurzem Weg die Schutzzone verlassen und auf billigeren Treibstoff umstellen zu können. Die nordamerikanische Schutzzone sieht bereits für die Gewässer bis 200 Meilen vor den Küsten der USA und Kanada einen Schwefel-Grenzwert im Treibstoff von maximal einem Prozent vor oder alternativ den Scrubber.