Den Haag. Der Zar hatte die Idee, ein Amerikaner das Geld: Vor 100 Jahren wurde der Friedenspalast im niederländischen Den Haag eröffnet. Er wurde weltweit zum Symbol für Friede und Recht. Wie genau es dazu kam und wie es seit der Palasteröffnung weiterging zeigt unsere historische Exkursion.

Täglich stehen Hunderte Touristen vor dem Friedenspalast in Den Haag. Einmal knipsen, dann schnell zurück in den Bus. Jeder kennt das Gebäude, das mit seinen Türmchen, Erkern und Bogengängen eher wie ein Märchenschloss aus einem Disney-Film aussieht. Doch kaum einer weiß, was dort geschieht: Es ist der Sitz des höchsten Gerichts der Welt, des Internationalen Gerichtshofes der Vereinten Nationen. Vor 100 Jahren - am 28. August 1913 - wurde der Friedenspalast eröffnet.

Friede durch Recht

Es sollte ein Tempel für den Frieden sein mit der Botschaft: Friede durch Recht. Doch daran glaubten schon vor 100 Jahren nur wenige. Ende des 19. Jahrhundert herrschte ein Rüstungswettlauf, die Waffenindustrie verdiente Milliarden, Aufrüstung war für viele Länder der Wirtschaftsmotor.

In diesem Klima lud der russische Zar Nikolaus II. 1899 zu einer Friedenskonferenz ein. Die Wahl fiel auf Den Haag: Die Stadt war für die meisten gut zu erreichen, und der Zar hatte enge Familienbande mit der niederländischen Königsfamilie.

Viele aber trauten dem Pazifismus des Zaren nicht. «Idiot», kommentierte etwa der deutsche Kaiser die Einladung. Die Friedensbewegung aber jubelte, darunter die österreichische Schriftstellerin Bertha von Suttner, die später als erste Frau den Friedensnobelpreis bekommen sollte.

Gründung eines internationalen Schiedsgerichts

Zwei Monate lang konferierten die hohen Herren aus 26 Ländern im Sommerpalais der niederländischen Königin Wilhelmina. Es muss gesellig gewesen sein mit vielen Bällen und Empfängen, das Ergebnis der Konferenz war mager. Allerdings beschlossen die Staaten, ein internationales Schiedsgericht zu gründen, das in Konfliktfällen vermitteln sollte.

Das Gericht sollte ein neues Haus bekommen. Bei einem internationalen Architektenwettbewerb fiel die Wahl auf den Franzosen Louis Marie Cordonnier. Er hatte einen Palast im Neo-Renaissancestil entworfen mit gotischen und barocken Elementen: Eine Stil-Suppe.

Ein prächtiger Palast

Nur etwas fehlte: Das Geld. Das wurde ausgerechnet in den Taschen des Mannes gefunden, der ein Vermögen mit der Produktion von Munition verdient hatte: Andrew Carnegie. Der US-Stahlmagnat spendierte die notwendigen 1,5 Millionen US-Dollar, damals ein Vermögen.

Für die Einrichtung steuerten auch andere Nationen etwas bei: Thailand etwa schenkte große Elefantenzähne, die Schweiz eine Uhr, Deutschland den Zaun um den englischen Park. Die Säle des Palastes wurden prächtig herausgeputzt. Die Wände mit Seide bespannt und kostbaren Teppichen behangen. Mitten auf der großen Freitreppe, die an die Pariser Oper erinnert, steht das Geschenk des Zaren: eine fast zwei Meter hohe Vase, rund 3000 Kilo schwer.

Internationales Gericht

Lange währte der Jubel über den neuen Palast nicht. Im Jahr nach der Eröffnung brach der Erste Weltkrieg aus. 1922 entschied der Völkerbund, dass ein Schiedsgericht nicht ausreichte und richtete zusätzlich ein Internationales Gericht ein. Doch auch das konnte den nächsten Weltkrieg nicht verhindern.

1946 nahm der Internationale Gerichtshof der neu gegründeten UNO seine Arbeit auf. In mehr als 90 Fällen haben die 15 Richter bisher Recht gesprochen. Es ging um Grenzkonflikte, Umweltvergehen, Nutzung von Rohstoffen oder wie zur Zeit um die Jagd auf Wale durch Japan.

Eine Frontlinie zwischen den Staaten

Nur UN-Mitgliedsstaaten können das Gericht anrufen. «Wir stehen auf der Frontlinie zwischen den Staaten», sagt die Richterin Rosalyn Higgins, frühere Präsidentin des Gerichtshofes. Die Richter können zwar keine Sanktionen verhängen. Doch meistens halten sich die Staaten an das Urteil. «Schließlich wissen sie nicht, ob sie uns nicht auch einmal nötig haben», sagt Higgins.

Auch wenn der Friedenspalast die großen Kriege nicht verhindern konnte, er war ein wichtiges Signal. In den letzten 100 Jahren gewann das internationale Recht an Bedeutung. Beweis dafür sind das UN-Kriegsverbrechertribunal zum früheren Jugoslawien und seit 2002 der Internationale Strafgerichtshof. Dort werden auch die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen zur Verantwortung gezogen. Beide Gerichte sind ebenfalls in Den Haag, das damit auch zur Welthauptstadt des Rechts wurde. (dpa)