Victoria. Einst wollten die damals umtriebigen Kolonialmächte die Seychellen nicht für ihre Zwecke nutzen. Heute ist die Inselgruppe im Indischen Ozean ein Mekka für prominente Urlauber. Aber die Seychellen bieten als kultureller Schmelztiegel für den Besucher noch einiges mehr als nur lange, weiße Sandstrände.

Ein kleiner Sandweg führt durch eine kitschige Hollywood-Kulisse: Die glatten Granitfelsen sehen aus als wären sie aus Pappmaché, dazwischen biegen sich elegant die Palmen, an kleinen Holztischen werden mit roten Hibiskusblüten verzierte Kokosnüsse verkauft, im Hintergrund liegt das glitzernde Meer ruhig da wie eine Badewanne. Selbst die Wolken über den Seychellen hängen schneeweiß und klar definiert am Himmel. Wie gemalt.

Eine Nacht im Paradies ist teuer – bis zu 2000 Euro verlangen die Nobelherbergen. Und so ziehen die Seychellen vor allem sie an, die Reichen und Schönen, die Beckhams und Schweinsteigers, die Prinzen und Scheichs. Schon vor 40 Jahren, als es nur wenige Touristen und kaum Hotels gab, entdeckten die ersten Prominenten das traumhafte Inselarchipel für sich. Beatles-Gitarrist George Harrison und Schauspieler Peter Sellers kauften 1974 die Anse Intendance, die tosende Bucht, in der sich heute die 1000-Euro-Strandvillen der Luxushotelkette Banyan Tree an den Berghang kuscheln.

Schmelztiegel des Indischen Ozeans

Dabei wollte zuerst niemand die unbewohnten Inseln so recht haben. Im 16. Jahrhundert kamen die Portugiesen, später die Franzosen und Briten – und zeigten kein Interesse. Erst 1770 ließen sich französische Siedler auf den Seychellen nieder, 44 Jahre später gingen die Inseln an Großbritannien und mit den Engländern kamen nach dem Verbot der Sklaverei auch immer mehr befreite Afrikaner an die Traumstrände. Schließlich begannen die Asiaten den neu entdeckten Garten Eden, der mit seinem Reichtum an Wasser und Speisen als Stützpunkt für die Versorgung der Schiffe mit Kurs auf Indien diente, als Handelsplatz zu schätzen. Und so ist die Kultur der Seychellen heute geprägt von den unterschiedlichsten Einflüssen: Das Rechtssystem ist ebenso britisch wie der Linksverkehr, die kreolische Sprache basiert auf dem Französischen, nach afrikanischer Art werden zu den Tänzen Trommeln geschlagen, die Küche weist asiatische Einschläge auf.

Einmalig wie dieses kulturelle Potpourri ist auch die Flora und Fauna der Inselgruppe, die sich – über tausend Meilen entfernt von fremden Gestaden – ungestört entwickeln konnte. Die schwersten Landschildkröten der Welt dösen hier träge im Schatten und lassen sich von Besuchern genüsslich den ledrigen Hals kraulen. Im Vallée de Mai, Weltkulturerbe und Heimat unzähliger endemischer Pflanzen, die in Schattierungen von Limette bis Moos in der Sonne leuchten, sah schon der britische General Gordon den biblischen Garten Eden. Nur hier wächst die Coco de Mer, eine Riesenkokosnuss, die es sogar schon auf 42 Kilogramm gebracht hat und deren feminine Kurven den General an die verbotene Frucht vom Baum der Erkenntnis erinnert haben. Ihre Blätter überspannen das wilde Urwald-Tal wie Zeltplanen. Dazwischen wandert die einzigartige Schraubenpalme, deren Äste von oben nach unten wachsen und so immer wieder einige Zentimeter gut machen, über die Jahre den Hang hinab. Der Vier-Gewürze-Baum verströmt unter dem dichten Blätterdach den Duft von Pfeffer, Zimt, Nelke und Muskat.

Boom der Fünf-Sterne-Hotels begann vor fünf Jahren

Doch das Leben an Land ist begrenzt. Auf gerade einmal 455 Quadratkilometer, und damit in etwa auf die Größe Kölns, bringen es die 115 kleinen Inseln im Indischen Ozean. „Es ist ein sehr ruhiges, einfaches Leben hier“, sagt Touristenführer Paul Morin. „Paradiesisch anzuschauen, aber nicht immer leicht.“ Viele junge Seychellois haben das Land für ihr Studium verlassen und sind aus Perspektivlosigkeit nie ins Paradies zurückgekehrt. Erst 1972, mit der Fertigstellung des internationalen Flughafens auf der Hauptinsel Mahé, kam der Tourismus langsam ins Rollen und eröffnete neue berufliche Möglichkeiten. Vor 15 Jahren siedelten sich die ersten großen Fünf-Sterne-Hotels an und mittlerweile verdienen 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung ihr Geld mit dem Tourismus. Rund 200 000 Besucher überrennen jetzt jedes Jahr die gerade einmal 87 000 Einwohner.

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Doch dem Paradies ist das kaum anzumerken. So fügen sich die kleinen, weißen Holzhäuser des Banyan Tree Hotels harmonisch in die grüne Landschaft ein. Um die ursprüngliche Architektur und die Geschichte des Ortes zu bewahren, ließ sich das Management von Madame Suzanne beraten, der ehemaligen Haushälterin von Sellars und Harrison. Nahe Victoria, der beschaulichen Hauptstadt mit genau zwei Verkehrsampeln, haben findige Damen sogar den historischen Gewürzgarten wieder entstehen lassen, mit dem die Franzosen die Insel einst berühmt gemacht hatten. Jetzt schlürfen Besucher zwischen Zimt, Vanille und Pfeffer ihre rosa Fruchtcocktails und knabbern an frischem Papaya-Salat. Auf den Toilettenschildern steht „Adam“ und „Eva“ – wie sollte es auch anders sein, mitten im Paradies.