Essen. Reisende mit Glaubensmotiven sind heutzutage nur noch selten unterwegs. Wandern auf dem Jakobsweg liegt hingegen im Trend. Wir sprachen mit Jürgen Neubarth vom Bayerischen Pilgerbüro über touristische Trends bei rückläufigen Gläubigenzahlen und die Gefahren einer Pilgerreise.

Herr Neubarth, Reisende mit religiöser Motivation sind in der Reisebranche allenfalls eine kleine Minderheit. Mit welchen Reisezielen haben Sie klassischerweise zu tun?
Neubarth: Neben den klassischen Pilgerreisezielen wie beispielsweise Lourdes, Xanten, Kevelaer oder Altötting sind es oftmals Großereignisse wie eine Ministrantenwallfahrt nach Rom, die wir veranstalten. Studienreisen beispielsweise nach Äthiopien, rund um den Ararat und in den Iran werden eher von kleinen Gruppen gebucht. Ein großes Reisethema sind seit einigen Jahren die Wanderwege. Insbesondere der Jakobsweg und dessen Zuwege in Frankreich und Deutschland, aber auch der Frankenweg in Italien oder der Brigittaweg in Schweden gehören hier zu den nachgefragten Angeboten.

Die Kirchen verzeichnen deutschlandweit stark rückläufige Gläubigenzahlen. Auch im Bezug auf den demografischen Wandel muss Ihnen um Ihre Zielgruppe doch eigentlich Angst und Bange sein.
Neubarth: Die Zahl der klassischen Gläubigen, die einmal jährlich auf eine Pilgerreise gehen, ist in der Tat rückläufig. Unser Durchschnittsreisender liegt bei über 50 Jahren, bei einigen Reisen sind die Teilnehmer im Schnitt auch über 55 Jahre alt. Wir sehen allerdings einen hohen Stammkundenanteil. Insbesondere Wanderreisen sind zudem sehr abhängig vom Reiseleiter, der sich bereits früh die Routen aussucht, die er im nächsten Jahr anbieten wird. Viele Gäste buchen dann die Reise, die von diesem Reiseleiter angeboten wird. Zudem gibt es immer mehr Randgruppen, die intensiv an Glaubensaktionen teilnehmen und die die rückläufige breite Masse der Gläubigen ausgleichen. Ein Beispiel ist der Weltjugendtag. Da ist es schwierig, die breite katholische Masse der Jugendlichen anzusprechen, aber die wesentlich besser organisierten Randgruppen sorgen für hohe Teilnehmerzahlen.

Reisen mit religiöser Motivation bergen von Zeit zu Zeit auch Gefahren, beispielsweise wenn Touristen aufgrund ihres Glaubens verfolgt und angegriffen werden. Welches Buchungsverhalten stellen Sie denn fest, wenn Sie Reisen in kritische Regionen anbieten?
Neubarth: Bei der Buchung der Reise in eine Region, in der es gerade kriselt, gehen viele Urlauber davon aus, dass sich die Situation bis zum Reisezeitpunkt entspannt haben wird. Je näher dann der Reisetermin rückt, desto höher wird aber auch der Druck von außen. Irgendwann fragen Angehörige und Freunde nach, ob man sich bei Reisen in diese Region überhaupt sicher fühlen kann. Erst dann, meist etwa vier bis sechs Wochen vor Reisebeginn, wird recherchiert, ob eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes vorliegt oder ob in Nachbarländern Reisewarnungen vorliegen. Man liest plötzlich Zeitungsartikel über die Reiseregion, die man bis dahin nicht beachtet hat. Und dann kommt die Klippe, an der sich der Reisende fragt, ob er die Reise nun antreten soll oder nicht. Erst dann wird sich oftmals erst mit dem Kleingedruckten im Reisevertrag befasst.

Haben Sie in Ihrer Zeit in der Branche schon kritische Situationen erlebt, in denen es aus Glaubensgründen zu Angriffen auf Reisende kam?
Neubarth: Nein. In den 30 Jahren, in denen ich bislang in der Reisebranche tätig bin, habe ich noch nie einen Angriff auf eine Touristengruppe erlebt. Es klingt skurril, aber in Spanien war die Gefahr für Urlauber zeitweise sogar wesentlich höher als in Israel oder in Palästina, da sich die ETA hier gezielt Touristenziele ausgesucht hat, um Anschläge durchzuführen. So etwas ist in Israel und in Palästina noch nie vorgekommen.

Wie beurteilen Sie die momentane Lage in Ägypten und wie sehen Sie die touristische Zukunft des Landes?
Neubarth: Ich bin, nachdem ich auch immer wieder mit unseren ägyptischen Geschäftspartnern in Kontakt stehe, der Meinung, dass es ein Miteinander zwischen den von uns besuchten Stätten der koptischen Christen und den islamisch geprägten Menschen in Ägypten geben wird. Es ist nach wie vor möglich, in Kairo oder auch im Sinai einen Gottesdienst zu feiern. Ägypten tut vieles, um nach dem Umbruch wieder Ruhe zu vermitteln. Es werden wieder Nilkreuzfahrten nach Assuan angeboten, die zeitweise nicht mehr so gefragt waren, weil die Menschen in dieser Region eher als fundamentalistisch wahrgenommen werden. Ich gehe jedoch davon aus, dass sich die Situation zum Guten wenden wird.

Ist Südamerika ein Thema für eine Pilgerreise?
Neubarth: Nur bedingt, denn Südamerika ist für Gläubige keine klassische Reiseregion, die losgelöst von anderen Reiseanlässen gesehen werden kann. Normalerweise reist jeder Mensch auch aus finanziellen Gründen ein- oder höchstens zweimal im Leben nach Südamerika. Dort wird dann jedoch niemand ausschließlich aus Glaubensgründen hinfahren und die berühmtesten touristischen Sehenswürdigkeiten dann links liegen lassen. Guadalupe in Mexiko mag hier vielleicht das große Ausnahmeziel sein, das bei einigen Gruppen einmal im Leben ein Muss ist. Doch dies ist wie gesagt eher die Ausnahme.