Prutz. Wer es nicht rasant, sondern ruhig mag, ist im Kaunertal richtig. Das versteckte Örtchen am Inn bietet verschiedene Wanderrouten durch eine traumhaft schöne Natur. Highlight ist der berühmte Gachenblick - der “schönste Ausblick des Tiroler Oberlandes“.
Im Tiroler Oberland gibt es so manches landschaftliche Schatzkästchen. Eines davon ist das Kaunertal und ein eher Unentdecktes noch dazu. Fährt man von Innsbruck aus immer am Inn entlang Richtung Südwesten, ist man nach rund einer Stunde dort. Oder schon daran vorbei, weil man in Prutz die Einfahrt in das schmale Tal verpasst hat. Es gibt zwar ein schönes Gletscherskigebiet, doch das liegt abgelegen ganz am Ende des lang gestreckten Tals. Und so hält sich der Ansturm in Grenzen. Uns hat ohnehin nicht das Skifahren ins Kaunertal gelockt, sondern die Aussicht auf eine wunderbare Winterlandschaft.
Die Alpen zeigen sich in ihrer ganzen Winterpracht. Mächtige Dreitausendergipfel des Kaunergrats rahmen das Kaunertal ein. Über allem thront die Weisseespitze, stellt sich mit ihren 3.518 Metern Höhe allem in den Weg und macht deutlich: Hier geht es nicht mehr weiter. Doch allein die Fahrt dorthin ist schon die Reise wert. Von Feichten, dem 1.270 Meter hoch gelegenen gemütlichen Hauptort des Kaunertals, führt die Straße immer weiter bergauf, vorbei am Stausee zum Gepatschhaus, wird schließlich zur Gletscherstraße, die in unzähligen Kurven mitten hineinführt in das Hochgebirge und bei Höhenmeter 2.750 auf dem Parkplatz des Gletscherrestaurants endet. Hier oben leuchtet der Himmel schon besonders blau, glitzert der Schnee im winterlichen Frost, dem auch die wärmenden Sonnenstrahlen nichts anhaben können.
Blick reicht bis zu den italienischen und Schweizer Alpen
Willkommen am Kaunertaler Gletscher. Doch wer glaubt, schöner könne die Aussicht nicht werden, sollte sich eines Besseren belehren lassen und in einer der beheizten Gondeln der Karlesjochbahn zur Karlesspitze hinauffahren. Hier oben auf 3.108 Metern wirkt alles ein bisschen unwirklich. In der kristallklaren kalten Luft sieht man gestochen scharf, wie im HD-Modus, doch ganz ohne Technik. Von der Plattform an der Bergstation reicht die Aussicht bis zu den italienischen und Schweizer Alpen. Und natürlich bis an den Anfang des Kaunertals, wo es sich aus dem Inntal seinen Weg hinein in die Berge bahnt.
Dort, oberhalb der Gemeinde Kaunerberg, wartet die Konkurrenz: Der Gachenblick sei der schönste Aussichtspunkt des Tiroler Oberlandes, heißt es. Das muss überprüft werden: Am nächsten Tag geht es zum Naturparkhaus Kaunergrat, denn das steht genau dort auf dem Piller Sattel. Das Kaunertal liegt mitten im Naturpark, der eine typische Alpenlandschaft aus Hochgebirge, Wäldern, Almwiesen und Mooren schützt. Von letzteren ist jetzt im Winter wegen der dicken Schneedecke nichts zu sehen. Von ersteren aber gerade leider auch nicht, denn dicke Wolken sind aufgezogen und lassen es schneien. Im Naturparkhaus gibt es tröstende Worte in Sachen Wetterbericht: Später soll die Sonne sich wieder sehen lassen.
Schneewanderung in fast unheimlicher Ruhe
Jetzt steht aber erst mal eine Schneeschuhwanderung an und Naturpark-Wanderführer Wolfgang Schranz beeindruckt der Schneefall überhaupt nicht. Also Schneeschuhe untergeschnallt, Schal und Mütze gerichtet, in jede Hand einen Stock und los geht's. Wolfgang Schranz geht voraus, um im frisch gefallenen Schnee die Spur zu legen. Wir stapfen hinterher, erst ein bisschen staksig wie ein Storch. Doch schon bald haben sich alle an die verlängerten Füße gewöhnt und können die Wanderung mal durch Wald, mal über weite freie Flächen genießen.
Der Winter meint es gut in diesem Jahr, alles ist tief verschneit, die Heuschober auf den Almwiesen tragen meterhohe weiße Mützen. Die Ruhe ist fast unheimlich, der sanft fallende Schnee schluckt alle Geräusche. Auch die Stimmen der Wanderer senken sich fast ehrfürchtig zu einem Flüstern. Staunend betrachten wir die Winterlandschaft und merken, wie die Ruhe auch immer mehr in uns einkehrt. Es hat fast etwas Meditatives.
Der Gachenblick macht seinem Ruf alle Ehre
Wenn wir auf eigene Faust unterwegs sind, sollten wir auf den Wegen bleiben, schärft Wolfgang uns ein: "Unsere Wildtiere müssen im Winter mit ihrer Energie haushalten, wir sollten sie deshalb nicht unnötig aufschrecken." Vor allem im Wald und in Bauminseln suchen sich Birkhühner, Schneehasen, Hirsch und Reh tagsüber ihre Verstecke.
Kurz bevor wir wieder am Naturparkhaus ankommen, passiert es tatsächlich: Die Wolken verziehen sich, die Sicht klart auf und der Gachenblick macht seinem Ruf schließlich alle Ehre. Kaunergrat auf der einen Seite, Samnaungruppe auf der anderen, dazwischen das Inntal und in der Ferne die Lechtaler Alpen. Ob es nun der schönste Ausblick des Tiroler Oberlandes ist, muss jeder selbst entscheiden. Ein Genuss für das Auge ist es auf jeden Fall.
Verschiedene Wanderrouten für einen Urlaub ohne Ski
Nicht nur rund um das Naturparkhaus gibt es schöne Möglichkeiten für Wanderungen durch den Schnee. Ein schöner Wintertag ganz ohne Ski lässt sich auch im Bergdorf Fendels verbringen. Von Prutz am Eingang des Kaunertals geht es ins benachbarte Ried. Dort ist die Talstation der Bergbahn nach Fendels. Vor allem Familien kommen zum Skifahren hierher. Doch auch für Wanderer ist gesorgt. Drei Routen gibt es, eine leichte rund um das verschneite Bergdorf, eine mittlere fünf Kilometer lange Runde, und die doppelt so lange Tour zum 1.729 Meter hohen Wiesele.
Die Wahl fällt heute auf die mittlere, für den Wiesele wird erst einmal noch an der Kondition gearbeitet. Diesmal geht es ohne Schneeschuhe stetig bergauf, was im Schnee ziemlich anstrengend ist. Doch bei dem Panorama gibt es immer wieder gute Ausreden zum Verschnaufen bei einem Schluck warmen Tee aus der Thermoskanne. Nach der Wanderung ist dann noch ein besonderer Spaß geplant. Kaum in Fendels angekommen, wird auch schon der Sessellift zur Sattelklause bestiegen.
Nach einer ordentlichen Stärkung und der Bewunderung des - mal wieder - grandiosen Ausblicks, geht es wieder hinunter. Und zwar auf zwei Kufen. Viereinhalb Kilometer ist die Rodelbahn lang, auf der man mit dem Schlitten Richtung Fendels sausen kann. Ein Winterurlaub ohne Ski wird im und ums Kaunertal bestimmt nicht langweilig. (dapd)