Windhoek. Zwischen 13.000 und 18.000 Elefanten gibt es im Caprivi-Streifen im Nordosten Namibias. Die grauen Kolosse locken die Touristen in die arme Region, doch gleichzeitig zerstören sie die Natur und Ackerland. Die zornigen Bauern greifen daher beim Kampf gegen die Elefanten zu ungewöhnlichen Mitteln.

Elefanten trinken ausgiebig am Flussufer, Frauen in langen bunten Röcken tragen entlang der staubigen Straßen Wassereimer auf dem Kopf, in winzigen Garküchen wird auf offenem Feuer Mieliepap, der traditionelle Maisbrei, gekocht. Jenseits der Klischees ist der Caprivi-Streifen im äußersten Nordosten Namibias die wasserreichste Region des Landes, das grüne Herz eines Halbwüstenstaates. Fruchtbares Ackerland und subtropische Vegetation machen die Region zu einem Paradies für Mensch und Tier: Auf vier bis sechs Caprivianer kommt hier ein Elefant.

Schon die Anreise – mit Jeep und Boot kreuz und quer durch das Vierländereck von Sambia, Simbabwe, Botswana und Namibia – ist ein Abenteuer für sich. Warzenschweine traben am Straßenrand, Lkw warten in langen Reihen tagelang auf die Flussüberfahrt, ein unbeschilderter Schotterweg aus roter Erde führt mitten im Nirgendwo zu einem kleinen Büro, in dem die Pässe für die Einreise gestempelt werden. Wer kein Elefant ist, muss hier vorbei.

Alte Traditionen bestimmen den Alltag

Victor Simataa Sivkuta hat in diesem Jahr schon zwei Pässe verbraucht. Ein gutes Zeichen. Je mehr Stempel, desto besser läuft das Geschäft. Der 32-Jährige arbeitet als Fahrer für ein Tour-Unternehmen und überquert die Grenzen jeden Tag. Doch trotz zunehmender Investitionen in die Infrastruktur und der unzähligen Elefantenherden, die sich frei zwischen den Staaten bewegen, hinkt der Tourismus im Caprivi noch den anderen Teilen des Landes hinterher. Lange galt die Gegend als unsicher: Ethnische Konflikte waren die Folge kolonialer Grenzziehung, bei der keine Rücksicht darauf genommen wurde, dass die Lozi, die Mehrheit der Caprivi-Bewohner, eigentlich nicht in Namibia verwurzelt sind.

Auch heute noch sind Stammeszugehörigkeit und Tradition wichtige Identitätsmerkmale, sagt Morrison Mbwee Mukwata. Der alte Mann wird mit respektvollem Klatschen begrüßt, ist er als „Induna“ von Sangwali doch so etwas wie der Bürgermeister des 500-Seelen-Dorfes. In verwaschenen Jeans, derben Arbeitsschuhen und Strohhut auf dem Kopf erinnert er sich an die Zeiten als das Dorf noch von der Jagd lebte – vor dem nationalen Naturschutzprogramm und dem Kommunalkomitee, das seit mehr als zehn Jahren die Verantwortung für die Tiere trägt und neue Einkommensquellen erschließen soll. Doch das Leben in Sangwali ist ursprünglich geblieben: In den Situngus, den runden Häusern mit Dächern aus Riet, gibt es weder fließend Wasser, noch Strom. Geblieben sind auch die Landwirtschaft, die Fischerei und – trotz Tierschutz – die Beteiligung an den Einnahmen aus der Trophäenjagd. Neu ist, dass die Gemeinde langsam auch von den lebenden Wildtieren profitiert.

Elefanten: Faszination und Bedrohung

Erst seit einem Jahr gibt es Jobs bei der nahe gelegenen ökologischen Lodge. Hans Matiti Fwelimbi hat einen davon ergattert und ist vom Wilderer zum Safaribegleiter geworden. „Das Schießen war eine Verschwendung, jetzt gebe ich etwas zurück“, sagt er. Der 34-Jährige begleitet Touristen auf Touren durch die von Gezwitscher erfüllten Feuchtgebiete des Nkasa Lupala Nationalparks.

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Vorsichtig steuert er sein kleines Boot an eine Herde Elefanten heran, nah genug für die Fotoapparate der Besucher, aber nicht so nah, dass die Tiere unruhig werden. Gemächlich, fast wie in Zeitlupe, waten sie durch die Sümpfe in Richtung Flussufer, schieben sich büschelweise trockenes Gras in die riesigen Mäuler, angeln mit ihren langen Rüsseln nach den Blättern ganz oben an den Bäumen, machen sich hin und wieder mit einem tiefen Donnergrollen aus dem Bauch bemerkbar. Als das erste Tier in den Fluss eintaucht, wird im Boot nur noch geflüstert, kaum jemand wagt zu atmen.

Natur leidet unter Überpopulation der Elefanten 

Die grauen Riesen sind im Caprivi nur eine Attraktion unter vielen. An den Ufern des Chobe Flusses, der Grenze zwischen Botswana und Namibia, tummeln sich Büffel, Paviane, Antilopen und Krokodile. Durch den Mudumu Nationalpark streifen Giraffen und Zebras. Löwen liegen mit prallen Bäuchen faul in der gleißenden Sonne. Am Kwando Fluss, unweit des Bwabwata Nationalparks, rauben Nilpferde mit ihrem Grunzen, Schmatzen und Planschen den Schlaf.

Doch die Elefanten sind im Caprivi das immer wiederkehrende, alles dominierende Motiv. Sie stehen in kleinen Gruppen unter schattenspendenden Bäumen, ziehen in langen Reihen raschelnd durch das hüfthohe braun-gelbe Gras, zieren Warnschilder an den Straßen. Zwischen 13.000 und 18.000 Exemplare gibt es in der Region, mehr als die Natur laut Umwelt- und Tourismusministerium verkraften kann. Umgestoßene Baumstämme und abgeknickte Zweige bestimmen die weiten Ebenen. Unter der Überpopulation leidet nicht nur die Vegetation, auch die Menschen stecken in einem Dilemma: Einerseits locken die Tiere die Touristen an, andererseits zerstören sie die Felder, fressen den Mais. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit sind die meisten Bewohner des Caprivi auf die Feldarbeit angewiesen, um ihre Familien zu ernähren.

Eine Frau für zwölf Rinder

Auch Victor, der beim Touristikunternehmen ein sicheres Einkommen hat, muss zusätzlich eine kleine Farm betreiben. Obwohl Polygamie traditionell akzeptiert ist, hat Victor nur eine Frau und eine kleine Tochter. „Für mehr bin ich zu arm“, sagt er und erzählt, dass er den Brautpreis von zwölf Rindern immer noch abstottert. Ergiebige Ernten sind in einem Klima, das zwischen trockener Hitze und heftigen Platzregen schwankt, auch ohne Elefanten nicht garantiert.

Aber gegen die sechs Tonnen schweren Naturgewalten gibt es immerhin ein Hausmittel: Chili-Bomben. Der beißende Geruch, der beim Abbrennen der Mischung aus Elefantendung und Chili entsteht, geht offenbar selbst unter die dickste Haut.

Es ist ein ungleicher Kampf gegen den wahren König der Tiere. Ein Kampf, der in einer anderen Welt stattfindet. Denn wer wie in Trance einer vier Meter großen Elefantenkuh gegenübersteht und mit klopfendem Herzen beobachtet wie sie sich nach dem Bad im Fluss majestätisch der untergehenden Sonne entgegen tastet, könnte von der Realität nicht weiter entfernt sein.