Kapstadt. Mit dem Zug durch Afrika zu fahren klingt zunächst nicht sehr spannend. Anders wird es, wenn man mit dem “Stolz Afrikas“, dem Rovos Rail, den schwarzen Kontinent entdeckt. Denn dieser Zug gilt als luxuriösester Zug der Welt. In exklusiven Wagons können Reisende Afrika gut behütet genießen.
Da – am Horizont, ein grünes Licht in der Dämmerung! Willy, der Lokführer, lässt die 3000 PS des Diesels hinter ihm lautstark aufbrüllen. Nach mehreren tausend Kilometern ohne erkennbare Signale erreicht sein Zug wieder ein Gebiet mit modernster Verkehrstechnik. Einen Meter links von ihm steht der Lotse der botswanischen Eisenbahngesellschaft, im Alukoffer neben ihm ein tragbarer Computer. Auf dessen Bildschirm steht, wohin die Reise geht. Willy muss nur die Regler bedienen. Er tut das so gefühlvoll wie möglich.
Denn am Haken seiner Lok hängt nicht irgendein Zug, sondern der luxuriöseste Zug der Welt. Sagt zumindest Rohan Vos. Der sollte es wissen, denn er hat ihn auf die Schienen gestellt.
Durch Südafrika
Aus einer spleenigen Idee dieses südafrikanischen Schrotthändlers mit dem Erscheinungsbild eines britischen Gentleman ist ein mittelgroßes Unternehmen geworden – mit geschätzt zehn Millionen Euro Umsatz. Nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass Vos Mitte der 80er Jahre nur ein paar vergammelte Bahnwaggons aufmöbeln wollte, weil er meinte, er könne sie ja als Wohnwagen für die sechsköpfige Familie an südafrikanische Personenzüge ankoppeln.
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Nein, wurde ihm da beschieden, da müsse er schon einen eigenen Zug fahren lassen. Hat er gemacht. Und zwar nicht nur einen. Vier Rovos-Züge rollen mittlerweile nach Fahrplan durch die Länder südlich der Sahara, vor allem durch Südafrika.
Brüllender Diesel
Einen davon steuert Willy, im Wechsel mit einem Kollegen. Seit mehreren Tagen sind sie mit rund 30-köpfiger Besatzung und 72 Passagieren unterwegs von Dar es Salaam an der Ostküste Tansanias bis hinunter nach Kapstadt. Eine 5000 Kilometer lange Abenteuerreise, mal im Schritttempo über ausgefahrene Schienen, mal computergesteuert mit modernster Technik. Aber immer mit Pausen – freiwilligen und unfreiwilligen.
Pausen, die sich etwa einen halben Kilometer hinter Willy und dem brüllenden Diesel entspannt ertragen lassen. Hier mischt sich leises Gläserklirren in das sanfte Poltern des Waggons. Gäste genießen den Blick von der einzigartigen rollenden Veranda zwischen den Schlusslichtern des Zuges. Bei maximal 60 Stundenkilometer auf den etwas mehr als einen Meter breiten Gleisen ist es in der kühlen Abendluft Botswanas gut auszuhalten.
Richtige Betten
Am Rande der Gleise winken Kinder, die Fahrgäste winken zurück. Nur ganz selten wird es unangenehmer. Manchmal fliegen Steine auf den Zug, zwei kaputte Scheiben zeugen davon. Rohan Vos ist überzeugt: Das sind Dumme-Jungen-Streiche und kein Neid auf den noblen Express. Die Kinder zielten auf jeden Zug und nicht auf den kolonialen Geist, der hier und zwischen dunklem Holz und edlem Leder beim Fünf-Gänge-Menü mit ausgewählten Weinen zu spuken scheint. Wer da innerlich ins Wanken gerät – und nicht nur, weil der Zug in leisem Seegang schaukelt, der tröstet sich mit der Gewissheit, dass die Rovos-Züge immerhin 250 Menschen in Südafrika Lohn und Brot geben, in einem Land mit mehr als 25 Prozent Arbeitslosigkeit.
Den Passagieren hingegen geht’s gut. Maximal sechs Fahrgäste teilen sich einen Schlafwagen mit richtigen Betten und manchmal sogar mit eigener Badewanne, bei der das ablaufende Wasser ja immerhin der dürren Wüste zugute kommt. Es gibt Kellner, die einem die Serviette auf dem Schoß drapieren. Stewards, die dreimal am Tag das Abteil aufräumen, die Wäsche waschen und bügeln und die beheizbare Matratze einschalten, falls die Wüstennacht dann doch einmal kühl werden sollte. So schaukelt der Zug seine Fahrgäste wie die Wiege den wohlbehüteten Nachwuchs.
Ein goldener Käfig
Genau das ist es, was für viele den Wert dieser Reise ausmacht, der sich nicht in Dollar, Rand und Euro messen lässt: Die vielen Helfer im Zug sorgen zum Beispiel dafür, dass die alte Dame im Rollstuhl gegen Ende ihres Lebens einmal das Naturwunder der Viktoriafälle sehen kann, wo der Sambesi sich über einen Kilometer weit in die Tiefe stürzt, umrahmt mit Regenbögen und einer Gischt, die noch viele Kilometer weit zu sehen ist. So wie für sie werden für viele andere Mitreisende Lebensträume wahr, die sie ohne den geschützten Raum mit Bordarzt und gediegenem Komfort nie verwirklicht hätten.
„Ein goldener Käfig“, wispert der ein oder andere Fahrgast, der vielleicht auch die stabilen, stählernen Jalousien vor Augen hat, die man bitteschön schließen möge, wenn man sein Abteil verlässt. Allein schon wegen der Paviane, die sonst durchs offene Fenster kommen und das Abteil nach anderen Kriterien aufräumen als das Personal.
„Wie im Film“, sagt eine andere Mitreisende, als sie ihren Sonnenuntergangsdrink vor dem künstlichen Wasserloch eines südafrikanischen Farmers nimmt, der gerade erklärt hat, dass das immer trockener werdende Klima nicht mehr für die althergebrachte Milchwirtschaft reicht, sondern man jetzt mit indisch-stämmigen Zeburindern in die Fleischzucht geht, weil diese Tiere auch im Halbwüstenklima klarkommen. Da, wo jetzt die Luxuswaggons auf ihre Reisenden warten, wurden früher die Milchkannen in den Zug geladen, damit sie am nächsten Morgen in Johannesburg an der Molkerei waren.
Berichte von Problemen
Die Berliner Agentur „Lernidee“, die für diese Tour den Nobelzug gechartert hat, nimmt ihren Namen ernst: Mit Bordvorträgen und Exkursionen erfahren die Gäste viel über die fünf bereisten Länder. Sie erfahren von sozialen Problemen, aber sie werden davor geschützt, sie zu erleben. Vor allem aber steht die Natur im Mittelpunkt, die als großartiger Film jeden Tag vor den Fenstern vorbeizieht, die aber auch bei vielen Exkursionen erfahren wird.
Auch jetzt wartet schon wieder ein mehrtägiger Landgang: Oben, im Norden, haben sie schon im Chobe-Nationalpark im Okavango-Delta die „Big Five“ Afrikas gesucht, jetzt warten Safaritouren mit Rangern im Madikwe-Reservat auf sie. Wobei die Ausflugsfahrten auf der Suche nach Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard im offenen Jeep über staubige Straßen, wo es noch ein wenig mehr schaukelt als im Zug, gar nicht immer nötig sind: Manchmal steht der Elefantenbulle einem auch Auge in Auge gegenüber, wenn man den Nachmittag entspannt auf der Lodge verbringen will.
Der Stolz Afrikas
Immer wieder sind auf der 14-tägigen Schienenkreuzfahrt derlei Ausflüge vorgesehen, manchmal allerdings purzelt die Reihenfolge ein wenig durcheinander. Wenn vor dem Luxuszug eine Güterzug-lok liegen bleibt und die Bergung Tage dauert, sind die Reiseleiter gefordert.
„Unsere Handyrechnung wollen Sie nicht sehen“, sagt Kevin, einer der drei Reiseleiter. Rohan Vos hat sicherheitshalber jeden Tag vier Stunden Luft in den Fahrplan des Zuges eingearbeitet. Dennoch brauchen er und sein Team gute Verbindungen und viel Improvisationstalent, damit die Züge rollen. Dass es gelingt, eine solch anspruchsvolle Reise im oft strukturschwachen und verarmten südlichen Afrika auf die Schienen zu setzen, dafür allein verdient der Zug seinen Ehrentitel „der Stolz Afrikas“. Denn nicht immer stehen die Signale für Lokführer Willy so bereitwillig auf Grün wie an diesem Abend zwischen Plumtree in Zimbabwe und Francistown in Botswana.