Essen. Vor der Küste Dschibutis in Afrika tummeln sich die Walhaie zwischen November und Januar direkt unter der Wasseroberfläche. Touristen müssen sich lediglich mit Schnorchel und Brille ausrüsten, wenn sie die bis zu zwölf Meter großen Giganten beobachten wollen.

Plötzlich taucht das weit aufgerissene Maul vor der Taucherbrille auf. Das Ungetüm, zu dem der zahnlose Schlund gehört, erscheint lautlos und ohne Vorwarnung aus dem blau-grünen Nichts.

Fast wie in Zeitlupe gleitet der riesige Fisch unter den vor Ehrfurcht erstarrten Schnorchlern hinweg. Der majestätische Walhai ist mindestens fünf Meter groß. Jedes Jahr zwischen November und Januar versammeln sich im warmen Wasser vor der Küste Dschibutis Dutzende Jungtiere. Wer keine Angst vor dicken Fischen hat, kann den sanften Riesen am Horn von Afrika ganz nahe kommen.

Schnorchel und Brille genügen

Am Morgen zerpflügt ein Boot der „Djibouti Divers“ die spiegelglatte Oberfläche des Golfes von Tadjoura. An Bord ein paar aufgeregte Touristen aus Europa, Amerika und Australien, zwei betont coole Mitarbeiter einer in Ostafrika tätigen Hilfsorganisation und Soldaten, die ausnahmsweise nicht auf Piraten- sondern auf Walhaijagd gehen. Schon am Morgen sind es über 35 Grad, das Wasser ist kaum kühler.

Nach einer knappen Stunde Fahrt drosselt der Kapitän den Außenbordmotor. Weil die Giganten vor Dschibuti unmittelbar unter der Oberfläche dümpeln, ihre Rückflossen oft sogar aus dem Wasser ragen, brauchen Abenteuerlustige hier noch nicht mal eine Tauchausrüstung, um die Fische aus unmittelbarer Nähe zu beobachten. Schnorchel und Brille genügen. Plötzlich ruft der Kapitän „Whaleshark“. Die Walhai-Safari-Gäste springen ins Wasser. Manche ohne zu zögern, andere fast widerwillig.

Achtung vor der riesigen Schwanzflosse

Denn auch wenn Schnorchler nicht auf dem Speiseplan der friedlichen Planktonfresser stehen, sehen sie für den Laien fast genauso wie normale Haie aus. Nur größer. Viel größer! Bis zu zwölf Meter werden die weiß gepunkteten Giganten groß. Die Jungtiere vor Dschibuti sind allerdings selten über sechs Meter lang. Damit sie noch größer werden, filtern sie hier Plankton aus dem warmen Meer. Bis zu 6.000 Liter strömen den Walhaien durch die Kiefer. Pro Minute!

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Weil die trägen Fische eher Langstreckenschwimmer als Sprinter sind, und sich von den aufgeregten Schnorchlern nicht aus der Ruhe bringen lassen, kann es Sekunden dauern, bis so ein Koloss an einem Zwerg mit Taucherbrille und Schnorchel vorbeigezogen ist. Man kommt sich verdammt klein vor – man ist es auch im Vergleich zu den größten Fischen der Welt. Auch wenn die Tiere es nicht böse meinen, sollte man sich vor den Schlägen der gigantischen Schwanzflosse deshalb unbedingt in Acht nehmen.

Bislang wenig Tauch-Touristen

„Ich habe noch nie so etwas Faszinierendes wie das Schnorcheln mit den Walhaien vor Dschibuti erlebt. Man kann den Tieren direkt in die Augen schauen.“ Joshua Barton klettert ganz aufgeregt zurück ins Boot. Dabei ist der Amerikaner Teilhaber einer Tauchschule im Oman und hat so ziemlich alles gesehen, was es auf der Welt unter Wasser zu sehen gibt.

Nirgendwo auf der Welt drängen sich so viele Walhaie in einem so kleinen Gebiet wie vor der Küste Dschibutis. Wenn man hier abtaucht, ist es nicht die Frage, ob man einen Walhai sieht, sondern wie viele. Und obwohl der Golf von Tadjoura in vielen Top Tens der Tauch- und Schnorchel-Reviere auftaucht, gibt es in Dschibuti bislang nur sehr wenige (Tauch- und Schnorchel-) Touristen.

Piraten machen die Meere unsicher

Die vielen Walhaie und die wenigen Touristen haben teilweise die gleiche Ursache: Piraten. Weil Seeräuber aus Somalia den Golf von Aden und den indischen Ozean unsicher machen, hat auch Dschibuti einen schlechten Ruf, dabei gilt der Staat als sicheres Reiseland. Und seitdem die Piraten die Meere unsicher machen, trauen sich kaum noch jemenitische Fischer in die Gewässer, die den Walhaien oft bei lebendigem Leib die Flossen abschneiden – in Asien Delikatesse und Aphrodisiakum zugleich.

In diesem Jahr sind die Walhaie noch nicht in Dschibuti eingetroffen, um sich den Magen mit Plankton voll zu schlagen. „Aber sie kommen ganz bestimmt. Spätestens im November“, sagt Reynald Rousseau. Der Tauchlehrer der Djibouti Divers betont: „Das ist hier eben die wilde Natur, kein Zoo.“