Krummhörn. Wenn man Krabben und Fisch in allen erdenklichen Versionen bekommt, Ostfriesen-Tee und “Nordseeschlamm“-Likör kaufen kann, dann befindet man sich im Norden der Republik. Häufig ist die Fischerei in Ostfriesland noch die größte Einnahmequelle. Touristen finden aber auch den Weg in den Norden.

Er stinkt nicht nach Fisch und ein Anker ist auch nirgendwo zu sehen. Jann-Tjado Gosselaar sieht mit seinen grau melierten Haaren und der lässigen Sonnenbrille nicht aus, wie man sich einen typischen Seebären vorstellt. Aber der Ostfriese ist Fischer mit Leib und Seele. Er spricht von „Leidenschaft“ und „Berufung“, wenn sein Blick über die Krabbenkutter im Hafen von Greetsiel gleitet. Die großen Netze hängen an den Seiten wie gefaltete Flügel. 28 Schiffe, die größte Kutterflotte Deutschlands, dümpeln gemütlich vor sich hin. Um Mitternacht will Gosselaar wieder aufbrechen.

Die Fischerei ist immer noch die größte Einnahmequelle des beschaulichen Dorfs in der Krummhörn. Pro Tag und Boot fangen die Fischer rund 200 Kilo Nordseekrabben. Straßen sind nach Klaus Störtebeker benannt, Lokale heißen „Hafenkieker“ oder „Fischers Fründ“, es gibt ostfriesischen „Seebären“-Tee und „Nordseeschlamm“-Likör in den Souvenirgeschäften.

Krabben-Gerichte in allen Variationen

Und auf den Speisekarten der Restaurants stehen Krabben in allen Variationen: Krabbensuppe, Krabbencocktail, Eierpfannkuchen mit Krabben oder Krabben auf Schwarzbrot. Der Ort lebt von der Krabbe. Oder wie es Nicole Ukenah von der Touristikgesellschaft Krummhörn-Greetsiel sagt: „Das Dorf lebt vom Tourismus, und der Tourismus lebt von der Fischerei.“ Eine Symbiose aus Folklore, Tradition und Neuzeit. Vor 28 Jahren haben sich die Bürger in einem Entscheid für den Tourismus ausgesprochen. Die Krabben werden seitdem in Marokko gepult.

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Wenn durch die schmalen Straßen, die sich mit ihren liebevoll restaurierten Giebelhäuschen um den 600 Jahre alten Hafen drängen, eine leichte Brise weht, kommt Seefahrer-Romantik auf. Dabei ist das Krabbenfischen ein gefährlicher Knochenjob. Erst im vergangenen Jahr ist wieder ein Mann bei der Arbeit ums Leben gekommen. „Wasser hat eben keine Balken“, sagt Jann-Tjado Gosselaar.

Älteste bespielbare Orgel in Rysum

Vor kurzem ist er Vater geworden. Der 42-Jährige arbeitet in 30-Stunden-Schichten, ist bis zu 80 Stunden in der Woche mit seiner „Flamingo“ auf See. Das Boot trug den Namen schon, als er vor 20 Jahren übernahm. „Es bringt Unglück, ein Schiff umzutaufen“, erklärt der Seemann.

Zurück an Land. Die Krummhörn mit ihrem Fischerdorf Greetsiel und den 18 Warfendörfern ist ein Gebiet der Superlative: In Rysum ist mit 555 Jahren eine betagte Dame zu finden – die älteste bespielbare Orgel Europas erklingt noch immer jeden Sonntag. Der Campener Leuchtturm, der wegen einer entfernten Ähnlichkeit auch stolz der „Eiffelturm der Nordsee“ genannt wird, ist mit seinen 65 Metern der höchste Leuchtturm Deutschlands.

Berühmtheit durch Ottos Film "Der Außerfriesische"

Kleiner, aber trotzdem berühmter, ist das Leuchtfeuer in Pilsum. Seit Otto Waalkes den rot-gelben Turm 1989 als Kulisse für seinen Film „Der Außerfriesische“ benutzt hat, ist es nicht mehr einsam auf dem Deich. Allein im Juli ist Turmführerin Wally Ehrentraut mit 700 Besuchern die schmalen Wendeltreppen hinaufgeklettert. Und 200 Paare, davon die meisten aus Nordrhein-Westfalen, geben sich mit Blick auf die Niederlande, Borkum, Juist und Norderney hier jedes Jahr das Ja-Wort.

Wer der blau-weißen Dekoration in „Ottos guter Stube“ Stadionatmosphäre in schwarz-gelb vorzieht, ist übrigens in Deutschlands einziger Murmelarena richtig. Gemurmelt wird in den Farben des Sportvereins Jennelt/Uttum – sogar bei den Deutschen Murmelmeisterschaften. Was für den einen der sportliche Ehrgeiz, ist für Gosselaar das Fischen. Schon sein Vater und Großvater waren Fischer. „Wenn man eine Weile zu Hause ist, dann kommt das Kribbeln in den Fingern“, erzählt er.

Und einmal im Jahr, das nächste Mal am 4. August, nimmt der Seebär Touristen während des traditionellen Kutterkorsos an Bord. Dann schmücken Gosselaar und seine Kollegen ihre Boote und fahren raus. Auf die Nordsee. Wie sie es immer machen. Nur eben mit ein paar staunenden Landratten.