Kiel. Die norddeutsche Tourismusbranche nutzt die häufigen Unwetter an der Nordsee, um Urlaubern besondere Erlebnisse zu bieten: Wanderungen im Sturm und Ausstellungen rund ums Thema Unwetter, Überschwemmung und das Leben an der Küste locken viele Besucher.
Sturmwarnungen klingen in Schleswig-Holstein nicht nur angesichts des Orkantiefs Andrea aus dem Radio. Im Winter heißt es fast wöchentlich: "An der Nordseeküste von Schleswig-Holstein muss mit starken Sturmböen gerechnet werden." Ein Urlaubswochenende am Meer muss aber trotz heftigen Windes nicht abgesagt werden.
Sturm kann für Touristen besonders an der Westküste des nördlichsten Bundeslandes ein Erlebnis sein. "Jeder muss selbst entscheiden, bis zu welcher Sturmstärke er sich einen Spaziergang zutraut", sagt Elke Pein von der Büsumer Tourismuszentrale. "Aber wir sagen zum Beispiel Außenveranstaltungen wie Wattenlaufen oder Naturführungen erst bei Windstärke sechs ab." Rüdiger Hartig vom Seewetteramt in Hamburg läuft selbst bei Stärke acht noch gern über den Deich. "Sturmwarnungen sprechen wir offiziell jedoch schon ab Windstärke sieben aus", betont der Experte.
Idealer Startpunkt für Sturmtouristen ist Büsum. Direkt an der Nordsee auf dem grünen Deich weht hier eine steife Brise. Wer auch theoretisch über Wind und Wellen Bescheid wissen möchte, geht ins Büsumer Sturmflutmuseum "Blanker Hans". In dem wellenförmigen Gebäude können sich die Besucher an nachgebauten Schauplätzen über die schrecklichen Jahrhundertfluten von 1362 bis 1976 informieren oder in der Offshore-Forschungsstation viel über Wetter, Gezeiten, Klimawandel und Küstenschutz lernen. Den Piraten widmet das Museum eine Sonderausstellung.
Größtes deutsches Küstenbauwerk bietet Erlebnis
Unter freiem Himmel ist die stürmische See gut am Eidersperrwerk zu bestaunen, dem größten deutschen Küstenschutzbauwerk. Diese Trutzburg gegen Sturmfluten wurde in den 1970er Jahren an der Mündung der Eider in die Nordsee gebaut. Die große Flut von 1962 hatte damals auch Hunderten von Westküstenbewohnern das Leben gekostet. Jetzt schützt das gigantische Bauwerk die Dithmarscher und Eiderstedter Bevölkerung und bietet zudem ein echtes Sturmerlebnis. Wellen peitschen hier gewaltig an die bis zu 8,5 Meter hohen Betonmauern, und Gischt spritzt über die Brüstung des Sperrwerks. Nach einem Spaziergang über den Schutzwall und die Schleusenanlage können Besucher mit dem Auto den 236 Meter langen Sperrwerk-Tunnel durchfahren und auf der Halbinsel Eiderstedt ankommen.
In der Schankwirtschaft Wilhelm Andresen in Katingsiel bei Tönning finden Einheimische und Besucher Gemütlichkeit. Das älteste Gasthaus an der Westküste hat mehr als 350 Jahre auf dem Buckel. Mit altem, zusammengewürfeltem Mobiliar, Blümchentapete und Delfter Fliesen an den Wänden erinnert die urige Wirtschaft an alte Zeiten. Wärme spendet hier nicht nur der Kachelofen, sondern vor allem der original friesische Eiergrog mit viel Rum und Zucker.
B 224 in Bottrop gesperrt
Zur Stärkung Scholle und Nordseekrabben
15 Kilometer weiter schützen den Strand von St. Peter-Ording weder Deiche noch hohe Betonmauern vor Wind. Hier lässt sich das stürmische Meer hautnah erleben. St.-Peter-typisch sind neben den langen Sandstränden vor allem die zahlreichen Pfahlbauten an der Wasserlinie. Die Liebhaber von Meeresgetier spazieren über die neue Seebrücke ans Festland. Dort lockt die vielfältige Fischmeile von St. Peter-Ording. Ein Tag im "Sturmland" lässt sich am besten mit einer fangfrischen Scholle oder einer Flut von Nordseekrabben beenden. (dapd)