Rietschen. . Wölfe werden wieder heimisch in Deutschland. In der Lausitz bietet das Kontaktbüro Wolfsregion in Rietschen geführte Exkursionen an. Die Teilnehmer folgen den Spuren der Tiere in der Hoffnung ihr Revier zu finden und einen Wolf zu sehen zu bekommen.
Das Häufchen liegt mitten auf dem Weg. Dies zeigt den Exkursionsteilnehmern, die am Rand des Tagebaus Nochten zwischen Kiefern und hohem Gras unterwegs sind und ihre Blicke fest auf den Boden geheftet haben, dass sie auf der richtigen Fährte sind. Sie suchen die Spuren der Lausitzer Wölfe, und eine liegt genau vor ihnen. "Wölfe legen ihre Losung meist sehr auffällig ab", sagt Helene Möslinger, Biologin im Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz in Rietschen, das regelmäßig Wolfsexkursionen anbietet. Die Tiere wollten auf diese Weise ihr Revier markieren, erklärt sie.
Schnurgerade Reihe von Pfotenabdrücken
Kein Zweifel: Hier ist ihr Revier. Das zeigen auch andere Spuren, die Möslinger den Besuchern präsentiert. Seit Wölfe in den 90er Jahren in die Lausitz zurückkehrten, wuchs ihr Bestand stetig; derzeit haben sechs Rudel und zwei Paare ohne Welpen die Region zwischen Cottbus und Bautzen unter sich aufgeteilt. Allein 2010 kamen 26 neue Welpen dazu. Zwar sieht kaum ein Tourist die Wölfe selbst: Die Tiere jagen nachts und sind scheu. Die Chancen, unter kundiger Führung auf Spuren zu stoßen, stehen aber gut.
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Kaum hat die Tour begonnen, weist Möslinger auf ovale Abdrücke im Sand. Um zu klären, ob es sich um Wolfspfoten handeln kann, legt sie einen Zollstock an. Gut acht Zentimeter: "Es kann gut sein, dass das ein Wolf war." Wölfe hinterlassen anders als Hunde eine gleichmäßige und schnurgerade Reihe von Pfotenabdrücken. Die Husky-Hündin Fire, neben zwölf Zweibeinern auch Teilnehmerin der Tour, schnüffelt aufgeregt hier und da. Möslinger erklärt, Wölfe liefen bei der nächtlichen Nahrungssuche viele Kilometer durch ihr Revier, das pro Rudel bis zu 330 Quadratkilometer groß ist und in der Lausitz militärische Übungsplätze und Tagebaue, aber auch Felder und Wiesen nahe der Dörfer umfasst.
Lausitzer Wolf wanderte bis nach Litauen
Das haben Biologen in einem Forschungsprojekt herausgefunden, das gerade abgeschlossen wird. Seit 2009 wurden dafür sechs Wölfe mit GPS-Sendern versehen, sagt Vanessa Ludwig, die Leiterin des Kontaktbüros. Vor allem zwei der drei Rüden legten verblüffende Distanzen zurück. Karl, ein junger Wolf aus dem Revier um Nochten, wanderte binnen 16 Tagen bis fast nach Potsdam und kehrte dann zurück – eine Strecke von 390 Kilometern. Sein Bruder Alan verabschiedete sich aus der Lausitz. Sein Signal wurde im Oktober 2009 zuletzt in Litauen empfangen – 800 Kilometer entfernt.
Das hat die Forscher überrascht: Sowohl die enormen Distanzen als auch die Unterschiede im Wanderungsverhalten verwandter Tiere seien "erstaunliche Ergebnisse", sagt Ludwig, die daraus die Schlussfolgerung zieht: "Wölfe können jederzeit überall in Deutschland auftauchen." Da sie, wie in der Lausitz bewiesen, "keine Wildnis brauchen, sondern in Kulturlandschaften leben können", heißt das auch, dass sie vielerorts heimisch werden könnten. Eine Karte des Kontaktbüros weist mögliche künftige Wolfsreviere rund um den Fläming in Südbrandenburg aus, aber auch im nördlichen Brandenburg und im angrenzenden Mecklenburg-Vorpommern.
Wölfe reißen fast ausschließlich Wildtiere
Auf einem Militärübungsplatz in Altengrabow (Sachsen-Anhalt) ist seit 2009 ein Rudel heimisch. In Sachsen wurden unlängst Wölfe in der Königsbrücker Heide gesichtet. Seither wurde das Gebiet, in dem Schäfer und Bauern Schutzmaßnahmen gegen Angriffe von Wölfen gefördert bekommen, ausgeweitet.
Die Raubtiere reißen allerdings zum weitaus größten Teil Rehe, Rotwild und Wildschweine, von denen sie in der Lausitz genügend finden. Weniger als ein Prozent des Nahrungsaufkommens bilden andere Tiere, zu denen auch Hausschafe zählen können, erfahren die Besucher der Ausstellung in der "Wolfsscheune" des Kontaktbüros in Rietschen. Sachsens Umweltministerium teilte unlängst mit, die Zahl der von Wölfen getöteten Schafe sei von 72 im Jahr 2007 auf zuletzt 16 gesunken. Von diesen seien neun nicht richtig geschützt gewesen. Für ein "Rotkäppchen-Syndrom", also die Angst des Menschen vorm "bösen Wolf", gebe es noch weniger Gründe, sagen Biologen wie Christine Möslinger: Dem Menschen gehen die Wölfe in der Regel aus dem Weg. (dapd)