In der Lausitz entsteht ein Seengebiet als Ferienlandschaft mit Zukunft: Doch ein Besuch der Baustelle lohnt schon heute

Geheimnisse im Tourismus? Na ja, eigentlich gibt es sie nicht mehr. Alles bekannt, – meint man. Was derzeit aber tief im Osten Deutschlands unweit des Spreewalds, 120 Kilometer südöstlich von Berlin passiert, ist ein Stück moderner Schöpfungsgeschichte.

Jahrzehntelang bestimmte die Braunkohle hier den Alltagsrhythmus. Dann kam vor 20 Jahren die Wende und das weitgehende Aus für das „braune Gold” der Lausitz. Jetzt entsteht im Süden Brandenburgs eine Freizeitlandschaft, die künftig Urlauber begeistern soll. Schon heute kann live miterlebt werden, wie die Braunkohlegruben von Gestern für die Wasserwelt von Morgen voll laufen. Tröpfchen für Tröpfchen. Schauplatz Großräschen, die heimliche „Energiehauptstadt” der Ex-DDR:

Bis 1999 war die zehn Fußballplätze große Grube von gigantischen Monster-Maschinen des Tagebaus Meuro besetzt. 330 Millionen Tonnen Kohle wurden abgebaggert, Ortsteile wurden platt gemacht, Menschen verloren ihre Heimat. Jetzt steht Mirko, ein früherer Meuro-Arbeiter, oben auf den IBA-Terrassen und schaut auf den entstehenden Ilse-See: „Einwandfrei, meine Jungs werden hier einmal tauchen lernen.” Aber das dauert noch, erst 2015 soll das Loch komplett geflutet sein. Immerhin: eine Seebrücke und ein Hotel stehen schon. Über 20 Wasserflächen umfasst die Seenplatte, zehn davon werden mit Kanälen verbunden sein. Die Internationale Bauausstellung (IBA) begleitet bis Ende 2010 die Umgestaltung der Lausitzer Landschaft.

25 Projekte wurden in den letzten neun Jahren konkret angeschoben, geschätzte 20 Millionen Euro investiert. Man achte sehr darauf, dass, nachdem in Nachterstedt in Sachsen-Anhalt große Flächen in ein Tagebaurestloch abgerutscht waren, hier alles reibungslos laufe, betont IBA-Chef Rolf Kuhn.

Schön, dass auch Relikte aus der Bergbauzeit bewahrt wurden. Wie etwa das Erlebniskraftwerk Plessa oder die gigantische Abraumförderbrücke „F 60”. Das stählerne Monstrum, das noch zur DDR-Zeit geplant wurde und die Ausmaße des Eiffelturms locker überbietet, kann komplett erklommen werden – mit sachkundiger Anleitung durch ehemalige Kumpel und bis in schwindelnde 80 Höhenmeter. Ein Künstler hat aus der Maschine eine Licht- und Klanginstallation gemacht, die vor allem abends beeindruckt.

Auch ein Besuch der sogenannten 24 Biotürme in Lauchhammer – sie dienten bis 1990 als Kläranlage einer Großkokerei – lohnt. Das gemauerte Turm-Ensemble erinnert eher an düstere Science-Fiction-Kulissen, denn an Industrie. Tatsächlich aber führen heute ehemalige Werktätige wie Dr. Konrad Wilhelm durch die Anlage und sie erzählen aus dem Arbeitsalltag der DDR – bei Kaffee und Kuchen in einer der beiden gläsernen Aussichtskanzeln.

Die entstehende Wasserwelt auf Europas größter Landschaftsbaustelle macht heute schon Lust auf Grillen und Chillen. Schwimmende Ferienhäuser am Partwitzer See sind schon da, ebenso die Tauchschule auf dem Gräben-dorfer- oder eine Segelschule auf dem Senftenberger See. Wer will, kann noch durch manche Grube laufen und sich wie auf dem Mond fühlen: Krater, Canyons und jede Menge Sand. Auch rasante Offroad- oder Mountain-Bike-Touren sind schon im Angebot.

Auch an weiteren Gründen, die Region zwischen Berlin und Dresden zu besuchen, herrscht längst kein Mangel mehr. Die künstliche Palmen- und Wasserwelt von Tropical Island ist nah, ebenso der Lausitzring, der Spreewald oder die polnische Grenze. Die Region ist im Aufbruch, was freilich für die Gastronomie noch längst nicht allerorten gilt. Vor allem in Sachen Service- und Essens-Qualität wird noch einiger Spielraum nach oben sichtbar. Auch die meisten Hotels bieten selten mehr als 3-Sterne-Standard. Dumm auch: Außer einem Hinweis an der Autobahn ist das Seenland noch nicht wirklich offensiv ausgeschildert – es wird Zeit!