Wildschönau. Wer nach einer Skipause zurück auf die Piste will, dem wird in der Wildschönau in Österreich auf die Bretter geholfen. Skilehrer Michael ruft Wiedereinsteigern dort die Basics ins Gedächtnis. Nach drei Tagen fühlt man sich dann schon wieder sicher.

Die Schuhe malträtieren die Füße, der Helm ruiniert die Frisur und die Skibrille beschlägt andauernd. Warum tue ich mir das eigentlich noch mal an?

„Denken schadet nur“, sagt Michael, der Skilehrer. Er meint allerdings nicht solche Äußerlichkeiten, sondern vielmehr die inneren Blockaden. „Die Angst“, sagt er, „ist das größte Problem für Wiedereinsteiger.“ Wer lange nicht auf den Brettern stand, fühlt sich unsicher. Und wer unsicher ist, macht erst recht Fehler. Es scheint, als ob Michaels Talent als Psychologe in den nächsten drei Tagen stark gefragt sein wird.

Die Wildschönau, ein ruhiges Hochtal in den Kitzbüheler Alpen mit einem überschaubaren Familienskigebiet, bietet neuerdings Kurse für Wiedereinsteiger an. Michael Fill, seit 34 Jahren Skilehrer von Beruf, kümmert sich um diejenigen, die jahrelang keine Piste runtergefahren sind und es noch einmal versuchen wollen. Mit von der Partie: Susanne im mintgrünen Overall Modell 80er Jahre, Heidi, Ruth, Clara und Daniel. Bis auf Daniel, mit Anfang 30 der Youngster, sind alle um die 50. Trotzdem schlägt Michael das Du vor. „Das ist so bei uns in den Bergen. Ab 1000 Meter duzt man sich“.

"Das meiste macht ihr automatisch richtig.“

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Von DerWesten

Bevor es auf die Piste geht, muss sich der Wiedereinsteiger erst mal ausstatten. Alle haben sich fürs Leihen entschieden. An Terminals, ähnlich den Fahrkartenautomaten der Deutschen Bahn, tippt jeder seine Daten ein. Name, Gewicht, Schuh- und Körpergröße, Fahrkönnen und die Ausleihfrist. Für drei Tage sind 46 Euro fällig. Inklusive Helm, denn oben ohne ist auf der Piste mittlerweile verpönt. „Ski fahren ist wie Radeln. Das verlernt man nicht“, behauptet Michael. „Fahrt mir einfach hinterher, das meiste macht ihr automatisch richtig.“ Zuerst will er allerdings sehen, was wir überhaupt schon – oder noch – können. Jetzt bloß nicht hinsegeln. Doch es klappt erstaunlich gut, die kürzeren taillierten Carving-Ski drehen leicht, und Haltungsnoten werden ja zum Glück nicht vergeben.

Die Bedingungen sind ideal: sonniges Wetter, kaum Wind. Die Pisten am Schatzberg auf knapp 2000 Höhenmetern bilden eines von drei Skigebieten in der Wildschönau, sind breit, gut präpariert und wunderbar leer. Keine Spur von Hektik, die mir damals in den Osterferien vor zehn Jahren den Spaß am Ski fahren verdorben hat. Zwischendurch legt Michael immer wieder eine Panorama-Pause ein und nennt die Bergwelt beim Namen, den Wilden und den Zahmen Kaiser und die anderen Gipfel der Kitzbüheler und Zillertaler Alpen.

Der Mann weiß, was Wiedereinsteiger wünschen: genussvoll Ski fahren anstatt auf die Tube zu drücken. Auf das Hochgefühl des ersten Tages folgt am nächsten prompt die Ernüchterung. In der Nacht hat dichter Schneefall eingesetzt, zudem versinkt die weiße Winterwelt in einer grauen Nebelsuppe – eigentlich ist das ein perfekter Tag fürs Kuchenbuffet. Es klappt gar nichts, alles scheint vergessen, was Michael uns gestern beigebracht hat: Oberkörper mehr zum Tal drehen, Bergski entlasten. Ohne unseren Skiguide wären wir aufgeschmissen. Hauptsache heil runterkommen, das ist die Devise.

Haltungsnoten werden zum Glück nicht vergeben

Die Wiedereinsteiger entscheiden sich einstimmig für eine vorgezogene Mittagspause. „Ski fahren bei schönem Wetter kann jeder“, lautet Michaels Kommentar. Nach einem anständigen Kaiserschmarrn in der „Gipföhit“, der gemütlichsten Hütte im Skigebiet, ganz in der Nähe der Bergstation, läuft’s garantiert wieder besser. Das ist zumindest die vage Hoffnung, die sich allerdings nur teilweise erfüllt. Ohnehin lassen nachmittags bei den meisten Kondition und Konzentration deutlich nach. Die Fahrten kurz vor Liftschluss bleiben den jugendlichen Skiläufern vorbehalten, die den Skitag bis zum letzten auskosten wollen.

An Tag drei hat sich das Wetter beruhigt, man kann wieder sehen, wo man hinfährt. Ansonsten wäre der ein oder andere wahrscheinlich ausgestiegen. „Halt’ den Oberkörper ruhig! Wo bleibt der Stockeinsatz? Mehr in die Knie!“ Michael knüpft sich jeden Kursteilnehmer noch einmal vor und versucht ihm die Marotten, die sich der Einzelne im früheren Skifahrer-Leben angeeignet hat, mühsam wieder abzugewöhnen. Das aber sei schwieriger „als jemandem etwas von vornherein richtig beizubringen“, sagt er mit Engelsgeduld.

Fazit: Nach drei Tagen fühlen sich alle sicher auf den Brettern. Und einige schauen im Sportgeschäft an der Gondelbahn schon verstohlen nach einem günstigen Ski zum Ende der Saison.