Oberursel. . Am 28. Februar beziehungsweise 3. März nehmen Thomas Cook und Neckermann das Geschäft in Ägypten und Tunesien wieder auf. Über die touristische Zukunft beider Länder sprachen wir mit Michael Tenzer, Geschäftsführer Touristik der Thomas Cook AG.

Herr Tenzer, erst das lange Zögern der Branche, Reisen nach Ägypten und Tunesien abzusagen. Jetzt die schnelle Kehrtwende.


Michael Tenzer: Was heißt schnell? Wir hätten gerne schon früher wieder Reisen angeboten. Es war ja immer so, dass die touristischen Regionen gar nicht betroffen waren. Die Reisewarnung konnte in ruhigen Hotelzonen nicht nachvollzogen werden.

Aber uns erreichten Berichte von Lesern, dass es auch am Roten Meer in der Folge Probleme bei der Versorgung gab. Hotels schicken ihr Personal nach Hause, der Betrieb wurde vielerorts auf Sparflamme heruntergefahren. Es gab täglich das gleiche Essen, Beachbars blieben geschlossen.


Tenzer: In unseren Hotels gab es keine solchen Engpässe. Wir haben täglich von unserer Reiseleiterorganisation aktuelle Berichte bekommen: Die Versorgung unserer Hotels war stets gewährleistet und wir hatten von Gästen kein negatives Feedback.

Wie hoch waren die Verluste?


Tenzer: Das kann man noch nicht genau sagen. Die meisten Gäste wollten aber verreisen und durch die kostenlosen Umbuchungsmöglichkeiten konnten wir vielen Gästen Alternativen bieten. Hauptsächlich auf den Kanaren und in der Türkei. Viele haben auch einfach vom Winter auf den Sommer umgebucht.

Aber man spricht jetzt schon von einem Millionenverlust.


Tenzer: Natürlich entstehen durch Evakuierungsflüge, Umbuchungen und Stornierungen hohe Kosten. Der Zeitpunkt der Ereignisse war aber insofern gut, weil die Nebensaison betroffen war. Denn der Januar ist weder für Tunesien noch für Ägypten der attraktivste Reisemonat.

Also Glück im Unglück.


Tenzer: Für die kurzfristige Betrachtung ja. Und im Sinne einer langfristigeren Betrachtung haben wir durchaus noch die Chance, bei Gästezahl und Umsatz die Planerwartung zu erfüllen.

Was für Veränderungen erwarten Sie denn nun, da Ben Ali und Mubarak aus ihren Ländern gejagt wurden?


Tenzer: Die touristische Infrastruktur wird davon nicht beeinträchtigt. Die Hoteliers in Ägypten sind sehr krisenerfahren. Durch Anschläge kam der Tourismus dort schon mehrmals zum Erliegen. Durch die Gewährleistung von Sicherheit und durch attraktive Preise kam es immer schnell wieder zu einer guten Nachfrage. Wenn es ruhig bleibt in Ägypten, werden wir in drei Monaten nichts mehr von alledem merken.

Also wird man den Markt über den Preis ankurbeln.


Tenzer: Ja, die Hoteliers möchten ihre Gäste bald wieder begrüßen und machen attraktive Preise und Zusatzangebote wie beispielsweise kostenlose Ausflüge und Wellnessanwendungen.

Wer sind denn nun nach dem Fall der Oberen vor Ort ihre Ansprechpartner in Wirtschaftsdingen?


Tenzer: Alle wissen, was für ein wichtiges Standbein der Tourismus ist. Die Tourismusverantwortlichen kennen ihr Geschäft und ihre Verantwortung. Dazu kommt, dass viel, was in beiden Ländern entwickelt wurde, ohnehin in privater Hand liegt. Aber natürlich braucht es jetzt, wie in Tunesien bereits geschehen, einen neuen Tourismusminister.

Und die neuen Minister machen sich dann in alter Tradition privat ihre Taschen voll?


Tenzer: Ich will mich an solchen Spekulationen nicht beteiligen. Für uns zählt, dass jene, die den Tourismus künftig begleiten, sich damit auskennen. Wir werden in jedem Fall schnell das Gespräch suchen, um unsere Gäste gut betreut zu wissen.

Welche Überlegungen spielen Ägypten und Tunesien bei Ihren Planungen?


Tenzer: Bedeutsame. Ägypten und Tunesien machen zehn Prozent vom Gesamtgeschäft aus. Man muss einfach auch deutlich sagen, dass beide Länder nichts an Attraktivität verloren haben. Im Gegenteil. Es ist nur fair, jetzt die Schönheit der Länder wieder in den Vordergrund zu stellen. Die Länder brauchen den Tourismus und die Devisen ja als Einnahmequellen. Dazu kommt, dass sie in beiden Ländern ein Preis-Leistungsverhältnis haben, dass es so nicht oft gibt.

Die Menschen dort sind aber wegen ihrer schlechten Löhne auf die Straßen gegangen. Die Menschen erhoffen sich von der gewonnenen Freiheit mehr Mitbestimmung. Und höhere Einkommen. Würde also für den Tourismus höhere Reisepreise bedeuten.


Tenzer: Ich weiß nicht, ob Demokratie gleich höhere Löhne heißt. Aber offensichtlich hat das Missverhältnis zwischen arm und reich mit zur Revolution geführt. Nur darf man jetzt nicht den Fehler machen, das Durchschnittsgehalt in Tunesien über alles zu rechnen. Man muss die spezifischen Gehälter in der Tourismusindustrie sehen. Die generelle Aussage, Demokratie führt zu höheren Kosten, sehe ich überhaupt nicht.

Interview: Christian Leetz