Essen. Seit dem Anschlag am 26. Juni im tunesischen Badeort Sousse warnt die britische Regierug vor Reisen in das Land. Das Auswärtige Amt ist entspannter.

Das Foreign and Commonwealth Office, das britische Pendant zum Auswärtigen Amt, hat am 9. Juli eine Reisewarnung für Tunesien ausgesprochen und rät nun allen Bürgern von „nicht notwendigen“ Reisen in das Land ab. Ausschlaggebend ist, dass die Sicherheitsvorkehrungen seit dem Anschlag am 26. Juni in den Augen der britischen Regierung nicht ausreichend seien. 39 Touristen starben an diesem Tag im Badeort Sousse. Doch das war nicht der erste Anschlag seit dem Arabischen Frühling in dem Land – am 18. März töteten Terroristen im Nationalmuseum Bardo in der Hauptstadt Tunis 24 Menschen. Diese und andere Anschläge hatten einen islamistischen Hintergrund.

Im Gegensatz zu den Briten scheint das deutsche Auswärtige Amt (AA) die Lage entspannter zu sehen und schreibt auf seiner Homepage: „Es sind derzeit keine Einschränkungen der Bewegungsfreiheit zu erwarten, aber die Lage sowie offizielle Ankündigungen sollten aufmerksam verfolgt werden.“ Eine Reisewarnung gibt es nicht.

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Offensichtlich besteht zwischen den verschiedenen europäischen Regierungen kein Konsens über die Lage in Tunesien: Österreich gibt eine partielle Warnung heraus. Die Schweiz warnt vor Anschlägen: „Im ganzen Land besteht das Risiko von terroristischen Akten.“ Italien mahnt zur Vorsicht. Und Frankreich hat, als ehemalige Kolonialmacht, für die Grenzregionen zu Libyen und Algerien die Sicherheitsstufe erhöht, im restlichen Land gilt erhöhte Wachsamkeit.

Reedereien beurteilen die Lage anders

Die unterschiedliche Einstufung der Lage in Tunesien lässt am Urteilsvermögen der Ämter zweifeln: Sind die Briten zu ängstlich? Warum sieht das deutsche Auswärtige Amt keine „Gefahr für Leib und Leben der Reisenden“? Dies dient als Grundlage für eine Reisewarnung. Es gibt lediglich Reise- und Sicherheitshinweise (die es für jedes Land gibt). Zwar rät das AA davon ab, in spezielle Regionen zu reisen, beispielsweise in die Wüstenregionen oder in die Nähe der algerischen Grenze, als Teilreisewarnung sind diese Tipps aber nicht markiert. Im Gegensatz zu den Hinweisen zu Japan, wo nach dem Atomunglück in Fukushima (2011) noch immer eine Teilreisewarnung gilt.

Interessant: Die Kreuzfahrtreedereien kommen zu einer gänzlich anderen Einschätzung der Lage in Tunesien und haben trotz fehlender Warnung des Auswärtigen Amtes ihre Routen rund um das nordafrikanische Land geändert. Ein drastischer Schritt, da sich die private Wirtschaft eigentlich immer auf das AA bezieht. Die Reederei Costa hat Tunesien bis Ende 2016 ganz aus dem Programm gestrichen. Auch Aida wird Tunesien auf absehbare Zeit nicht mehr anlaufen. Und die Reederei MSC wird ebenfalls Ausweichhäfen anfahren. Anders nur Tui Cruises: Bei „Malta trifft Mallorca“ im Oktober, wird Mein Schiff 3 den Hafen La Goulette bis auf weiteres anlaufen.

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Kein Warnung aus wirtschaftlichen Gründen?

Auf Nachfrage dieser Zeitung gibt sich das Auswärtige Amt bedeckt. „Die Reise- und Sicherheitshinweise basieren auf allen dem Auswärtigen Amt verfügbaren und für vertrauenswürdig erachteten Informationen“, heißt es. Was das konkret bedeutet, darauf gab es wiederum keine Antwort.

Es sei nicht verwunderlich, dass das AA keine direkte Reisewarnung ausspricht, erklärt der ehemalige Tui-Vorstand Prof. Karl Born. „Immerhin ist denkbar, dass wirtschaftliche Interessen dahinter stecken. Man würde Länder, die auf den Tourismus angewiesen sind, stark schädigen, wenn man bei jeder Kleinigkeit eine Reisewarnung ausspricht.“ Das könnte sich auf ein exportorientiertes Land wie Deutschland auswirken. So würden weniger Autos nach Tunesien exportiert, und auch Deutsche, die in die Hotels vor Ort investieren, würden geschädigt – ganz abgesehen von den Reiseveranstaltern. Bei vielen Unruhen richte sich der Ärger in erster Linie gegen die Regierung, nicht gegen den Tourismus. So beispielsweise in Thailand.

Generelle Vorsicht in Ägypten

In Ägypten wiederum ist die Lage anders. Erst Anfang Juni sind Touristen bei Luxor nur knapp einem Blutbad entkommen: Drei Männer weigerten sich an einer Kontrollstelle vor dem berühmten Karnak-Tempel sich einem Sicherheits-Check zu unterziehen. Einer der Männer sprengte sich daraufhin in die Luft. In der selben Woche wurden vor den Pyramiden von Gizeh zwei Polizisten von einem Motorrad aus erschossen, eine Gruppe Reisender stand genau daneben. Und vor einer Woche explodierte eine Bombe vor dem italienischen Konsulat in Kairo. Das AA hat daraufhin seine Teilreisewarnung, bei der Kairo und Luxor als sicher eingestuft wurden, verschärft: „Bei Reisen nach Ägypten einschließlich der Touristengebiete am Roten Meer wird generell zu Vorsicht geraten.“

Karl Born hingegen würde „ohne weiteres nach Hurghada fahren, die Hotels werden sehr gut gesichert“. Anders bewertet er die Lage in Tunesien: „Bei dem Anschlag im Juni habe es „wesentlich mehr Tote gegeben als nötig“. Die Hotels dort seien nicht gut genug geschützt worden.