Brighton. England ist als Land der Exzentriker bekannt, aber Brighton gilt selbst bei den Briten als sonderlich. Die Stadt an der englischen Südküste bietet vielen verschiedenen Interessengruppen ein Zuhause. Veganer, Radfahrer und Shopaholics werden hier ebenso bedient wie Pärchen auf Techtelmechtel-Urlaub.
Misty hat eine Medaille bekommen. Das Hündchen trägt sie mit demselben Gleichmut wie das Weihnachtsmann-Kostüm. Herrchen Andy, ebenfalls im Santa-Outfit, ist doppelt stolz: „Mistys erste Medaille!“ Nächstes Mal sind die beiden wieder dabei, wenn fast 500 Weihnachtsmänner, Weihnachtsfrauen, Weihnachtskinder und Weihnachtshunde beim „Santa Dash“ in Brighton um die Wette laufen – fünf Kilometer die Promenade entlang, vorbei an den bunten Strandhütten. Ein toller Anblick.
Die Startgebühr kommt einer Wohltätigkeitsorganisation zugute. Sonst wäre so ein Verhalten wohl auch nur schwer zu erklären. Selbst in Brighton, das sogar in England, dem Land der Exzentriker, als schrill gilt.
Künstler und Kreative, denen London zu teuer wurde, haben den alten Badeort zu dem gemacht, was er heute ist: die kleine freche Metropole am Meer, stolz auf ihre reiche Kulturszene, die vielen Galerien, witzigen Shops, das lebensfrohe, tolerante Flair. Brighton ist Homo-Hauptstadt, Mekka für Veganer, Alternative, Radfahrer, Shopaholics – und ein klassisches Erholungs- und Techtelmechtel-Ziel für Menschen jeder Altersstufe. Von London ist es nur eine Stunde entfernt, vom Flughafen Gatwick eine halbe: ideal für einen Kurztrip. Das milde Klima zieht ganzjährig Besucher an. Dank des nahen Golfstroms kann es auch im Dezember angenehm sein, am Strand zu sitzen und unter Palmen zu flanieren.
Romantische Bäder-Architektur
Die altmodische Bäder-Architektur, nachts effektvoll beleuchtet, hat eine eigene Romantik. Wenn die Möwen kreischen und die Brandung auf den Kiesstrand unter dem Brighton Pier donnert, erscheinen vor dem inneren Auge Szenen aus Graham Greenes Gangsterdrama „Brighton Rock“ und dem Kultfilm „Quadrophenia“. Mehr als 8,5 Millionen Touristen kommen jedes Jahr und geben sagenhafte 518 Millionen Euro aus.
„Auch im Winter ist immer viel los“, sagt Heather Roper, eine „Begrüßerin“: „Greeter“ sind Einheimische, die Touristen ihre Stadt zeigen – kostenlos in ihrer Freizeit. Das mache ihr Spaß, und: „So bleibe ich am Puls der Stadt und sehe, welche neuen Läden öffnen.“ Die gibt es hier reichlich. Allein über 300 individuelle, meist inhabergeführte Shops säumen die Gassen der historischen Stadtviertel North Laine und The Lanes. Legendär ist „Snooper’s Paradise“, gefüllt mit einer wilden Mischung aus Antiquitäten, Selbstgemachtem, Trödel, Kunst und Kitsch.
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Zur Adventszeit überraschen die Läden mit abenteuerlicher Deko. Der gut sortierte Second Hand-Laden „Beyond Retro“ ist in einem alten Omnibus-Depot eingerichtet. In der Boutique „Get Cutie“ gibt es Kleider, Dessous und Kissen aus originellen Vintage-Stoffen. Handgenäht, auch nach Maß. Wenige Meter weiter lauert die süße Gefahr: Bei „Roly’s Fudge“ sehen Naschkatzen, wie Karamellen per Hand auf Marmorplatten hergestellt werden.
Warum eine Muh-Kuh treten?
Weihnachtsspeck anfuttern geht aber am besten in der Duke Street. „Die könnte man auch Chocolate Street nennen“, witzelt Hazel angesichts der vielen Schoko-Shops, Cafés und Tea Rooms. Im „Choccywoccydoodah“ stehen absurde Torten-Ungetüme im Fenster. Für seine Luxuspralinen berühmt ist „Montezuma’s“, in dem es auch Schoko mit Chili gibt. Gesunde Abwechslung bietet eine Shopping-Mittagspause im „Wai Kika Moo Kau“. Der Name des Café-Restaurants spricht sich aus wie „Why kick a Moo Cow“. Übersetzt: „Warum eine Muh-Kuh treten?“ Ein Hinweis auf die vegetarische Küche.
Unten an der Strandpromenade, nahe dem Fischereimuseum, vor dem Flaneure geräucherten Fisch in der Sonne genießen, lädt das Galerien-Viertel „The Artists’ Quarter“ ein: Die malerischen „Kings Road Arches“ aus viktorianischer Zeit, einst Fischerhütten, sind heute Sitz von rund 30 lokalen Künstlern. In der „Two Kats and A Cow Gallery“ finden Kunst- und Kuhfreunde alles. Auch in den Galerien „Vivid Palette“ und „The Cactus Gallery“ gibt es Kunst für jeden Geldbeutel, darunter herrlich schräge Geschenke. Strick-Designerin Magi verkauft handgehäkelte Pullover für Menschen und Hunde, Keramikkünstler Mike Moran hat seinen Brennofen im winzigen Hinterzimmer der Galerie „229 Ceramics“.
Offene Türen im Advent
Zum kostenfreien „Artists Open Houses Christmas Festival“, das alljährlich an den Wochenenden der Adventszeit stattfindet, öffnen rund 50 Kreative ihre Werkstätten. Selbst scheue Künstlerseelen gewähren Fremden dann Einblicke hinter die Kulissen ihres Schaffens – oft in ihrem Wohnzimmer. Das Programmheftchen mit Stadtplan führt zu den Wohnungen, wo Tee, Gebäck und Kunst warten. Wer möchte, kann ein Werk direkt vom Künstler erstehen.
Vorm farbig beleuchteten Royal Pavilion, Brightons überkandideltem Palast im indischen Stil, steht eine Eislaufbahn. In den festlich dekorierten Straßen singen Teenies Weihnachtslieder – charmante Katzenmusik, zu der Brightons Möwen als Background-Sänger passen. Beim „Beach Hut Advent Calender“ an der Promenade öffnet jeden Abend eine der bunten Strandhütten ihr Türchen und wird zur Bühne für eine künstlerische Überraschung.