Ottobeuren. Die große Klosterkirche St. Alexander und St. Theodor thront auf einer kleinen Anhöhe mitten in Ottobeuren. Herbert von Karajan und Leonard Bernstein haben hier schon Konzerte dirigiert, Sebastian Kneipp wurde hier geboren: Wer sich ein wenig Zeit nimmt für Ottobeuren, entdeckt viele Geschichten.

Auf einer kleinen Anhöhe in der Mitte des Ortes thront die große Klosterkirche St. Alexander und St. Theodor. Sie ist das Zentrum einer riesigen Reichsabtei, die im 18. Jahrhundert dort erbaut wurde. 16 Altäre gibt es in ihrem Inneren, drei Orgeln mit 11.000 Pfeifen, aus denen himmlische Töne erklingen. Selbst Herbert von Karajan und Leonard Bernstein haben in dieser Kirche schon Konzerte dirigiert. Sie gehört bis heute zu den herausragenden Sakralbauwerken des Barock, mit einer Akustik, die Musikerherzen höher schlagen lässt.

Im Inneren der riesigen Klosteranlage schlägt hingegen bis heute das Herz einer lebendigen Benediktinerabtei. 18 Mönche gehen dort ihrer Arbeit nach, unterrichten an Schulen, versehen den Pfarrdienst, züchten Bienen oder führen Gäste durch die weiten Raumfluchten der Klosteranlage, die mehr an ein Schloss als einen Ort geistiger Askese erinnert.

Es gibt kaum eine Frage dazu, auf die Pater Christoph nicht vorbereitet wäre, wenn er Besucher durch das Kloster führt. „Ja, das war nicht bescheiden damals.“ „Nein, wir bewohnen schon lange nicht mehr das ganze Gebäude.“ „Und bitte schön, stellen Sie sich einmal die Heizkosten vor.“

Der Geburtsort Kneipps

Pater Christoph ist ein junger Mann mit Humor, ein bayerischer Schwabe von gerade einmal 39 Jahren, der schon Abt-Stellvertreter ist und früher einmal Karsten hieß. Karsten, der Energieelektroniker, der nun im schwarzen Mönchshabit seine eigentliche Berufung gefunden hat. Und der voller Ehrfurcht erzählt, wie er bei seiner Priesterweihe ein Messgewand aus dem Jahre 1766 trug. Ganz andächtig zieht er es aus der Schublade und berichtet von noch älteren Gewändern, die der Abtei gehören. Eines soll sogar einst Martin Luther getragen haben, als er noch katholischer Priester war.

Auch der berühmte Sebastian Kneipp war katholischer Pfarrer. Im Ottobeurer Ortsteil Stephansried wurde er am 17. Mai 1821 geboren und in der großen Klosterkirche getauft. Es wurmt die Ottobeurer ein wenig, dass die meisten Touristen bei Kneipp nur an seinen späteren Wirkungsort Bad Wörishofen denken und nicht an jene Marktgemeinde, in der er zur Schule ging und seine Kindheit verbrachte.

Moderne Kunst im Allgäu

Wer sich ein wenig Zeit nimmt für Ottobeuren, entdeckt viele solcher Geschichten. Die jüngste ist die des sudetendeutschen Künstlers Dieter Kunerth. Der 74-Jährige gehört zu den eigenwilligsten Vertretern der modernen Malerei und Bildhauerei. Die Familie war nach dem Krieg als Vertriebene ins Allgäu gekommen, und Dieter Kunerth Ende der 60er Jahre in der Münchner Kunstszene bekannt geworden.

Inzwischen haben sich die Allgäuer an seine Collagen, Plastiken und großformatigen Frauenfiguren gewöhnt, die sich erheblich von den romantischen Ölgemälden unterscheiden, die in mancher Heimat-stube hängen. Kunerth ist anders, doch längst Teil eines lebendigen Kulturlebens in Ottobeuren, das sich mit ihm weiterentwickelt hat.

Das glatte Gegenteil der barocken Schnörkelei

2003 hat er sogar im Kloster eine Ausstellung eröffnet und sich immer wieder auch der Illustration religiöser Themen angenommen. „Neubarock“ nennt er kokett seinen raumgreifenden Stil und der hat nun ausreichend Platz in einem Museum bekommen, das nur ihm alleine gewidmet ist: „Museum für zeitgenössische Kunst – Dieter Kunerth“ heißt die neue Dauerausstellung, die in einem ehemaligen Brauereigebäude untergebracht ist.

Auf fast 2000 Quadratmetern zeigt Kunerth 170 Exponate aus seiner Werkstatt: Viele von ihnen sind von seiner Liebe zur ägyptischen Kultur geprägt. In bis zu fünf Meter hohen Darstellungen spielt er mit Motiven und Farben, verarbeitet holländische Holzpantoffel in Pharaonenbildern und verwandelt Treibholzreste aus dem Bodensee in Kamelkopfskulpturen.

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Ein architektonisches Erlebnis

Das Kunerth-Museum ist allein schon ein architektonisches Erlebnis: Eine kühne Betonwelt auf mehreren Raumebenen und das glatte Gegenteil der barocken Schnörkelei im Kloster. Das steht hier einem engen Miteinander keinesfalls im Weg. Besucher können für das Kunerth- und das Klostermuseum sogar ein Kombi-Ticket lösen. Mönche und moderne Kunst, Ottobeuren ist ein Ort der kurzen Wege und der kurzen Drähte. Vom Rathaus ins Kunsthaus und in die Klosterklausur.

Dort feierte man dieses Jahr übrigens sogar 1250-jähriges Jubiläum: Denn schon weit vor dem Barockbau gab es eine Benediktinerabtei in Ottobeuren. Selbst in der Zeit der Säkularisation im 19. Jahrhundert hielt dort immer ein Mönch die Stellung. Pater Christoph ist optimistisch, dass das auch noch sehr lange so bleiben wird: Gerade haben sich wieder zwei Novizen um die Aufnahme in den Klosterkonvent beworben.