Ruhrgebiet. An einem der wichtigsten Ferien-Wochenenden erreichen etliche Bahnfahrer nicht pünktlich ihr Ziel. Andere kommen voran, als wäre nichts. Unter den alternativen Verkehrsmitteln sind die Fernbusse die Gewinner des Wochenendes: Sie machen das beste Geschäft.
Es gibt Sätze, die zeigen, wie sich Dinge grundsätzlich verändern, wie die Erfahrung von Generationen auf den Kopf gestellt wird. Dieser fällt am Sonntag gegen 14.45 Uhr an einem Mobiltelefon im mittleren Ruhrgebiet, und er heißt: "Wir sind davon ausgegangen, dass der Zug von Mailand nach Basel auf jeden Fall fährt, weil es ein italienischer Zug ist." Pünktlich war er auch noch. Wo leben wir eigentlich?
Freitagvormittag war es in Levanto, als die SMS vom deutschen Lokführer-Streik zum Urlaubsende in die bis dahin durchaus entspannten Ferien von Dorothea Neweling ploppte. "Wir dachten dann, das wird nichts", erinnert sich die Bochumerin. Doch klappt Samstag alles: Italienische Züge sind ja immer über Zweifel erhaben, aber via Basel-Mannheim-Bochum geht es dann eben so gut weiter. Selbst ihre mitverreisten Hamburger Freunde kommen nur 90 Minuten verspätet nach Hause: "Wir haben Schwein gehabt bis zum Gehtnichtmehr!", sagt sie.
Menschen-Halbkreise unter der "Absagetafel"
Viele andere hatten nicht das Glück: Sie wurden ausgebremst, abgestellt, hängen gelassen in dieser, der . . . der wievielten Streikrunde der Lokführer überhaupt? Glück und Pech zugleich etwa haben BVB-Fans, die zum Spiel in Köln tatsächlich einen Zug erwischen. Wegen Überfüllung begeben sie sich von der 2. in die 1. Klasse, wo sie ein Schaffner ertappt. Macht 40 Euro Bußgeld. Besonders bitter: Eine Station später wird die 1. Klasse freigegeben. "Ich hab' ja Verständnis für den Bahnstreik, aber wenn Dortmund spielt, dann nicht", sagt ein Fan.
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An den großen Bahnhöfen des Ruhrgebietes sieht man auch an diesem Wochenende wieder die typischen Bilder: Menschenhalbkreise unter elektronischen "Absagetafeln". Mittlere Warteschlangen vor Reisezentren. Doch Bahnhöfe und Züge sind auch greifbar leerer, Bahnhofshändler machen weniger Umsatz, die Taxifahrer vor der Tür auch: Viele ihrer potenziellen Fahrgäste sind gerade verhindert.
Die besten Geschäfte machen Fernbusse
Viele Menschen haben offenbar den Freitag genutzt, um sich der prophezeiten Patsche fernzuhalten. Der Bus ist das Ziel. Da muss man nur einen Blick werfen in Richtung Fernbus-Bahnhof Dortmund, zwei Steinwürfe hinter dem Hauptbahnhof, um der Branche zu glauben: Das war ihr Wochenende aller Wochenenden, waren die "besten Fernbus-Tage", seit sie überhaupt fahren dürfen. "Ich weiß nicht, wie ich sonst nach Hause kommen soll", sagen die Leute. Auch: "Wir mussten spontan umorganisieren, aber das mit dem Bus ist super." Einige zehntausend Menschen haben jedenfalls kurzfristig umgebucht – und machen zugleich die verarmende Erfahrung, dass, kurz vor knapp, auch Bustickets nicht mehr so billig sind.
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Andere kübeln ihre ungelösten Misshelligkeiten ins Internet. "Ich muss am Montagmorgen zu einem Vorstellungsgespräch in einen Ort, in den es von meinem Wohnort aus keinen Bus gibt", steht da. Oder: "Super. Meine Eltern kommen in München auf dem Flughafen aus dem Urlaub und müssen nach Berlin. Flüge als Alternative wegen des vielen Gepäcks kosten 500 Euro mehr." Und, letztes Beispiel: "Mein Vater wird beerdigt und der Besuch kann wohl nicht kommen. Da würde ich diesmal den Lokführern die Pest an den Hals wünschen."
"Es ist immer Hauptreisezeit"
Wohlgemerkt: Das ist eine überaus gemässigte Äußerung inmitten des gewaltigen Sturms im Netz, der der Lokführer-Gewerkschaft ins Gesicht bläst. Deren Vorsitzender Claus Weselsky jedoch wehrt sich am Sonntag gegen den Vorwurf, den Streik auf ein solch zentrales Ferien-Wochenende gelegt zu haben; er sagt: "Es ist immer Hauptreisezeit, an sieben Tagen in der Woche."