Mülheim. . Wenn Senioren sich unsicher fühlen, können sie noch einmal ihren Führerschein „machen“. Hans Korte aus Mülheim ließ sich mit 72 Jahren erneut testen. Er beobachtet auch in seinem Umfeld: Die Unsicherheit steigt mit dem Alter – und damit das Risiko, einen Unfall zu verursachen.

Als Hans Korte sah, wie „mühselig“ der Bekannte mit seinen über 80 Jahren den Parkplatz ansteuerte, da kamen ihm selbst die Zweifel: „Vielleicht habe ich ja auch Defizite. Haben meine Reaktionen nachgelassen? Kenne ich noch alle Straßenschilder?“ Der 72-Jährige aus Mülheim erinnerte sich an einen Fernsehbericht über freiwillige Fahrprüfungen für Senioren und tat einen so verantwortungsvollen Schritt, dass er als spektakulär bezeichnet werden kann: Er meldete sich an, um seinen Führerschein zu „erneuern“. Einfach so.

Die Enkel melden sich aus Angst um Oma oder Opa

„Es kommt ganz, ganz selten vor“, dass jemand von allein in der Fahrschule auftaucht, sagt Friedel Thiele, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Westfalen. Meist seien es die Enkel, die gerade selbst den Führerschein machen und nachfragen aus Angst um Oma oder Opa. Verkehrsexperte Günter Trunz hat die Fahrfitness-Checks für den ADAC mitentwickelt; rund 250 Senioren im Bereich Westfalen nehmen jährlich teil, Tendenz steigend. Er bestätigt: „Viele Teilnehmer sind in Konflikte verwickelt. Mit einem Check können sie Kindern oder Enkeln nachweisen, dass sie noch fahren können.“

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Hans Korte hat allerdings eine zweite Motivation, die wohl stärker ist als die eigene Unsicherheit. Er glaubt an die Kraft des Beispiels und hat sich stellvertretend für den unsicheren Bekannten angemeldet und für all die anderen Senioren in seinem Stadtteilnetzwerk „Broich 50+“, wo er Computerkurse gibt; seinen Fahrlehrer will Korte für einen Vortrag einladen. Tatsächlich hat ihm neulich schon eine ältere Dame von ihrer jüngsten Autofahrt berichtet: „Mir schlottern jetzt noch die Knie.“

Zwar weist Fahrlehrer Thiele darauf hin, dass pauschale Aussagen zur Fahrtüchtigkeit höchst problematisch sind: „Ich wehre mich dagegen, bestimmte Dinge an einem bestimmten Alter festzumachen.“ Tatsächlich kommt es darauf an, wie man die Statistik liest. In Dortmund etwa wird nur jeder zehnte Unfall durch Fahrer ab 65 verursacht. Demnach wären Senioren keine Risikogruppe. Doch das persönliche Risiko, einen Unfall zu verursachen, einen schweren zumal, steigt trotzdem mit dem Alter.

Abbiegen schlecht, Geschwindigkeit vorbildlich

Die jüngste Verkehrsunfallstatistik des Bundes ist hier eindeutig: „Sofern über 64-jährige Pkw-Fahrer in einen Unfall verwickelt waren, trugen sie sehr häufig (66,7 Prozent) die Hauptschuld.“ In der Gruppe 75plus waren es sogar rund Dreiviertel. Vorfahrt, Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren – hier schneiden Senioren im Schnitt schlechter ab. Dafür verursachen sie weniger Unfälle durch zu schnelles oder rüdes Fahren oder unter Alkoholeinfluss.

Aktuelle, noch nicht veröffentlichte Zahlen des NRW-Innenministeriums zeigen, dass sich dieses Problem gesellschaftlich verschärft: Obwohl die Zahl der Unfälle mit Personenschaden von 2012 auf 2013 um mehr als vier Prozent abgenommen hat (auf 57 173), ist die Zahl der hauptsächlich von Senioren verursachten Unfälle um mehr als zwei Prozent gestiegen (auf 20 673).

Hans Korte saß zuletzt 1961 neben einem Fahrlehrer, bevor er im Internet die Fahrschule Feldkamp in Mülheim entdeckte. „Damals brauchte man keinen Erste-Hilfe-Kurs.“ Den holte er beim Roten Kreuz nach. Es folgten ein einstündiges Gespräch über neue Verkehrsregeln und ein Test auf Reaktionsfähigkeit und Belastbarkeit am Simulator. „Das Gerät hatte einen Bildschirm und Fußpedale, auch Laute wurden eingespielt.“ Den Geräuschtest bestand der Hörgeräteträger nur mit Einschränkungen, „aber im zulässigen Bereich“. Dann ging es hinters Steuer. Der Fahrlehrer simulierte gewissermaßen eine Prüfung.

Konzentration! Ein geplatzter Reifen auf der A 40

Auf der A40 konnte Korte Konzentration beweisen: „Da lag ein geplatzter Reifen auf der Mittelspur.“ Bremsen oder ausweichen? Reaktionssicher wich Korte aus und konnte auch die Geschwindigkeitskontrolle der Polizei am Uhlenhorstweg ungeblitzt passieren. „Mein Fahrlehrer war höchst zufrieden.“ Ergebnis: 1,1.

Und was, wenn er nicht bestanden hätte? „Dann hätte ich an mir gearbeitet, mir etwa eine neue Brille zugelegt“, sagt Korte. „95 Prozent derer, die anrufen, sind fahrtüchtig“, sagt auch ADAC-Experte Trunz. „Im Einzelfall muss man prüfen, ob man Fähigkeiten mit Trainings wiedererwecken kann.“ Manchmal helfe auch schon eine Automatikschaltung, die Übersicht beim Fahren zu erhöhen.

Und was hat das Training Hans Korte gebracht? „Ich hätte nicht gedacht, dass ich reagieren würde.“ Immerhin hat der ehemalige Unternehmer früher 80 000 Kilometer im Jahr abgerissen, „aber ich fahre nun bewusster, beobachte deutlicher den Verkehr … Letztlich fahre ich auch langsamer und wirklich so, wie es sich gehört – sehr zum Leidwesen der anderen Verkehrsteilnehmer.“

Info: Wo man sich testen lassen kann

Der größte Anbieter von „Fahrfitness-Checks“ ist der ADAC, der Kooperationen mit zahlreichen Fahrschulen unterhält. ADAC-Mitglieder zahlen 49 Euro, andere 69 Euro. Informationen unter 0221 /47 27 8098.

Fahrschulen bieten aber auch unabhängig davon Seminare oder Schulungen für die Generation 65plus.

Fit für den Straßenverkehr machen im Auftrag der Polizei auch Verkehrswacht und ADAC – Teilnehmer müssen also nicht fürchten, dass der Schein entzogen wird. Infos über „Verkehrsunfallprävention“ gibt die Polizei.