Essen. Dem Schülerbewertungspotal Spickmich hätte nichts Besseres widerfahren können: Der Klagezug einer Lehrerin - inzwischen bis vors Bundesverfassungsgericht - gibt dem Start-up Aufwind. Nun träumen die Gründer vom Renommee einer Bravo 2.0 und wie man die Idee endlich zu Geld machen kann.

Die Lehrerin, die bereits in mehreren Instanzen gegen das Bewertungsportal spickmich.de geklagt hat, will vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Zuvor hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass Schüler ihre Lehrer im Internet bewerten dürfen.

Was hat das Urteil des Bundesgerichtshofs für Spickmich gebracht, außer natürlich Aufmerksamkeit?

Tino Keller: In erster Linie Rechtssicherheit. Das war sehr wichtig für uns.

Und wirtschaftlich gesehen?

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Keller: Deutlich mehr Nutzer. Nach dem Urteil haben sich rund 150.000 neue User angemeldet, so dass wir momentan über 1,3 Millionen registrierte Nutzer zählen. Auch bei den Besuchen und Page Impressions ging es aufwärts. Laut IVW hatten wir im Juni 4,2 Millionen Besucher und 165 Millionen Seitenaufrufe. Im Mai waren es noch 2,1 Millionen Besuche und 115 Millionen Klicks gewesen. Das freut uns sehr und bestätigt auch unseren bisherigen Wachstumstrend.

Je größer der Aufschrei unter den Lehrern, desto größer also Ihr Erfolg. Ob das die klagenden Lehrer wohl so wollten?

Keller: Klar, indem uns die klagende Lehrerin immer weiter vor Gerichte gezerrt hat, hat sie uns in gewisser Weise auch gestärkt.

Und wie viele Arbeitsplätze hängen derzeit vom Spickmich-Erfolg ab?

Keller: Das Unternehmen ist noch sehr jung und somit schlank aufgestellt. Derzeit arbeiten für die Firma die drei Gründer, ein festangestellter Mitarbeiter, ein Trainee, zwei Azubis, eine Volontärin und zirka zehn Praktikanten und Studenten.

Schreibt Spickmich schwarze Zahlen?

Keller: Auch wir spüren als werbefinanziertes Portal die Flaute am Werbemarkt. Aber wir arbeiten kostendeckend. Plus minus Null, sozusagen.

Sie selbst haben Ihr Studium mittlerweile beendet. Reicht Spickmich zum Leben?

Keller: Es werden hier natürlich nicht die Riesen-Konzerngehälter gezahlt. Aber wir sind mittlerweile in der Lage, uns Gehälter auszuzahlen, um davon leben können. Sicher, wenn ich nach dem Studium in ein großes Unternehmen gewechselt wäre, würde ich wahrscheinlich mehr Geld verdienen. Aber dafür habe ich hier die Freiheit, das tun zu können, was mir Spaß macht. Spickmich ist mein Job geworden.

Nach dem Urteil titelte eine große deutsche Tageszeitung: „Nun muss Spickmich das Urteil zu Geld machen“. Wie also?

Spickmich

Spickmich wurde Anfang 2007 von den drei Kölner Studenten Philipp Weidenhiller, Manuel Weisbrod und Tino Keller gegründet.

Auf Spickmich können Schüler ihre Lehrer bewerben.

Wenig später folgte das Portal Schulradar.de. Dort können Lehrer und Eltern die Bewertungen einsehen und selbst über Schulen abzustimmen.

Seit Spickmich am Start ist, gab es mehrere Klagen von Lehrern gegen die Bewertung. Die Klage einer Lehrerin aus NRW landete beim Bundesgerichtshof. Der BGH entschied, dass die Benotung von Lehrern im Internet erlaubt ist.

Laut IVW zählte Spickmich im Juni 165,2 Millionen PIs und 4,2 Millionen Visits.

Keller: Spickmich ist als Online-Jugendmagazin konzipiert. Zum einen soll die Plattform weiter wachsen. Und zum anderen können wir uns sehr innovative, integrative Werbeformen vorstellen, die andere Plattformen so nicht leisten können.

Ein Beispiel dafür?

Keller: Es gibt auf Spickmich eine eigene virtuelle Währung, die man sich über Interaktivität verdient. Damit können virtuelle Güter gekauft werden - zum Beispiel um seine eigene Seite zu verschönern. Das wird von verschiedenen Firmen gesponsert. Oder wir haben Persönlichkeits-Quize, die gemeinsam mit Werbepartnern konzipiert sind.

Solche Social Networks gibt es mit den Platzhirschen SchülerVZ oder StudiVZ ja schon zuhauf - mit mehr oder weniger Erfolg. Wo sind da noch Wachstumschancen?

Keller: Wir verstehen uns als Online-Schülerzeitung - als Bravo 2.0 im Internet. Da gibt es vergleichsweise wenig Angebote. Daneben haben wir noch die Plattform Schulradar.de, die wir als eine Art „Stiftung Warentest“ für Schulen und Eltern entwickeln. Bei Schulradar.de sehen wir auch wirklich die Chance, Eltern gegen Bezahlung Informationen zu Schulen zu geben.

Ist denn auch ein kostenpflichtiges Modell für Spickmich denkbar?

Keller: Spickmich wird immer kostenlos bleiben. Spickmich ist für Schüler gedacht und da hat es keinen Sinn, Geld zu verlangen. Was vielleicht überlegenswert ist, sind kostenpflichtige Extra-Services beispielsweise eine Spickmich-Handykarte.

Könnten Sie sich vorstellen, Spickmich zu verkaufen?

Keller: Aktuell nicht. Wir machen das jetzt seit zweieinhalb Jahren und haben noch eine Menge Ideen, die wir umsetzen wollen. Außerdem können wir das tun, ohne jemanden fragen zu müssen. Diese Unabhängigkeit genießen wir.

Hatten Sie überhaupt schon ein Angebot?

Keller: Nein. Wir bekommen höchstens Vorschläge, auch Ärzte oder Rechtsanwälte zu bewerten. Das ist aber nicht unser Thema. Wir bleiben beim Thema Schule, Schüler und Bildung.

Wo steht Spickmich in zehn Jahren?

Keller: Wie wollen DIE Anlaufstelle für Schüler sein, wenn sie Spaß im Internet haben wollen. Das, was die „Bravo“ lange Zeit gedruckt war, wollen wir im Internet sein. Das wäre toll.

Und das wollen Sie aus eigener Kraft und ohne Fremdkapital leisten?

Keller: So, wie wir das aktuell sehen, scheiden Banken als Finanzierungsquelle aus. Die beste Finanzierungsquelle ist darüber hinaus sowieso der eigene Umsatz, mit dem wir ganz zufrieden sind. Das heißt aber nicht, dass wir uns nicht auch andere Partnerschaften vorstellen könnten.

Herr Keller, kann man mit Spickmich reich werden?

Keller: Reich werden weiß ich nicht. Ich hoffe natürlich, dass wir so stark wachsen, um eine richtige Redaktion aufzubauen. Spickmich soll ein etabliertes Unternehmen in der deutschen Medienlandschaft werden. Damit wäre ich zufrieden.

Auf Spickmich können Schüler auch Sprüche ihrer Lehrer einstellen: Hier eine Auswahl der coolsten Wortgefechte.