Warum Adolf Sauerland im Loveparade-Prozess nicht angeklagt ist
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Essen. . Adolf Sauerland, Rainer Schaller und Wolfgang Rabe können den Loveparade-Prozess in den Medien verfolgen. Sie bleiben verschont. Auf der Anklagebank finden sich nur die „Kleinen“: ein Dezernent und eine Amtsleiterin sind die „Ranghöchsten“ unter ihnen. Diese Rollen haben die Beteiligten gespielt.
Zu den zehn Angeklagten gehören sie nicht, geredet wird über sie dennoch. Vielleicht sogar um so mehr. Sie, das ist der frühere Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU), das ist Lopavent-Chef Rainer Schaller und – in den letzten Wochen mehr denn je – auch Duisburgs bis heute amtierender Sicherheitsdezernent Wolfgang Rabe. Wäre die Loveparade der erhoffte Erfolg gewesen, das flirrend-leichte Raver-Event, sie hätten sich wohl am Tag danach mit ihrem Anteil geschmückt. Aber es kam anders.
Adolf Sauerland - Der Möglichmacher
Dass Adolf Sauerland, der damalige Oberbürgermeister Duisburgs nicht angeklagt werden würde, stand schon früh fest. Doch niemand stand nach der Katastrophe so in der Kritik wie er. Der heute 58-jährige CDU-Mann gilt als derjenige, der das Image seiner Stadt mit dem Event nach vorne bringen wollte. Die Loveparade zu organisieren, hatte er seinem Dezernenten Wolfgang Rabe übertragen.
Er selbst kam extra für die Loveparade einen Tag früher aus dem Urlaub in Österreich nach Duisburg zurück. Ähnlich wie Wolfgang Rabe machte auch er auf der Pressekonferenz am Tag nach der Katastrophe eine wenig überzeugende Figur, übernahm keinerlei politische Verantwortung. Und trotz des offensichtlichen Unmutes in Duisburg gegen sein Verhalten blieb er im Amt, sah sich sogar als Aufklärer.
Erst am 12. Februar 2012 wurde er durch ein Bürgerbegehren als Oberbürgermeister abgewählt. Seitdem arbeitet der ehemalige Oberstudienrat wieder im Reisebüro seiner Familie.
In der Vernehmung jedenfalls erinnert sich Adolf Sauerland an wenig, weiß von noch weniger und erweckt den Eindruck eines Verwaltungschefs, der sich nicht um Details gekümmert hat.
Im Duisburger Rathaus erzählt man bis heute, dass in den Tagen nach dem Unglück im Büro Sauerlands Unmengen Papier geschreddert wurden. Die Staatsanwaltschaft jedenfalls sah bei Adolf Sauerland schon früh keine strafrechtliche Verantwortung. Es sei nicht feststellbar, dass der OB am Genehmigungsverfahren konkret mitgewirkt habe.
Rainer Schaller - Der Kopf des Ganzen
Auch Rainer Schaller (45) tritt nur noch selten öffentlich auf. Der Mann, der die Fitness-Kette McFit gründete und betreibt, wurde von den Ermittlern schon bald als Zeuge gesehen, nicht als Verantwortlicher. Schaller habe seine Mitarbeiter, den Technischen Leiter Günter S., Produktionsleiter Stephan S. und den Leiter der Sicherheit Lutz W., mit dem Sicherheitskonzept betraut. Sie seien erfahrene Leute für Großveranstaltungen gewesen, hätten auch schon die Loveparades in Dortmund und Essen organisiert.
Schaller habe als Geschäftsführer zwar das Budget vorgegeben und in E-Mails auf eine Begrenzung der Kosten gedrängt, aber dies habe sich nicht auf sicherheitsrelevante Ausgaben bezogen.
Nach der Pressekonferenz in Duisburg sah man den McFit-Chef lange nicht. Erst in der ein Jahr nach der Katastrophe ausgestrahlten WDR-Dokumentation „Die letzte Loveparade“ tauchte er wieder auf, ein leiser, ein bewegter Rainer Schaller, der erstmals nach dem Unglück durch den Tunnel geht. Da hatte er sich auch schon mit Opfern und Angehörigen getroffen, mit ihnen geredet. Schaller sagt: „Das Leben danach ist nicht mehr so unbedarft wie das Leben zuvor.“
Wolfgang Rabe - Die rechte Hand
Wolfgang Rabe, damals 57-jähriger Ordnungsdezernent, war der Koordinator der Loveparade in der Stadtverwaltung. Er war es, der Sauerland auf dem Laufenden hielt. Auch über die Probleme, die Auseinandersetzungen innerhalb der Verwaltung. Lief etwas mal nicht in seinem Sinne, machte er massiv Druck: Der Oberbürgermeister wünsche die Veranstaltung, daher müsse eine Lösung gefunden werden!
Als dieser Satz fiel, das war nur vier Wochen vor der Loveparade, ging es schon um Mängel am von Lopavent vorgelegten Sicherheitskonzept, um Brandschutz und Fluchtwege. Dabei soll auch Rabe anfangs der Veranstaltung skeptisch gegenüber gestanden haben. Erst als die Loveparade nicht mehr auf den Straßen Duisburgs, sondern auf dem Güterbahnhof stattfinden sollte, und deshalb nicht mehr sein Dezernat, sondern das Baudezernat seines Kollegen Dressler verantwortlich war, soll er seine Haltung verändert haben.
Noch auf der Pressekonferenz am Tag nach der Katastrophe verteidigte Rabe das Sicherheitskonzept. Sein Auftritt dort, seine zum Teil peinlich ignoranten Antworten, auf die Fragen der Journalisten sind unvergessen. Lange sahen ihn auch die Staatsanwälte als mitverantwortlich für die Tragödie. Auch er hätte, so die Ermittler in einem Zwischenbericht, jederzeit die Möglichkeit gehabt, die Loveparade zu verhindern. Diese Sicht hat sich offenbar im Laufe der Ermittlungen verändert. Wolfgang Rabe leitet bis heute das Ordnungsdezernat. Seine Amtszeit endet im Frühjahr. Es heißt, eine Wiederwahl sei nicht zu erwarten.
Chronik einer Katastrophe
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Diese Beteiligten sitzen auf der Anklagebank
Die zehn von der Staatsanwaltschaft Angeklagten arbeiteten für Lopavent und in der Duisburger Stadtverwaltung. Ihnen wird fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung vorgeworfen. Delikte, die mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden können.
Jürgen Dressler (66) befand sich im Sommer 2010 in seinem letzten Jahr als Planungsdezernent der Stadt Duisburg. Seine Behörde war für die Überprüfung und Genehmigung der Loveparade zuständig. Dabei stand Dressler der Veranstaltung durchaus kritisch gegenüber, ohne jedoch letztendlich die Konsequenzen daraus zu ziehen. Es blieb bei einem kritischen, sich distanzierenden Vermerk. Später soll er keinen Widerstand mehr geleistet haben.
Stattdessen soll es zwischen ihm und seinem Co-Dezernenten Rabe eine Absprache gegeben haben, dass am Tag der Loveparade kein Mitarbeiter des Bauamtes anwesend sein würde. Dressler soll also gebilligt haben, dass die Mitarbeiter des Bauaufsichtsamtes die Sicherheitsauflagen nicht kontrollieren.
Auch Anja G., die Leiterin des Amtes für Baurecht, versuchte noch vier Wochen vor der Veranstaltung gegen zu viele städtische Zugeständnisse an Lopavent zu rebellieren, gab jedoch dann ihren Widerstand auf. Wie auch Abteilungsleiter Raimund D., Sachgebietsleiter Ralf J. und die Sachbearbeiter Peter G. und Ulrich B. war sie für die Genehmigung der Veranstaltung zuständig. Die Staatsanwälte gehen davon aus, dass sie alle am 24. Juli 2010, am Tag der Loveparade, bewusst nicht anwesend waren, weil sie sonst wegen der Verstöße gegen die Sicherheitsauflagen hätten vorgehen müssen. Im Zweifelsfall hätten sie das Event noch am Morgen kurzfristig absagen müssen.
Die Angeklagten von Lopavent
„Fast perfekt“ nannte der Organisationschef von Lopavent, Kersten S. das Gelände für „seine“ Loveparade vier Tage davor. Der Bochumer war schon in Berlin dabei, soll derjenige gewesen sein, der die Idee hatte, die Party wandern zu lassen durchs Ruhrgebiet. „Es ist ein ständiges Kommen und Gehen“, sagte er auf die Frage, ob denn der Platz reiche. Bis zu 500 000 Menschen könnten kommen, rechnete er vor.
Ihm und seinen drei Kollegen, dem Produktionsleiter Stephan S., dem technischen Leiter Günter S. und dem Sicherheits-Chef Lutz W. wirft die Staatsanwaltschaft vor, ein Zu- und Abgangssystem geplant zu haben, das nicht geeignet war, so viele Menschen sicher auf das Gelände zu führen.
Auch Stephan S. und Günter S. waren erfahrene Männer in Sachen Großveranstaltungen. Als solche hätten sie, so die Staatsanwaltschaft, die Loveparade absagen müssen, weil wichtige Sicherheitsauflagen wie die Lautsprecher-Anlage nicht erfüllt waren. Stephan S. soll es auch gewesen sein, der die Parole ausgegeben hat, mit der anfangs widerständigen Juristin Anja G. nicht zu streiten, sondern lieber „kuscheln zu gehen“.
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