Bochum. . Das Ruhrgebiet ist um eine Attraktion reicher. Das Bergbaumuseum in Bochum hat am Sonntag einen „Seilbahn-Simulator“ angefahren, mit dem es scheinbar und sehr realistisch in die Tiefe geht. Tatsächlich bewegt sich die Kabine nur wenige Zentimeter.
Früher Nachmittag ist es, da reicht die Schlange vor der Kasse des Bergbaumuseums in Bochum bis auf die Straße. Wer sich hier anstellt, will nach unten, will einfahren. „In die Erde“, sagt der vierjährige Max, der mit seinen Eltern aus Dortmund gekommen ist. Das kann er haben hier im Museum – und seit Sonntag so realistisch wie noch nie. Denn seit gestern ist der „Seilfahrt-Simulator“ in Betrieb.
„So etwas hat es in Deutschland noch nicht gegeben“, schwärmt Siegfried Müller, stellvertretender Direktor des Museums. Was ein rüstiger Rentner auf dem Weg abwärts gar nicht glauben kann. „Sieht aber doch aus wie ein ganz normaler Fahrstuhl“, wundert sich der ältere Herr. „Ist auch einer“, sagt die junge Dame, die die Knöpfe in der Kabine bedient. „Der Simulator ist weiter hinten.“
„Nordfeld“ nennen sie den lange brach liegenden Bereich des Anschauungsbergwerks, den sie jetzt ausgebaut, befeuchtet und belüftet haben. Dort steht der Besucher irgendwann vor einer Tür und via Flachbildschirm meldet sich der diensthabende „Fördermaschinist“. Der Mann also, der einen gleich mit zwölf Metern in der Sekunde nach unten schicken wird.
Im echten Schacht sind Feuerzeug und Kamera verboten
Martin Lindow, Grimme-Preis-Träger mit Wurzeln im Revier, spielt ihn und ist mit sichtlich Spaß bei der Sache. „Hör gut zu“, sagt eine Mutter zu ihrem halbwüchsigen Sohn. „Da kannste was lernen.“ Zum Beispiel, was ein „Blindschacht“ ist – „erreicht nicht die Oberfläche“. Oder dass unten im Berg „Feuerzeug, Kamera, Handy, Uhr“ verboten sind. „Muss ich das jetzt alles abgeben?“, fragt eine Frau. Muss sie nicht. „Ist doch ein Simulator“, sagt ihr Mann.
Doch das kann man schon mal vergessen, wenn man eingetreten ist in den Förderkorb, in dem Ketten von der Decke baumeln und die Wände viele Löcher haben. Unsichtbare Lautsprecher spielen die Stimmen von Bergleuten ein. „Ey“ ist oft zu hören oder „Hömma“. Dann klingelt es drei Mal, das Licht wird gedimmt, und die Fahrt beginnt. Ruckelnd und rappelnd geht es nach unten, an den Wänden vermitteln große Flachbildschirme die Illusion, der Fels würde vorbeifliegen, während versteckte Düsen Wind in die Kabine pusten und einen beim Ausstieg 35 Grad warme Luft empfängt.
„Beeindruckend“ findet das Jürgen Suchow aus Erftstadt. Sohn Felix (10) und dessen Freund Marvin (10) sehen das ähnlich. „Ist toll“, sagen sie und sind damit der gleichen Meinung wie Schauspieler Norbert Heisterkamp, der auf dem Weg nach unten in einem Einspieler einen Bergmann mimt und am Sonntag zu einer Probefahrt vorbeischaute. Und auch Werner Nettler und Ernst Gotsch sind sichtlich angetan von der Simulation. „Sehr realistisch“, lobt der eine. „Fast wie in echt“, sagt der andere. Und beide wissen, wovon sie reden. Altgediente Bergleute sind sie und zur Feier des Tages in der Uniform ihres Knappenvereins erschienen.
Fahrt ist im Eintrittspreis bereits inbegriffen
Gut drei Minuten dauert die Fahrt, die übrigens im Eintrittspreis inbegriffen ist. Dann ist man angeblich auf 1200 Metern Tiefe und doch fast da, wo man vorher schon war. Denn in Wahrheit hat sich der Förderkorb maximal 20 Zentimeter bewegt. Müller öffnet die Tür zum nebenan liegenden Technikraum, von dem aus Hydraulik- und Druckluftzylinder die Kabine anheben und wieder herunterlassen.
Rund 2000 Besucher sind gestern gekommen, was Museumssprecherin Eva Paasche „sehr zufrieden“ macht, für Siegfried Müller aber kein Grund ist, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Das Wackeln und Rütteln müsse man noch „nachjustieren“, hat er bis zum Nachmittag gemerkt. Und an der Lautstärke muss auch noch gearbeitet werden. Manches ist zu leise, anderes aber zu laut.
Im Großen und Ganzen ist das Projekt „Seilfahrt-Simulator“ aber auch für Müller abgeschlossen. Das heißt, eigentlich hat es nur Platz gemacht für den nächsten großen Plan des Museums-Vize. Noch muss man vom Simulator aus zu Fuß die Schächte erkunden. In echten Bergwerken, sagt Müller, gebe es ja Grubenbahnen, die die Knappen zu ihren oft kilometerweit entfernten Arbeitsplätzen bringen. „So eine Bahnfahrt unter Tage“, glaubt Müller, „kann man bestimmt auch gut simulieren.“