Unna. . Die neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen will die Bundeswehr familienfreundlicher machen. In der Glückauf-Kaserne in Unna begrüßt man die Pläne der Ministerin. Soldaten erzählen von der Belastung des Familienlebens durch Versetzungen und Auslandseinsätze.

Ihr letzter Freund trennte sich von ihr, da stand sie kurz vor ihrem Einsatz im Kosovo. Sechs Monate auf sie zu warten, dazu sei er nicht bereit gewesen. „Er war wohl auch nicht der Richtige!“ sagt sie und: „Seit ich bei der Bundeswehr bin, bin ich solo.“ Sie sagt das ohne eine Spur von Bitterkeit. Eher nüchtern, wie eine Tatsache. 25 Jahre ist Katharina N., eine großgewachsene, attraktive Frau. Und eben Stabsoffizier, allwöchentlich zwischen ihrem Zuhause in Frankfurt und der Glückauf-Kaserne in Unna pendelnd.

Soldaten wie Katharina N. hat wohl auch die neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im Blick, wenn sie sich quasi als erste Amtshandlung für eine Reform der Bundeswehr stark macht. Die solle familienfreundlicher werden, mit Kinderbetreuung in den Kasernen, Teilzeit und weniger Versetzungen. Von der Leyen zieht damit die Konsequenz aus den Berichten des Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus, der schon im vergangenen Jahr bitter bilanzierte: Bei 70 Prozent pendelnden Soldaten und Scheidungsraten von bis zu 80 Prozent seien Armee und Familie offenbar nur schwer unter einen Hut zu bringen.

Für Soldaten eine Erleichterung

„All das, was Frau von der Leyen vorgeschlagen hat, ist für uns Soldaten definitiv eine Erleichterung“, sagt auch Oberstleutnant Frank D., der stellvertretende Bataillons-Kommandeur der Glückauf-Kaserne. Erst vor drei Monaten kam der Oberstleutnant nach Unna, nach Stationen in Köln, Wilhelmshaven und Erfurt. Nach insgesamt vier Auslandseinsätzen im Kosovo und Afghanistan. Der 40-Jährige weiß, was es heißt, alle zwei, drei Jahre an einen neuen Standort versetzt zu werden. Er weiß, was es heißt, jeden Freitag nach Hause zu pendeln, jeden Sonntag zurück in die Kaserne.

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„Meine Frau und ich haben uns sehr früh dafür entschieden, unsere Tochter Nele an einem Ort großzuziehen und ihr nicht die häufigen Umzüge zuzumuten“, erklärt Frank D. Es gebe tatsächlich viele Kinder, die unter den Versetzungen der Eltern litten, unter den damit verbundenen Wechseln von Schule und Freunden. „Der Preis ist, dass ich in der Woche in der Kaserne lebe, dass ich meine Tochter nicht so aufwachsen sehe. Und an meiner Frau, sie arbeitet als Lehrerin, bleibt die viele Arbeit zu Hause hängen“, sagt D.

Vier Monate nach der Geburt in den Auslandseinsatz

Im Sommer 2011 war der Oberstleutnant für einen Auslandseinsatz gesetzt. Seine Tochter Nele war da gerade vier Monate alt. Eine Phase, von der er sagt: „Nach einer Geburt, da ist man natürlich emotionaler!“ Dennoch, den Einsatz innerhalb eines Teams von Mentoren für die afghanische Armee zu verschieben, wäre für ihn nicht akzeptabel gewesen. Also ging es nach Masar-i-Scharif, nach Afghanistan. Sieben Monate. Eine lange, eine belastende Zeit für eine junge Familie.

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Und natürlich beeilt sich der Oberstleutnant zu betonen, „wie gut die Ausrüstung war, die man uns Soldaten mitgegeben hat“. Das sei auch für seine Frau sehr wichtig gewesen. Dennoch, geskypt hätte er mit seiner Frau in diesen Wochen ganz bewusst nicht: „Ich wollte nicht, dass sie erkennt, wo genau ich bin. Sie hätte Rückschlüsse ziehen können, wäre durch Berichte in den Medien beunruhigt worden.“

Extrem hohe Scheidungsraten

Wer Auslandseinsätze der Bundeswehr erlebt hat, weiß, dass es unter den Soldaten in Afghanistan, im Kosovo und in Dschibuti vor allem dieses eine private Thema gibt: Was machen die Lieben zu Hause, was finde ich vor, wenn ich zurückkehre? Die Scheidungsraten sind extrem hoch. Weil man sich entfremdet hat, weil manch ein Soldat traumatisiert vom Erlebten nach Hause kommt.

Auch Thorsten Roche, der Personaloffizier in der Unnaer Kaserne, erlebte das. Seine erste Frau trennte sich von ihm nach einem Auslandseinsatz im Kosovo. „Sie war ein sehr unabhängiger Typ Frau“, sagt Roche. Sie habe es offenbar geschätzt, in seiner Abwesenheit weniger Rücksicht nehmen zu müssen. Roche zog daraus Konsequenzen für seine neue Beziehung. Seiner jetzigen Frau mutet er keine Umzüge mehr zu. Inzwischen fest in Unna stationiert, reist er täglich aus Recklinghausen an.

Als Personaloffizier jedoch weiß er um die Nöte der Soldaten, macht manches möglich. Etwa, dass Stabsgefreiter Bianka S. erst um acht statt um sieben Uhr morgens den Dienst antritt, um vorher Töchterchen Carolin in die Tagesstätte zu bringen. Die fehlende Arbeitszeit holt die Dortmunderin nach, indem sie 24-stündige Wachdienste ableistet. Ihr Mann, ein ehemaliger Zeitsoldat, kümmert sich dann ums Kind. „Eine Kita in der Kaserne würde für Soldaten sicher vieles leichter machen“, glaubt die 28-Jährige.

Eine schwierige Kombination

Stabsunteroffizier Katharina N. indes, der Frankfurterin in der Unnaer Kaserne, erscheint die Kombination Familie und Bundeswehr eher schwierig. „Ich kann mir keinen Mann vorstellen, der so tolerant ist, dass er mein wöchentliches Pendeln akzeptieren würde“, sagt sie, und: „Ich hab’ das Thema Familie für mich nach hinten geschoben!“