Berlin. Für beunruhigend hält der Wehrbeauftragte der Bundeswehr, Hellmut Königshaus, die Zunahme von sexuellen Übergriffen auf Soldatinnen. Das Verteidigungsministerium habe eine entsprechende Studie lange “unter Verschluss gehalten“. In der Truppe fehle es außerdem an Personal und Investitionen.
Der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus hat sich besorgt über sexuelle Belästigung von Frauen bei der Bundeswehr geäußert. Die Ergebnisse einer in der vergangenen Woche veröffentlichten Studie des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, nach der 55 Prozent der Soldatinnen bereits mindestens einmal sexuell belästigt wurden, nannte er am Dienstag bei der Vorstellung seines Jahresberichts beunruhigend. Er warf dem Verteidigungsministerium vor, die bereits 2011 erhobenen Daten lange Zeit "unter Verschluss gehalten" zu haben.
Laut Jahresbericht des Wehrbeauftragten wurden im vergangenen Jahr 64 Verdachtsfälle sexueller Belästigung bei der Bundeswehr registriert. Im Vorjahr waren es 50. Königshaus beklagt, dass sich viele Frauen nicht trauten, Übergriffe zu melden. "Bei betroffenen Soldatinnen bestehen leider oftmals Hemmungen, Diskriminierung und Fälle von sexueller Belästigung zu melden, weil sie persönliche Nachteile befürchten", erklärte er.
Durch Auslandseinsätze überlastet
Königshaus hält die Bundeswehr außerdem durch die Auslandseinsätze und die laufende Strukturreform für überlastet. "In vielen Bereichen ist die Grenze der Belastbarkeit erreicht, vielfach sogar überschritten", erklärte er am Dienstag anlässlich der Vorstellung seines Jahresberichts in Berlin. "Personalengpässe und ein über die Jahre angewachsener Investitionsstau bei der Infrastruktur, der Ausstattung und der Bewaffnung der Streitkräfte verlangen schnelle Abhilfe."
Der Wehrbeauftragte des Bundestags gilt als "Anwalt der Soldaten" und berichtet dem Parlament einmal im Jahr in einem ausführlichen Bericht über Missstände in den Streitkräften. 2013 ist die Zahl der Beschwerden aus der Truppe gemessen an der Zahl der Soldaten auf den höchsten Stand seit Beginn der Erfassung 1959 gestiegen. Auf 1000 Soldaten kamen 28 Beschwerden und damit rund 20 Prozent mehr als im Vorjahr.
Die Initiative von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) für eine familienfreundlichere Bundeswehr bezeichnete Königshaus als überfälligen Schritt. "Nun bedarf es konkreter Maßnahmen, insbesondere der Bereitstellung zusätzlicher Haushaltsmittel für diesen Zweck." (dpa)