Ruhrgebiet. . Rückführungen sind keine Lösung, sagt Dortmunds Sozialdezernentin Birgit Zoerner. Im Interview schildert sie, warum sich viele Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien für Dortmund entscheiden, und stellt klar: Es gibt es auch Gutqualifizierte. An der Uni studieren 200 junge Leute aus diesen Ländern.
Bereits seit Längerem klagen Städte wie Dortmund und Duisburg über Probleme durch Armutszuwanderer aus Rumänien und Bulgarien. Über überbelegte Problemhäuser, Prostitution und kriminelle Banden. Die aktuelle Forderung von Politikern wie FDP-Parteichef Lindner, gegen „missbräuchliche Zuwanderung in die Sozialsysteme“ vorzugehen und nicht integrierbare Zuwanderer wieder in ihre Heimatländer rückzuführen, geht jedoch nach Meinung von Dortmunds Sozialdezernentin Birgit Zoerner „völlig am Kern des Problems vorbei“.
Frau Zoerner, wieso distanzieren Sie sich so von der aktuellen Diskussion?
Birgit Zoerner: Tatsächlich gibt es auch in Dortmund Rückführungen, doch das trifft lediglich eine Handvoll Menschen, denen die Freizügigkeit entzogen wird. Problemlösungen müssen anders aussehen. Natürlich brauchen wir dringend eine rechtliche Klarstellung. Zum Beispiel zur Frage, die gerade beim Europäischen Gerichtshof anhängig ist, ob Armutszuwanderer einen Anspruch auf Sozialleistungen haben und vor allem ab wann. Viele Dinge sind beim EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens ungeregelt geblieben. Daraus entstehen die Probleme.
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Aber es heißt doch, dass gerade unter den Rumänen und Bulgaren viele gut qualifizierte Fachkräfte seien und die Arbeitslosigkeit unter diesen Zuwanderern gering sei. Wie passt das zu der Situation in Dortmund und Duisburg?
Zoerner: Ich halte die Methoden, mit denen diese Zahlen ermittelt wurden, zum Teil für fragwürdig. Wenn man zum Beispiel weiß, dass aufgrund der Beschränkung der Freizügigkeit nur wenige der Zuwanderer Sozialleistungen in Anspruch nehmen können, dann kann ich ja daraus nicht den Rückschluss ziehen, dass alle hoch qualifiziert und am Arbeitsmarkt unterwegs sind. Man muss einfach mal hingucken, wie es wirklich ist. Man kann diese Diskussion nur mit der Realität kontern.
4500 Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien leben in Dortmund. Wie sieht deren Realität aus?
Zoerner: Tatsächlich gibt es auch in Dortmund Gutqualifizierte. An der Universität studieren 200 junge Leute aus diesen Ländern. Der größte Teil der nach Dortmund kommenden Menschen sind jedoch Armutszuwanderer aus prekären Verhältnissen, die für sich eine neue Perspektive suchen. Sie sind häufig mangelhaft qualifiziert, ein großer Teil Analphabeten, und viele der Kinder haben noch nie einen Kindergarten oder eine Schule besucht. Angelockt werden sie sicherlich durch sogenannte Schrottimmobilien in der Dortmunder Nordstadt, durch verwahrloste Immobilien, die von skrupellosen Vermietern angeboten werden. Das sind Wohnsituationen, die sind aus unserer Sicht überhaupt nicht akzeptabel und führen zu Spannungen in den Nachbarschaften.
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Zoerner: Die Situation in den Städten ist unterschiedlich. München etwa hat 20.000 Zuwanderer aus diesen Ländern, darunter viele Hochqualifizierte, kämpft aber inzwischen mit hoher Obdachlosigkeit aufgrund seiner Immobilienpreise.
Was muss getan werden, wie könnten Lösungen aussehen?
Zoerner: Wir brauchen Sprachkurse, Alphabetisierung und Qualifizierung. Das Ziel ist ein eigenständig finanziertes Leben. Dafür brauchen wir Geld, auch vom Bund. Es wird Zeit, dass der reagiert. Und man kann ja durchaus die Frage stellen, ob es sinnvoll ist, Kindergeld so auszuzahlen wie es gemacht wird. Aber so ist die geltende Rechtslage. Wir Kommunen haben uns allerdings dafür ausgesprochen, Kindergeld-Zahlungen an die Erfüllung der Schulpflicht zu koppeln. Wie viele Menschen noch kommen werden, kann man nicht seriös sagen. Viele von ihnen werden bleiben. Zu ihrer Integration gibt es keine Alternative.