Essen/Duisburg. . 24.000 Menschen waren aufgerufen, dem Chemiekonzern Bayer kräftig die Meinung zu geigen. Doch nur wenige kamen, um in Essens Grugahalle gegen die Pipeline zu protestieren, die Bayer im Rheinland in Betrieb nehmen will. Das Gipfeltreffen könnte sich noch über Wochen hinziehen.

Der Wutbürger kommt im Karnevalskostüm. Walther Enßlin begrüßt als Kohlenmonoxid-Totengräber die Ankömmlinge vor der Essener Grugahalle. Seinen bunten Hut hat der 70-Jährige mit kreativen Warnungen vor Bayers Pipeline beklebt. Den Vortrag, den der gelernte Chemiker später halten will, trägt er ausgedruckt am Körper. Sicher ist sicher.

Die Düsseldorfer Bezirksregierung hat zum Gipfeltreffen geladen. Auf der einen Seite steht der Chemiekonzern Bayer, der seine 67 Kilometer lange Leitung für Kohlenmonoxid vor gut fünf Jahren zwischen Dormagen und Uerdingen verbuddelt und dabei wohl eine Menge falsch gemacht hat. Auf der anderen Seite kämpfen 24.000 Menschen, die schriftlich Einspruch erhoben hatten gegen die Inbetriebnahme der Pipeline, darunter viele Duisburger.

Der Gegner präsentiert das tödliche Weinglas

Die Gegner fürchten die tödliche Wirkung von Kohlenmonoxid. „Ein Weinglas reicht“, sagt Enßlin. Er hat ein Glas in der Tasche, um es später zu zeigen.

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Die Halle ist voll bestuhlt. 7000 Menschen passen theoretisch rein, 30 sind wenige Minuten vor Beginn tatsächlich da. Später werden es 146. Die Bezirksregierung musste mit mehr Gästen rechnen, ein Drittel der Einwender kommt erfahrungsgemäß. Andere Hallen in der Größe waren in der Region nicht frei, vor allem nicht für mehrere Tage, die der Termin dauern kann. Denn jeder der Gegner darf sich theoretisch zu seiner Eingabe gegen die nachträgliche Legalisierung der Baumängel äußern.

Punkt für Punkt wird jedes Detail abgearbeitet

Es gibt ein munteres Hin und Her. Punkt für Punkt wird jedes technische Detail zur Pipeline abgearbeitet. Erwin Schumacher, der Sprecher der Monheimer Initiative gegen die Pipeline, hat ein Stück der angeblich so stabilen Schutzmatte für die Pipeline mitgebracht. Der schmächtige Mann zerreißt den Kunststoff unter Applaus mit bloßen Händen. „Das Ding ist ein Schwabenstreich.“

Bayer-Projektleiter Werner Breuer kontert die Schumacher-Kritik: Die Matte habe nur Warnfunktion. „Jeder Baggerfahrer weiß, das ist etwas anderes als das, was üblicherweise im Boden liegt.“

Bei den Positionen geht's allein um Technik

Zwei Stenografen schreiben Wort für Wort mit: Die Gegner kritisieren, Bayer kontert. Die Bezirksregierung nimmt die Positionen auf. Es geht dabei allein um Technik – von der Genehmigung abweichende Stahlsorten zum Beispiel – und um die Lage des Rohres, das Bayer einfach anders verlegt hat als ursprünglich erlaubt.

Versammlungsleiterin Ulrike Nienhaus von der Bezirksregierung lässt sich zu einer kleinen Wertung hinreißen: „Es kann nicht Ziel von Genehmigungen sein, dass vorher schon gebaut wird.“ Natürlich werde aber ergebnisoffen geprüft.

Bezirksregierung wird frühestens 2014 entscheiden

Eine Tendenz lässt sich nach dem ersten Tag nicht absehen. Die Bezirksregierung wird frühestens 2014 entscheiden. Und auch das Oberverwaltungsgericht in Münster beschließt erst nächstes Jahr über das Projekt ... vielleicht! Denn am Rande des Termins wird gemunkelt, dass für einzelne Elemente der Pipeline vielleicht ganz neue Verfahren gestartet werden müssen. Das könnte Jahre dauern.

Wutbürger Walther Enßlin kommt nicht mehr zu Wort. Nach dem ersten Tag ist nicht einmal der erste von sechs Punkten abgearbeitet. Die Grugahalle ist aber für mehrere Tage reserviert. Möglich, dass es sogar zwei Wochen dauert, bis jeder alles gesagt hat. Bayer muss alle Kosten tragen, geschätzt ein sechsstelliger Betrag. Wie viel genau, sagt der Konzern nicht. Walther Enßlin wird am Mittwoch wiederkommen. Seine Rede ist ja fertig.