Hilden. . Der Widerstand gegen die von Bayer geplante CO-Pipeline zwischen Dormagen und Krefeld-Uerdingen wächst. In Hilden wurde ein Protest-Transparent aufgestellt, alle Parteien des Rates unterstützen es. Demnächst wird über die vielen Einsprüche besorgter Anlieger verhandelt.

Hildens Bürgermeister Horst Thiele (SPD) als oberster Strippenzieher: Gestern Morgen entrollte er ein breites Transparent am Ortseingang, das den geballten Widerstand der Stadt signalisiert. Den etwas knittrigen Satz „CO darf man nicht verschicken, drum muss man diese Pipeline knicken“ unterschreiben alle im Rat der Stadt Hilden vertretenen Parteien. Auch im Jahr sechs des CO-Pipeline-Desasters von Bayer grollt der Volkszorn entlang der 67 Kilometer langen Rohrleitung, die die linksrheinischen Bayer Standorte Dormagen und Krefeld-Uerdingen rechtsrheinisch miteinander verbindet. Der Hildener Anwohner Rainer Kalbe sagt es so: „Wir zeigen der Wirtschaft auch weiterhin, dass sie nicht alles mit uns machen kann.“

Es ist farblos, geruchlos, geschmacklos und absolut tödlich: Kohlenstoffmonoxid, kurz: CO. Der pensionierte Hildener Kinderarzt Gottfried Arnold warnt: „30 Milliliter CO machen einen gesunden Menschen bewusstlos. 130 Milliliter können tödlich sein.“

Aus Sicht der chemischen Industrie ein beherrschbares Risiko. Sie verwendet CO als Rohstoff in der Kunststoff-Produktion. Vor sechs Jahren machte Bayer geltend, dass die CO-Pipeline zwischen Dormagen und Krefeld notwendig sei, um diese Rheinstandorte wirtschaftlich betreiben und Arbeitsplätze sichern zu können. Seither guckt das Unternehmen in die immer noch leere Röhre.

Bürgermeiste Horst Thiele enthüllt das Mahnmal gegen die CO-Pipelines
Bürgermeiste Horst Thiele enthüllt das Mahnmal gegen die CO-Pipelines © Rolf Schmallzgrüber

Belegt nicht jeder Tag ohne CO in der Pipeline, dass die umstrittenste Leitung der Republik so notwendig nun auch wieder nicht ist? Nein, sagte Bayer Material Science-Sprecher Jochen Klüner der NRZ: „Jeder Tag ohne die CO-Pipeline macht den Standort Krefeld-Uerdingen wirtschaftlich unsicherer. Wir wollen aber doch die Beschäftigung dort erhalten.“ Momentan muss das in Krefeld benötigte CO in einer alten, anfälligen Koksanlage hergestellt werden.

Den Einspruch mündlich begründen

Wenn es nach den Pipeline-Gegnern geht, bleibt das auch so. Sie haben gleich zwei Eisen im Feuer. Wie die NRZ erfuhr, beginnt am 5. November in der Essener Gruga-Halle die öffentliche Anhörung im Planänderungsverfahren zur CO-Pipeline beginnen. Es gibt rund 24 000 Einwendungen. Fünf Termine sollen im November, zehn weitere im Dezember geblockt worden sein, um diesen Berg abzuarbeiten. Denn theoretisch darf jeder Einwender seinen Einspruch mündlich begründen.

So funktioniert das Pipeline-Verfahren

Die CO-Pipeline ist seit Ende 2009 verlegt. Bayer durfte die Rohrleitung aber noch nicht in Betrieb nehmen, weil er unter anderem beim Bau zu weit von der Genehmigung abwich.

Im Planänderungsverfahren will sich Bayer Abweichungen und geplante Änderungen im Nachhinein genehmigen lassen.

Der Erörterungstermin ist Verfahrensteil. Danach muss die Behörde feststellen, ob weitere Untersuchungen nötig sind. Wenn nicht, kann sie den Betrieb genehmigen – oder nicht.

Der Knackpunkt: An 90 bis 100 Stellen wichen die Pipeline-Bauer von den ursprünglich genehmigten Plänen ab, veränderten die Trassenführung, verwendeten anderes Material als angegeben, baute angeblich zu schmale Sicherheitsmatten ein. Für die Düsseldorfer Regierungspräsidentin Anne Lütkes (Die Grünen) sind die Planabweichungen „wesentlich“. Um für mehr Transparenz zu sorgen, hat sie sich für die Bürgerbeteiligung entschieden. Die Termine in der Gruga-Halle werden Bayer wohl eine sechsstellige Summe kosten.

Des Pipeline-Dramas zweiter Akt spielt vor dem Oberverwaltungsgericht Münster. Dort hängt seit Mai 2011 ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf zur Revision. Das sah die Erdbebensicherheit der Pipeline nicht ausreichend geprüft und erklärte die Genehmigung für rechtswidrig. Wogegen sich Bezirksregierung und Bayer als Beklagte einsprachen. Für Januar 2014 hat das Oberverwaltungsgericht zunächst einmal die Prozessbeteiligten zu einer internen Erörterung geladen. Erst danach wird klar sein, wie das Gericht weiter vorgeht.