Duisburg/Kevelaer. . In Duisburg-Neumühl wandelten sich marode 70er-Jahre-Blöcke in ein beliebtes Viertel, in Kevelaer leben Junge und Alte, Gesunde und Demente im Klostergarten. Und in Geldern rissen sie gar Teile einer Kirche ein. Drei Projekte in NRW zeigen schon heute, wie wir in Zukunft leben können.

Frau Thomas umkreist den Kaffeetisch unermüdlich. Strickhut auf dem Kopf, die Hände fest an den Griffen ihres Rollators, zieht sie schweigend ihre Runden. Reden ist nicht ihre Sache. Nicht mehr zumindest. Stattdessen klatscht die alte Dame, „Give me five!“, die Mitbewohnerinnen ihrer Demenz-WG gerne einmal ab. Wohngemeinschaft tatsächlich ist das richtige Wort, denn mit der herkömmlichen Vorstellung von Altersheim hat das Leben im Kevelaerer Klostergarten nichts zu tun.

Kein abgeschabtes Linoleum, keine deprimierenden Tür-an-Tür-Flure, stattdessen Wohnen zu zehnt rund um einen stylischen Küchenblock und gemeinsames Kochen. Der Kevelaerer Klostergarten gehört zu jenen Wohnprojekten im Land, die NRW-Bauminister Michael Groschek als vorbildlich empfindet, die er nun auf seiner Sommerreise präsentierte. Quartiere, das weiß auch Groschek, „sind Heimat, sie ersetzen mehr und mehr die Familie, sie schützen vor Vereinsamung“.

NRW-Wohnungsbauminister Michael Groschek (SPD) in der  Sahle-Wohnanlage.
NRW-Wohnungsbauminister Michael Groschek (SPD) in der Sahle-Wohnanlage. © WR

Die Hochhaussiedlung in Duisburg-Neumühl

Die drei Quartiere, die sein Ministerium vorstellte, sind tatsächlich sehr unterschiedlich und jedes auf seine Weise beeindruckend. Da ist die 70er-Jahre-Hochhaussiedlung in Duisburg-Neumühl, vor kurzem noch ein Ort, an dem man sich nicht gerne aufhielt, geschweige denn wohnte. Marode und vernachlässigt standen die Wohnklötze dicht an dicht, ihre Bewohner waren mit den Ungetümen alt geworden. Über 100 Wohnungen blieben zum Schluss leer, waren nicht mehr zu vermieten.

2003 erwarb der Großinvestor Uwe Sahle die Gebäude und begann das Viertel im großen Stil zu verändern. Finanziell und stadtplanerisch unterstützt vom Land sowie der Stadt Duisburg riss er drei Achtgeschosser ab, baute die restlichen vier- bis sechsgeschossigen Gebäude barrierefrei um und setzte in die Mitte des Komplexes ein sogenanntes Generationenhaus, in dem alte Menschen stationär gepflegt werden können.

Dass Sahle nicht gerne abriss, daraus macht er keinen Hehl. Er mochte den Sinn anfangs nicht so recht einsehen. Aber unter dem sanften Druck des fördernden Ministeriums entstand ein luftig-grünes, ein gepflegtes Viertel, das heute wieder beliebt ist, sowohl bei jungen, einkommensschwachen Familien als auch bei älteren Menschen. „Sie wissen, dass sie in ihrem Umfeld bleiben können, auch wenn sie alt und pflegebedürftig sind“, erklärt Sahle.

Der durch den Abriss entstandene Innenhof der St.-Adelheid-Kirche
Der durch den Abriss entstandene Innenhof der St.-Adelheid-Kirche © WAZ FotoPool/ Ralf Rottmann

Die Geldener Kirche wurde teils abgerissen

Keine zehn Jahre älter als die ehemaligen Wohnklötze von Neumühl ist die St.-Adelheid-Kirche im niederrheinischen Geldern. Ein Prachtbau war das einmal, denkmalgeschützt noch dazu. Ein Zeltdach, das über einem riesigen Mosaikfenster zu schweben schien. Aber zwei Kirchen waren für die schrumpfende Gemeinde St. Maria Magdalena eine zu viel. Also wurde umgebaut.

Im Eingangsbereich ließ man Dach und Fenster stehen ebenso wie den Altarraum. Der Rest wurde abgerissen, rechts und links durch backsteinerne Neubauten ersetzt.

Entstanden ist ein architektonisch interessanter Wohnkomplex, mit Altenpflege in sechs Hausgemeinschaften und 28 barrierefreien Wohnungen. Hier leben ältere Menschen und solche mit Handicaps, Singles und Paare, die, wenn sie es benötigen, auch die ambulante Hilfe der im Erdgeschoss pflegenden Caritas in Anspruch nehmen können. Das Ganze mitten in Geldern, mitten im Leben, also alles andere als an den Rand gedrängt.

Der Kevelaer Klostergarten.
Der Kevelaer Klostergarten. © WAZ FotoPool/ Ralf Rottmann

Der Kevelaer Klostergarten

Noch integrativer geht es allenfalls im Kevelaerer Klostergarten zu, dort, wo Frau Thomas wohl noch immer ihre Runden dreht. In dem Klosterbau der 60er-Jahre gibt es wirklich alles von Eigentumswohnungen über öffentlich geförderte Mietwohnungen für junge Familien und die betreuten WGs für Demenzkranke bis zum Hotel.

300 Menschen wohnen hier inzwischen. Der anfänglich angebotene Fahrdienst von Zivildienstleistenden für die Senioren erwies sich bald als überflüssig. Junge und Alte helfen sich. Beim Einkauf wie beim Babysitten.