Kleve. . Das Wyler Meer im Kreis Kleve ist eine geschützte Perle der Natur. Niemand vor Ort ahnte etwas von der gefährlichen Linuron-Belastung im Wasser. Das Unkrautvernichtungsmittel gilt als krebserregend. Messdaten des Landesamtes beschreiben das Giftproblem seit 1998.
Seit Jahren fällt ein giftiger Schatten auf das Naturparadies am Wyler Meer im Kreis Kleve. Gefährliches Linuron belastet das Refugium, das zum europaweiten Schutzgebietsnetz Natura 2000 zählt. Niemand vor Ort wusste davon. Der Kreis Kleve nicht, der Landschaftsschützer vor Ort nicht, die Bürger schon gar nicht.
Der Fall steht beispielhaft für den Umgang mit gefährlichen Bioziden in NRW. Er verdeutlicht, wie die Gefahr im Hintergrund gehalten wurde – und die Öffentlichkeit im Unklaren.
Annemarie Nickesen sitzt im „Tourist Info Center Alter Bahnhof“ der Gemeinde Kranenburg. Viele Besucher fragen sie nach dem Weg ans Wyler Meer und an die Große Wässerung. Die Wasserflächen sind das Herz des 26 Hektar großen Naturschutzgebietes Düffel. „Das ist ein sehr beliebtes Ausflugsziel. Einfach nur Natur pur“, sagt Annemarie Nickesen. Linuron kennt sie nicht. Doch Linuron gibt es seit Langem in den Bächen und Seen der Düffel.
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Messdaten des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv), die der WAZ Mediengruppe vorliegen, sprechen eine deutliche Sprache. Seit 1998 hat das Paradies ein Giftproblem. Zehnmal wurde der gesetzlich festgeschriebene Grenzwert für Linuron überschritten, zuletzt im Mai 2010. Da lag die maximale Giftkonzentration siebenfach über dem gesetzlich verbindlichen Grenzwert.
Das Unkrautvernichtungsmittel gilt als krebserregend
Der Kreis Kleve ahnte nichts von den hohen Gift-Spitzen in seinem grünen Schmuckkästchen. Zwar habe das Land NRW die Wasserqualität im Wyler Meer nur als „höchstens mäßig“ eingestuft. Doch das Lanuv gab dazu nur allgemeine „Wasserschutzsteckbriefe“ heraus. „Ein separater Handlungsbedarf für den Einzelstoff Linuron wurde nicht an den Kreis Kleve herangetragen“, sagt ein Sprecher. Man wähnte sich weiter im Idyll: „Ein konkreter Verdacht lag bisher zu keinem Zeitpunkt vor.“ Und weil Linuron „kein Thema war“, sprach die Kreislandwirtschaftskammer weiter über „Pflanzenschutz allgemein“.
Für die zuständige Bezirksregierung Düsseldorf ist Linuron offenbar bis heute tabu. In einer Antwort auf eine gezielte Anfrage der WAZ wird die giftige Chemikalie mit keinem Wort erwähnt. Auch nicht der Begriff Grenzwert. Nur soviel gesteht die Behörde ein: Vier Gewässer im Kreis Kleve seien „als schlecht bzw. als höchstens mäßig eingestuft worden“, darunter „auch das Wyler Meer“. An „Runden Tischen“ sei „die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie“ durchgesprochen worden. Der für Fische und Wasserorganismen fatale Wirkstoff Linuron spielte dabei keine Rolle.
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Einzelheiten erfahre man beim Lanuv, sagt die Bezirksregierung. Das Lanuv habe seine Erkenntnisse an die Bezirksregierung weitergegeben, sagt das NRW-Umweltministerium. Jetzt, da die Frage nach der Verantwortung für das Versteckspiel offen im Raum steht, zeigt eine Behörde auf die andere.
„Das ist eine Katastrophe“
Bürger und Naturfreunde im Rheindelta tappten bis zuletzt im Dunkeln. „Die Verletzlichkeit“ des ökologischen Juwels Wyler Meer sei „hinreichend beschrieben“, steht in der Gefährdungseinschätzung des europäischen Projektes Flora, Fauna, Habitat (FFH). Deshalb kümmerte sich Thomas Bäumen, Projektleiter bei der Unteren Wasserbehörde in Kleve, weiter um die Aktion „Grünes Band“, eine deutsch-niederländische Naturschutz-Koproduktion. Er und sein holländischer Kollege Johan Thissen erschraken, als sie von den Giftspitzen in ihrem Schutzraum erfuhren. „Das ist eine Katastrophe“, sagt Thissen und fragt sich: „Wo kommt das Zeug denn her? Warum ist dem niemand nachgegangen? Und warum hat keiner darüber gesprochen?