Dessau-Roßlau. Das Plastikspielzeug riecht stechend nach Gummi. Und die wetterfeste Jacke wurde sicher mit viel Chemie behandelt, damit sie den Regen abweist. Meist ist es nur ein Verdacht, dass Gegenstände und Textilien, die der Mensch täglich benutzt, für ihn gefährliche Schadstoffe enthalten könnten. Ob das so ist, können Verbraucher aber schon vor dem Kauf herausfinden.
Hersteller müssen gemäß einer EU-Verordnung, die seit 2007 in Kraft ist, Auskunft über eine Reihe gefährlicher Stoffe in ihren Produkten geben. Seit Jahresbeginn umfasst diese Liste mehr Schadstoffe. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Welche Produkte sind betroffen?
Von den Schadstoffen, über die Hersteller Auskunft geben müssen, sind etliche Gegenstände des täglichen Lebens betroffen. Das Informationsportal www.reach-info.de des Umweltbundesamtes (UBA) nennt als Beispiele Haushaltswaren, Textilien, Schuhe, Sportartikel, Möbel, Heimwerkerbedarf, Elektrogeräte, Spielzeug, Fahrzeuge oder Verpackungen.
Wie gefährlich sind die Schadstoffe, um die es geht?
Sie fallen unter die EU-Verordnung „REACH“ und gelten damit als „besonders besorgniserregend“. Das bedeutet, sie schaden entweder der Umwelt oder können dem Menschen schaden. Aktuell sind 136 Stoffe verzeichnet, davon wurden 54 erst Ende 2012 neu auf die sogenannte Kandidatenliste gesetzt, teilt das UBA mit.
Dazu zählen etwa einige Weichmacher (Phthalate), die in einer Vielzahl von Produkten wie Plastikspielzeug, Matratzen, bedruckten T-Shirts und Elektrokabeln vorkommen. Bestimmte Phthalate stehen im Verdacht, die Fortpflanzung zu gefährden.
Vier Stoffe unter den perfluorierten Carbonsäuren (PFC) sind nun neu auf der Liste. Sie sind wasser- und fettabweisend, weshalb die Stoffe in Antihaftbeschichtungen von Pfannen verwendet werden. Greenpeace fand die Stoffe in einem Test vom Oktober 2012 auch in Regenjacken und -hosen von Markenherstellern. Sie reichern sich in Gewässern, der Nahrungskette und schließlich im Menschen an. Einige der Chemikalien der Stoffgruppe PFC sind laut UBA schädlich für die Fortpflanzung, in Tierversuchen lösten sie Tumore aus. Die Übertragbarkeit dieser Ergebnisse auf den Menschen sei aber umstritten.
Wann ist der Hersteller zur Auskunft verpflichtet?
Zum einen muss der Stoff auf der sogenannten REACH-Kandidatenliste stehen. Überschreitet die Konzentration des Stoffes einen Anteil im Produkt von 0,1 Prozent, müssen Hersteller, aber auch Lieferanten oder Händler, jeden Bürger auf Anfrage darüber informieren.
Wie hole ich die Auskunft ein?
Mündlich, per Post oder E-Mail. Jede Firma direkt zu recherchieren und zu kontaktieren, ist aber aufwendig. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) bietet mit Unterstützung des Umweltbundesamtes ein Online-Formular an, dass dies dem Verbraucher abnimmt. Auf www.bund.net/giftfrage müssen nur die Artikelnummer unter dem Strichcode, der Produktname und die eigenen Kontaktdaten eingegeben werden. Die Anfrage wird an den Hersteller oder Händler geschickt. Diese wenden sich dann direkt an den Verbraucher und müssen innerhalb von 45 Tagen Auskunft geben.
Wie viele Anfragen übers Internet setzen die Verbraucher ab?
„Es sind im Schnitt etwa 1000 pro Monat“, sagt Jurek Vengels, BUND-Referent für Chemikalienpolitik. Die Seiten über Schadstoffe in Produkten seien die am meisten besuchten Seiten des BUND-Internetauftritts.
Was passiert, wenn der Hersteller oder Händler nicht antwortet?
Der Hersteller oder Händler ist nur verpflichtet, eine Antwort zu geben, wenn er einen als „besonders besorgniserregend“ deklarierten Stoff verwendet. Andernfalls braucht er nicht zu antworten.
Darauf weist die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hin. Denkt ein Verbraucher, der Stoff sei dennoch enthalten und er bekomme keine Antwort, sollte er das nach Ablauf der Frist von 45 Tagen einer zuständigen Kontrollbehörde melden, rät die Bundesanstalt.
Hier sind die Ämter gelistet. Zuständig ist die Behörde im Bundesland des Herstellers. Diese können bei Missachten auch ein Bußgeld gegen Unternehmen verhängen.
Wie behandeln die Unternehmen die Anfragen der Verbraucher?
Es gibt Angaben des BUND zufolge drei Untersuchungen aus den Jahren 2010 und 2011. Die Ergebnisse ähnelten sich. Viele Unternehmen hätten gar nicht, vage oder missverständlich geantwortet. „Wir können aber nicht durch die Bank sagen, dass es nicht funktioniert“, sagt Jurek Vengels. Es gebe Unternehmen, die innerhalb von Stunden die Fragen konkret und korrekt beantworteten. „Das zeigt, dass es möglich ist, der vom Gesetzgeber gestellten Aufgabe auch tatsächlich nachzukommen“, so Vengels. Der BUND fordert von Bundes- und EU-Behörden, regelmäßige Kontrollen.
Welche Möglichkeiten haben Verbraucher noch?
Der BUND empfiehlt, die Unternehmen nach verstrichener Frist über vorhandene Facebook-Seiten auf ihre Verfehlungen hinzuweisen und nachzuhaken. „Für manche Unternehmen ist der Druck in sozialen Netzwerken vielleicht sogar eine größere Strafe“, sagt Jurek Vengels. (mit dpa)